Mit der Rolltreppe geht es mitten hinein ins Fußballerherz. Über einem die steilen Zuschauerränge des Pecaembu-Stadions, die ehemalige Heimstätte von Corinthians Sao Paulo. Unverputzt, nackt und kühl durchschneiden Betonpfeiler und Eisenstreben diesen Hohlraum der Katakomben. An ihnen sind die Riesenleinwände befestigt, die den dunklen Raum aufflackern lassen. Fangruppen singen in Endlosschleife und in einer Lautstärke, die unter die Haut geht.
Palmeiras, Corinthians, Flamengo oder Fluminense. Alle Anhänger der großen brasilianischen Clubs kommen hier zu Wort. Es scheint als schreit das Betongewölbe des alten Stadions alles heraus, was es in den vergangenen 70 Jahren von den Fans aufgesogen hat.
Die nächste Höhle des Fußball-Museums in Sao Paulo. Eine Höhle, die für Brasilien noch immer die Hölle bedeutet.
1950. Das WM-Finale im eigenen Land gegen den kleinen Nachbarn Uruguay. Ein Spiel im Schnelldurchlauf.
1:0 Brasilien. Der Titel ist unser.
Der Ausgleich zum 1:1. Der Titel ist immer noch unser.
2:1 für Uruguay. Das Herz Brasiliens hört auf zu schlagen.
200.000 fassungslose Gesichter im Stadion Maracana in Rio. Die Bildschirme zeigen Ungläubigkeit, Schock und Resignation. Eine stolze Nation ist auf ihren Minimalzustand zusammengeschrumpft. So still war es noch nie im Land und wird es nie wieder sein.
Es sind die Tore, die Geschichte schreiben. Die Quintessenz des Fußballs, der wohl kaum ein Land so stark prägt wie Brasilien. Sei es die verlorene WM 1950, oder die folgenden drei Titel bei vier Turnieren bis 1970 unter Ausnahmespieler Pelé. Brasilien diese Nation aus Ballzauberern, hat sich immer über den Fußball und seine zahlreichen Stars definiert. Ballstreichler wie Zico, Schlitzohren wie Garrincha oder Strategen wie Sócrates. Sie alle werden hier ausführlich gewürdigt.
Es sind natürlich auch die Tore, die die Fußballanhänger selbst verändern. Tore, die sich für immer in ihr Gedächtnis einbrennen. Tore, an die man sich immer erinnern wird - selbst wenn sie nicht geschossen wurden.
„Das Tor, das mich am meisten persönlich geprägt hat, ist nie gefallen."
Galvao Bueno durfte das WM-Finale 1994 im brasilianischen Fernsehen kommentieren. Italien hatte sich bis ins Endspiel gegen Brasilien geschleppt und dort ein Elfmeterschießen erzwungen. Im Stadion im amerikanischen Pasadena herrschten 40 Grad im Schatten. Brasilien und auch Italien verschossen jeweils ihre ersten Strafstöße.
Schließlich tritt Roberto Baggio zum letzten Elfmeter an. Baggio der Star der italienischen Elf, er hat seine Mannschaft quasi im Alleingang ins Finale geführt. Er muss treffen sonst ist Brasilien Weltmeister.
„Also kommt Roberto Baggio. Er legt sich den Ball zurecht. Dieser Ausnahmespieler. Unvorstellbar, dass er verschießt. Baggio läuft also an. Taffarell im brasilianischen Tor. Baggio schießt. Und setzt den Ball weit über das Tor. Schießt den Ball quasi auf den Mond."
„Das war der hysterischste Kommentar meiner Karriere. Ich rief nur noch: Der Vierte, der vierte Titel. Das Spiel ist aus. Und so war der emotionalste Moment für mich, ein Tor, was gar keins war. Gott sei Dank!"