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Fussballgeschichte
Schalkes Rekordsieg gegen Wien

Schalke 04 hat sich als Bundesliga-Dritter erneut für die Champions League qualifiziert. Sein Image als Spitzenteam geht jedoch auf die 1930er und 1940er zurück, als Schalke sechsmal deutscher Meister wurde. Rekordgeschichte schrieb Schalke, als die "Königsblauen“ vor 75 Jahren gegen Admira Wien antraten.

Von Gerd Michalek |
    Für Herbert Burdenski war der 18. Juni 1939 ein großer Tag. Der Schalker durfte schon mit 17 Jahren das Vorspiel zur gesamtdeutschen Meisterschaft gegen Admira Wien bestreiten: Vor 100.000 Zuschauern, nur wenige Minuten, bevor die Stars der ersten Mannschaft das Berliner Olympiastadion betraten. Schalkes Jugend hatte keine Mühe mit dem Gegner, erinnerte sich Burdenski am Ende seines Lebens.
    "Das Vorspiel 1939 gegen eine Wiener Auswahl haben wir 4:2 gewonnen. Somit kamen der Füller und ich 14 Tage später in die erste Mannschaft. Das war 39."
    Gemeinsam mit Mitspieler Bernhard Füller konnte er an diesem Tag der ersten Mannschaft nur zuschauen. Auch sie kam mit dem Wiener Finalisten gut zurecht.
    Die besten Spieler, das beste System
    "Schalke hatte wohl zu der Zeit die besten Spieler und das beste System: das Flachpassspiel und den so genannten Schalker Kreisel - so interpretiert man das gerne. Der Kreisel heißt: Man gibt den Ball immer wieder sehr schnell ab - ein kameradschaftliches Spiel, das man der schwer-industriellen Arbeit entlehnt haben könnte. Da ist man ja auch darauf angewiesen, dass sein Nachbar keinen Unsinn macht und einen warnt, wenn ein Stein runter fällt. Da war es letztlich relativ egal, wer denn die beste Position hatte und das Tor schoss."
    So umschreibt es Professor Stefan Goch vom Institut für Stadtgeschichte in Gelsenkirchen.1939 kam Schalke durch flink gespielte Kombinationen über viele Stationen oft zum Torschuss. Die Königsblauen gingen schnell in Führung. Dann wurde ein bedrängter Wiener Abwehrspieler grob:
    "Der hat die Nerven verloren, er hat die rechte Hand raus genommen und hat Fritz Szepan einen Nackenschlag gegeben, der ist gleich umgefallen. Der Schiedsrichter hat unterbrochen, es gab nur eine Möglichkeit: Platzverweis - und das war berechtigt."
    Schalke drehte auf. Allein Ernst Kalwitzki schob das Leder fünfmal ins Wiener Netz. Die Schlussbilanz: ein Kantersieg mit 9:0 Toren. Einmalig in der DFB-Geschichte für Meisterschafts-Finalspiele. Kein Wunder, dass die Stimmung des Wiener Publikums - kurz nach der Annexion Österreichs durch das Hitler-Regime - stark aufgeladen war.
    "Man kann noch erzählen, dass dieser 9:0-Sieg unter den Wienern, die ja politisch eher nicht den Nationalsozialisten zuneigten, die Wut über diesen so genannten Anschluss noch erhöht hat. Und im Folgejahr ist dann beim Endspiel in Wien dem Reichsjugendführer von Schirach der Reifen am Auto zerschnitten worden - und dem Schalker Vereinsbus auch. Das ist sozusagen die Konsequenz. Man hat dann diese Reichsdeutschen, die offensichtlich auch so inszeniert worden sind, natürlich nicht gemocht."
    Instrumentalisierung durch das NS-Regime
    Für Hitlers Regime bot Schalke als Arbeitersportverein gute Voraussetzungen, um politisch Kapital zu schlagen.
    "Muss man natürlich sagen, dass es den Nationalsozialisten gut in den Kram passte zur Propagierung ihrer Volksgemeinschaft, zu sagen - wir würden heute sagen "vom Tellerwäscher zum Millionär" - selbst ein Arbeiterverein aus der Arbeitergegend kann es zu höchstem Ruhm bringen. Das passte natürlich, insbesondere das Dritte Reich da ein paar Schwierigkeiten hatte, die Arbeiter zu integrieren. Es dauerte in Gelsenkirchen: eine relativ starke Hochburg der linken Arbeiterbewegung."
    Gleichwohl standen Schalkes Spieler nicht in Opposition zum Nazi-Regime. Spieler wie Ernst Kuzorra, Fritz Szepan und andere gehörten der NSDAP an. Auch der Vereinsvorstand zeigte sich - wohl mehr aus Opportunismus denn aus Überzeugung - kompromissbereit gegenüber den braunen Machthabern; Er trat der NSDAP bei, um in Ruhe weiterarbeiten zu können. So interpretiert es jeden-falls Historiker Stefan Goch, der im Auftrag der Schalker Vereinsführung mit seinen Kollegen die Verstrickungen Schalker Spieler während der Nazizeit untersuchte. Kurz vor dem 100-jährigen Vereinsjubiläum gab es die Idee, im Umkreis der neuen Arena vier neue Straßen nach berühmten Spielern zu benennen. Goch fand heraus, dass Fritz Szepan dafür nicht infrage kam.
    "Da ist einer der Fälle, dass dem Schalker Star Fritz Szepan ein Textilgeschäft zugeschanzt worden ist, das vorher einer jüdischen oder zwei jüdischen Familien gehört hat. Diese jüdische Firma, die eh schon mit Boykott zu kämpfen hatte, ist dann gezwungen worden, dieses Geschäft sehr billig abzugeben. Fritz Szepan hat da verhältnismäßig viel Geld mit verdient. Es hat nach der Befreiung vom Nationalsozialismus ein Wiedergutmachungsverfahren mit der einzigen überlebenden Tochter gegeben. Man muss sagen, Fritz Szepan hat bis zum Schluss nicht begriffen hat, was er da gemacht hat."
    Sportlich markierte das Jahr 1939 für Schalke keine Zäsur: Obwohl nur zwei Monate nach dem Rekordsieg gegen Admira Wien der Zweite Weltkrieg ausbrach, wurde in Deutschland weiterhin Fußball gespielt. Der Revierclub holte 1940 und 1942 seinen vierten und fünften deutschen Meistertitel. Selbst 1944 wurde Schalke noch Westfalenmeister, bevor der Sportbetrieb dann endgültig zum Erliegen kam.