Saudi-Arabien befindet sich auf Platz 56 der FIFA-Weltrangliste der Männer. Einen Platz davor ist Finnland, einen dahinter Bosnien und die Weltspitze allenfalls mit einem Fernglas zu erkennen. Doch genau die möchte Saudi-Arabien so schnell wie möglich erreichen. Im September hat der nationale Fußballverband seine Vision unter dem Titel "Our Tactics for Tomorrow" mit sieben Eckpfeilern vorgestellt. Das mittelfristige Ziel: Bis zur Fußball-Weltmeisterschaft 2034 soll die Männer-Nationalmannschaft zu den Top 20 der Welt gehören.
Bekannt war bereits, dass das Königreich an einer Ausrichtung der WM interessiert ist. Mit der Übernahme des englischen Erstligisten Newcastle United ist zudem der Eintritt in den europäischen Clubfußball gelungen. Nun beginnt eine großangelegte Kampagne zur Entwicklung des inländischen Fußballs. Laut dem Sportökonom Simon Chadwick gehe es für Kronprinz Mohammed bin Salman und das Königshaus darum, dem Land ein anderes Image zu verpassen.
"Es gibt eine Anti-CO2-Agenda auf der ganzen Welt. Das wird die Öl- und Gasumsätze dieser Länder beeinflussen. Deshalb müssen sie versuchen, ihre Ressourcen so gut es geht auszunutzen, aber auch ihre Einnahmequellen auf Sicht hin zu diversifizieren", sagt Chadwick. "Zudem dient der Fußball der politischen Agenda von bin Salman – nicht nur persönlich, sondern auch für Saudi-Arabien als Ganzes. Eine führende Fußballnation zu sein, bringt soziales Kapital und Soft Power."
Saudi-Arabien will Image aufpolieren
Gerade seit der Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi im Oktober 2018 wird versucht, das Ansehen auf internationaler Bühne aufzupolieren, um etwa neue Partner anzulocken. Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik dazu: "Da wird das Königreich auch erfolgreich sein. Insbesondere in dem Maße, wie wir uns nun von den Ereignissen von 2018 entfernen. Die sind eine schwere Hypothek. Aber wir werden es erleben, dass mehr investiert wird aus dem Ausland in Saudi-Arabien, mehr als das es ohnehin schon passiert. Das ist natürlich auch eines der härteren Ziele hinter dem möglichen Versuch, an die Weltmeisterschaft zu kommen – noch einmal mehr Interesse zu schaffen."
"Globale Bekanntheit" lautet eine von sieben Säulen der Fußballvision Saudi-Arabiens. Die anderen sind Wettbewerb, Technologie, Fachkräfte, Ausbildungsstrukturen, Führung und Frauenfußball. Hinter diesen Begriffen verbergen sich ganz konkrete Maßnahmen, die sehr schnell umgesetzt werden sollen.
So möchte der Fußballverband bis 2025 8.000 Trainer und 2.500 Schiedsrichter ausbilden sowie über 50 Jugendwettbewerbe etablieren. Inspiration sucht das Land bei angesehenen Fußballnationen, um, wie es heißt, das Potenzial der einheimischen Jugend auszuschöpfen.
Das Königshaus hat sich zuletzt besorgt darüber gezeigt, wie wenig aktiv diese ist. "Wenn man sich mit Personen des saudi-arabischen Sportsministeriums unterhält, dann sagen diese, dass das Land ein Problem mit Fettleibigkeit habe und es die Menschen ermutigen wolle, aktiver zu werden. Deshalb werde in Sport investiert, lautet eines ihrer Argumente", sagt Martyn Ziegler, Journalist der britischen Tageszeitung "The Times".
Mädchen und Frauen brennen auf den Fußball
Und wie sieht es konkret bei den Mädchen und Frauen in Saudi-Arabien aus? Einige von ihnen brennen auf den Fußball, berichtet Monika Staab, die Trainerin der Frauen-Nationalmannschaft. "Die sind fußballfanatisch, also fußballfanatisch im positiven Sinne. Die lieben ihren Fußball. Die wollen Fußball spielen, weil sie damit groß geworden sind. Lamia [bint Bahian], meine Chefin, hat mit ihren Brüdern auf den Straßen gekickt. Man hat diesen Bezug zum Fußball, man macht hier nichts künstlich."
Staab hat in den Siebziger- und Achtzigerjahren in Deutschland, Frankreich und England gespielt, trainierte später den 1. FFC Frankfurt und leistet seit über einem Jahrzehnt Pionierarbeit in fußballerischen Entwicklungsländern. Momentan reist sie in Saudi-Arabien von einem Sichtungstraining zum nächsten, um weibliche Talente zu scouten.
"Sie wollen nicht kurzfristig Erfolge erzielen für die Nationalmannschaft", meint Staab. "Natürlich, die Nationalmannschaft hat noch nie draußen ein Länderspiel absolviert. Also da wird Geschichte geschrieben in der nächsten Zeit. Sie haben noch nie draußen in einer Liga 11er-Feld gespielt. Sie haben viele Community Leagues auf 9er-Feld gemacht. Das ist das, was sie in der Vergangenheit sehr oft gespielt haben."
Im Konzept des Fußballverbands ist vorgesehen, jetzt überall im Land Wettbewerbe für Mädchen im 11-gegen-11 zu etablieren. Zudem soll es bald den Männervereinen erlaubt sein, Frauen aufzunehmen.
"Das wäre ein Riesenschritt"
"Angeblich soll schon das Blatt vom Kronprinzen unterschrieben sein. Dass jede Erstligamannschaft Frauen aufnehmen darf, ist ein Konzept wie in England. Wenn also das passiert, dass die Frauen, die seit 14 Jahren hinter verschlossenen Türen in kleinen Vereinen spielen, die sich aber aufrechterhalten mit Beiträgen jeder einzelnen Spielerin, um den Platz zu finanzieren, wäre das ein Riesenschritt. Weil dann hätten sie auch die Möglichkeit, in den Clubs zu trainieren", so Staab.
Das wäre ein großer Schritt in einem Land, in dem Frauen bis 2017 kein Auto fahren durften. Aufgehoben hat dieses Fahrverbot Kronprinz bin Salman, zudem dürfen Frauen jetzt ohne die Zustimmung ihres Mannes reisen und allein wohnen. Der gesellschaftliche Wandel in Saudi-Arabien geht zumindest etwas voran.
Genauso wie die Förderung des Fußballs. Und dabei wird, wie in Saudi-Arabien so üblich, in großen Dimensionen gedacht.