Eigentlich sollte es ein ganz normales Spiel in der Fußball-Bundesliga werden: Borussia Dortmund trat zu Hause gegen RB Leipzig an – beide Vereine rangieren im oberen Drittel der Tabelle, der BVB dem Zweitplatzieren Leipzig dicht auf den Fersen. Doch schon vor Anpfiff des Verfolgerduells ist die Stimmung aufgeladen. Nach Polizeiangaben werden Leipziger Fans vor dem Stadion mit Steinen und Dosen beworfen.
Die Polizei berichtet in einer Pressemitteilung von einer "extremen Aggressivität und Gewaltbereitschaft der Dortmunder Anhängerschaft gegenüber den Gästen". Die feindselige Stimmung habe sich gegen "jede als Leipzig-Fan erkennbare Person" gerichtet: "Egal, ob es sich um kleine Kinder, Frauen oder Familien handelte." Polizeieinsatzleiter Edzard Freyhoff sagte, "völlig ohne Sinn und Verstand kam es plötzlich und unvorhersehbar zum Bewurf der Leipziger, Unbeteiligter und Polizisten". Nur mit einem massiven Polizeieinsatz sei Schlimmeres verhindert worden. "Solche Bilder, in solche hasserfüllten Fratzen habe ich noch in keinem meiner Polizeieinsätze gesehen", zeigte sich Freyhoff schockiert.
Schmähplakate gegen Leipzig in ganz Dortmund
Während der Attacken seien sechs Gästefans und vier Polizisten verletzt worden. Man habe insgesamt 28 Strafanzeigen wegen Verstößen gegen das Sprengstoffgesetz, Körperverletzung, gefährlicher Körperverletzung, Landfriedensbruch, Sachbeschädigung, Beleidigung, Widerstands sowie räuberischen Diebstahls gestellt.
Der Zorn der Gastgeber-Fans hatte sich erneut gegen das Geschäftsmodell von RB Leipzig gerichtet. Viele Traditionalisten unter den Fußball-Begeisterten wollen sich nicht damit abfinden, dass der Verein vom zahlungskräftigen österreichischen Getränkehersteller Red Bull gesponsert wird. Zahlreiche BVB-Anhänger hatten deswegen vorab in ganz Dortmund Schmähplakate angebracht und auch im Stadion viele hasserfüllte Spruchbänder gegen das "Kunstprodukt" RB Leipzig gezeigt.
Offene Aufrufe zu Gewalt gegen Leipzig-Anhänger
Auf einigen Bannern wurde offen zu Gewalt aufgerufen wie beispielsweise zum Werfen von Pflastersteinen. Ein besonders geschmackloses Transparent richtete sich gegen RB-Leipzig-Trainer Ralf Rangnick: "Burnout-Ralle, häng Dich auf!" Rangnick war 2011 als Trainer von Schalke 04 wegen psychischer Probleme zurückgetreten.
Leipzig-Vorstandschef Oliver Mintzlaff wollte die Vorwürfe im Hinblick auf die Kommerzialisierung seines Vereins vor dem Spiel im Interview mit dem Sender Sky nicht gelten lassen: "Ich habe mir mal das Programm-Heft [von Borussia Dortmund, Anm. d. Red.] angeschaut. Ich glaube, wir haben durch 35 Seiten mit Anzeigen und Werbung blättern müssen. Viel mehr Kommerz als hier kann ich gar nicht finden."
RB Leipzig fordert von BVB-Verantwortlichen Konsequenzen
Unterdessen hat RB Leipzig die Verantwortlichen von Borussia Dortmund zum Handeln aufgefordert. "Die Übergriffe von Dortmunder Fans gegen gegnerische Zuschauer, gegen die Polizei, aber auch Beleidigungen und Straftaten gegen Kinder und Frauen sind nicht tragbar und beschämend für ganz Fußball-Deutschland", hieß es in der Mitteilung, die RB zunächst via Twitter veröffentlichte.
Der Verein richtete sich auch konkret an BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Präsident Reinhard Rauball. "Wir erwarten von Herrn Watzke und Herrn Rauball, dass diese von mehreren Tätern verübten Vorfälle - die diese Saison erstmals unsere Fans betrafen - lückenlos im Interesse der gesamten Bundesliga aufgeklärt werden."
"Der BVB verurteilt diese Gewalt aufs Schärfste"
Zuvor hatten die Dortmunder die Ausschreitungen verurteilt. "Borussia Dortmund bedauert zutiefst, dass es zu Ausschreitungen auf dem Anreiseweg der Fans aus Leipzig gekommen ist. Der BVB verurteilt diese Gewalt aufs Schärfste", teilte der Verein mit. Er wünschte "den verletzten Fans aus Leipzig auf diesem Wege gute Besserung".
Wegen der Vorfälle muss sich der BVB nun auf Ärger mit dem Deutschen Fußball-Bund einstellen. Der Verband bestätigte, dass der DFB-Kontrollausschuss zu Beginn der neuen Woche Ermittlungen aufnehmen wird. Anlass dürften jedoch in erster Linie die zahlreichen Schmäh-Spruchbänder sein, die vor Beginn des Spiels auf der Südtribüne des Stadions zu sehen waren. Grundsätzlich kann die DFB-Sportgerichtsbarkeit nur Vorkommnissen nachgehen und zur Verurteilung bringen, die innerhalb des Stadions stattfanden.
Zudem könnten Die Ausschreitungen bei dem Spiel in Dortmund eine neue Debatte über zunehmende Gewalt im Fußball auslösen sowie darüber, wer die Kosten für die damit verbundenen Polizeieinsätze zu tragen hat.
(tj/stfr)