Die Domplatte in der Kölner Innenstadt. Es ist ein sonniger Nachmittag. Matthias Deml steht auf der südlichen Seite der Kathedrale, hinter ihm liegt das Domhotel. Beim Metropolitankapitel der Hohen Domkirche Köln ist er für „Inventarisation und Öffentlichkeitsarbeit" zuständig - eben dafür, die Kirche zu erklären. Sein Blick schweift über das südliche Langhaus - und wird fündig. "Genau, das dürfte sie sein, da kommen wir gar nicht näher ran. Das ist die vorderste Fiale hier an dem Pfeiler. Ganz da oben, die mit dem Geißbock."
Der Geißbock, das ist in Köln klar, das ist das Maskottchen des 1. FC Köln und viele Kölner wird es auch nicht wundern, dass selbst der Fußball-Verein auf dem eigentlichen Wahrzeichen der Stadt zu finden ist. Wobei das Maskottchen in diesem Fall auch eine Funktion hat: "Der geht als Wasserspeier da ab."
Die erste Deutsche Meisterschaft des 1. FC Köln 1962 war der Anlass, den Verein mit mehreren Stein-Geißböcken am Dom zu verewigen, geschaffen von dem Bildhauer Werner Meurer. Es ist nur ein Beispiel dafür, wie sich verschiedenen Epochen in dem 1248 begonnen und 1880 eröffneten Bau wiederfinden:
"Es ist ja so, dass im Mittelalter und im 19. Jahrhundert diese ganzen Kapitelle und Schmuckformen mit wenigen Ausnahmen Pflanzenornamente waren, Blattwerke in erster Linie, und nach dem zweiten Weltkrieg hat man eine schöpferische Denkmalpflege betrieben, lange Zeit. Das heißt, man hat den Dom zwar wieder grob in seinen alten Formen aufgebaut, in den Details aber den Steinmetzen sehr viel Freiheiten gelassen und dann begonnen, diese figürlichen Dinger anzubringen."
Lokale Wahrzeichen schmücken das Monument
Bis in die 1970er Jahre wurden etliche Mitarbeiter der Dombauhütte und ihre Familienangehörige am Dom verewigt. So gibt es beispielsweise auch das Kölner Dreigestirn, ein Funkenmariechen, alle möglichen Arten von Tieren oder auch einen Boxkampf, in dem der legendäre Kölner Peter Müller, Spitzname "Müllers Aap" dargestellt wurde, der einst einen Ringrichter K.O. schlug: Die meisten dieser sehr kleinen und von unten kaum sichtbaren figürlichen Darstellungen finden sich allerdings auf der anderen Seite des Doms, in dem erneuerten Bereichen der im Zweiten Weltkrieg schwer getroffenen Nordquerhausfassade.
Aber nicht nur Lokalkolorit hat hier Einzug gehalten, auch die Weltpolitik spielte eine Rolle – oder eben der Fußball, die WM von 1966. Doch anders als die Geißböcke lassen sich die Fußball-Spieler von damals nicht von der Domplatte aus sehen. Auch nicht mit Fernglas: "Dann würde ich sagen, gehen wir direkt hoch zu den Kapellen von 1966."
Matthias Deml geht los, umrundet den Dom, vorbei an Orgelspielern, Passanten, passiert er den Haupteingang der Kathedrale und schließt – mittlerweile gegenüber des Hauptbahnhofs an der Nordhausfassade angelangt – eine Holztür auf. Zwei Kollegen, deren Schicht zu Ende ist, kommen entgegen. Deml öffnet noch zwei Türen und betritt den Aufzug: "Ich hoffe, Sie sind schwindelfrei."
Er schließt die Aufzugtür, zieht ein Gitte vor und los geht's.
Angekommen auf dem Plateau. In der Ferne kann man den Kölner Fernsehturm sehen. Von hier geht es über Holzplatten, die in einer Gerüststruktur angebracht sind, in den Dachstuhl des Domschiffes. Statt Holz gibt es nun nochmal Steinboden. Rund 40 Meter sind es noch, zweimal links, wieder in Richtung Hauptbahnhof, geht es, über eine kleine Metalltreppe, wieder nach draußen.
Zeitgeist-Figuren sind heute die Ausnahme
Der schmale Weg führt außen am Dom entlang. Wenn der Blick nach rechts fällt, lässt sich das Dach des Hauptbahnhofs sehen, dahinter die Hohenzollernbrücke. Und nach ein paar Metern ist es dann soweit: Eher unscheinbar in einem Türbogen finden sich die zwei Fußball-Spieler. Und ein Ball. In Stein gemeißelt, lässt sich keiner dieser Spieler zuordnen. Und dennoch ist es eine Rarität – denn eine solche Ehrung, die vom Bildhauer Engelbert Davepon geschaffen wurde, ist seit den 80er-Jahren eine Ausnahme, so Matthias Deml.
„Da hat sich die Denkmalpflege gewandelt und hat gesagt, so, ab jetzt wieder die originalen Formen, wie sie ursprünglich mal waren. Und da waren die figürlichen Kapitelle, wie wir sie hier haben eben nicht mehr drin."
Dennoch: Obwohl die Spieler von 1966 - anders als die Mannschaft von 2014 - nicht den Titel gewonnen haben, sind sie nun auf dem Dom verewigt. Dass trotzdem noch Ausnahmen möglich sind, zeigt das Beispiel des Anfang der 2000er-Jahre ausgeschiedene Hüttenmeister der Kölner Dombauhütte, Anton Maid. Auch er ist am Gotteshaus verewigt - mit dem Handy telefonierend.