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G20 Proteste
"Kein Generalverdacht"

"Es gibt tausende, zehntausende, sehr friedliche junge Menschen, die hier zu Recht ihren Protest zum Ausdruck bringen", sagt Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linkspartei im Bundestag im Gespräch mit dem Dlf. Bei den Auseinandersetzungen in Hamburg sei die Polizei zudem selbst "nicht zimperlich" gewesen.

Ulla Jepke im Gespräch mit Jasper Barenberg |
    Bei der G20-Demo in Hamburg kommt es zu Ausschreitungen. 06.07.17
    Der G20-Gipfel wurde von gewalttätigen Ausschreitungen überschattet: Gegen die Demonstranten dürfte jetzt allerdings kein Generalverdacht ins Feld geführt werden, so Jelpke im Dlf. (dpa / Sebastian Willnow)
    Jasper Barenberg: Am Telefon ist jetzt Ulla Jelpke, die innenpolitische Sprecherin der Linkspartei im Bundestag. Auch sie erreichen wir in Hamburg. Schönen guten Tag, Frau Jelpke!
    Ulla Jelpke: Ja, schönen guten Tag!
    Barenberg: Frau Jelpke, Sie haben uns im Vorfeld gesagt, Sie seien als parlamentarische Beobachterin heute auf einer weiteren angemeldeten großen Kundgebung. Wie ist die Situation da, wo Sie sind im Moment?
    Jelpke: Ich bin seit vier Tagen hier, und heute ist es wirklich erfrischend. Es sind Zehntausende hier am Hauptbahnhof und am Millerntor, und ich denke, es wird heute eine kämpferische, bunte, friedliche Demonstration werden.
    Barenberg: Einer der Mitbesitzer der Drogeriefiliale, die gestern im Schanzenviertel in Flammen aufgegangen ist und geplündert wurde, der steht heute vor einem Schaden von 300.000 bis 400.000 Euro, und er sagt, man kann heute eigentlich nicht mehr nach diesen Vorkommnissen, nach dieser Eskalation der Gewalt eine weitere Kundgebung durchführen. Was antworten Sie ihm?
    "Grundrecht nicht in Frage stellen"
    Jelpke: Also ich sage ihm ganz klar, dass man hier keinen Generalverdacht auf alle Protestierer und Protestierinnen durchführen darf. Es gibt hier tausende, zehntausende, sehr friedliche, vor allen Dingen auch sehr junge Menschen, die zu Recht hier ihren Protest zum Ausdruck bringen, und das richtet sich natürlich gegen Despoten wie Erdogan, der schwerste Menschenrechtsverletzungen begeht, der Fluchtursachen schafft, aber auch gegen Trump, gegen Putin, gegen Menschen, Leute, die die Welt beherrschen wollen und über Länder reden, die hier überhaupt gar nicht vertreten sind, wie beispielsweise die afrikanischen Länder. Und deswegen würde ich ihm sagen, der Schaden muss behoben werden, und diejenigen, die dafür verantwortlich sind, wird man wahrscheinlich nicht kriegen, aber ich glaube, deswegen dürfen wir nicht ein Grundrecht infrage stellen oder das Versammlungsrecht für die Menschen, die hier, wie gesagt, heute demonstrieren werden.
    Barenberg: Frau Jelpke, die Verbindung mit Ihrem Mobiltelefon ist leider nicht so besonders gut. Ich will doch noch mal eine Frage unbedingt loswerden: Letzte Nacht waren es geschätzt 1.500 militante G20-Gegner, so jedenfalls die Zahlen der Polizei, die diese Gewalt ausgeübt haben und die dieses Ausmaß an Schäden angerichtet haben. Hat das aus Ihrer Sicht irgendetwas mit Politik zu tun oder sind diese Menschen nichts anderes als extremistische Kriminelle?
    Kritik an der Polizeitaktik
    Jelpke: Also ich muss mal sagen, hier hat sich was entladen, also letzte Nacht, das war ja auch nicht das einzige Mal, aber ich muss vor allem sagen, ich finde es absolut unfähig wie die Polizeitaktik ist, dass man stundenlang nicht in der Lage ist, den Frieden wieder herzustellen. Ansonsten sage ich Ihnen, natürlich gibt es durchaus sinnlose Gewalt, das ist überhaupt nicht die Frage, aber jetzt das als Generalverdacht gegen alle zu hegen, das ist einfach grundfalsch.
    Barenberg: Also ich verstehe Sie richtig, Sie verurteilen nicht die Gewalt, sondern die Vorgehensweise der Polizei.
    Jelpke: Ich habe gesagt, dass es durchaus sinnlose Gewalt gegeben hat, aber ich verurteile eben auch die Tatsache, dass man in einer Stadt, das habe ich im Innenausschuss auch schon sehr deutlich gesagt, in einer Stadt wie Hamburg so etwas veranstaltet und vor allen Dingen, wie sich jetzt zeigt, das absolute Versagen auch hier der Verantwortlichen. Man muss beide Seiten sehen, wie so etwas überhaupt eskalieren kann. Auf der anderen Seite, wie gesagt, ich bin vier Tage hier, und auch die Polizei ist nicht zimperlich gewesen und hat sehr schnell den Knüppel geschwungen, die Wasserwerfer angeworfen beziehungsweise Tränengas eingesetzt. Also von daher eskaliert natürlich eine Situation auch von beiden Seiten.
    Barenberg: Also Sie wären dafür, solche Veranstaltungen nicht mehr in einer Stadt wie Hamburg durchzuführen, und damit kapitulieren wir vor denjenigen, die Gewalt androhen und sie dann auch anwenden bei solchen Anlässen.
    "Afrikanische Staaten werden ausgegrenzt"
    Jelpke: Ja, ich bin der Meinung, erstens, Hamburg ist kein Ort dafür, aber zweitens, diese G20-Gipfel … Man soll miteinander reden, das ist überhaupt nicht die Frage, aber wenn, dann müssen alle miteinander reden und nicht, wenn diese ganzen afrikanischen Staaten ausgegrenzt werden.
    Barenberg: Aber Sie wissen auch, Frau Jelpke – verzeihen Sie, wenn ich Sie unterbreche –, Sie wissen auch, Frau Jelpke, dass es eine große vorbereitende Konferenz gegeben hat mit vielen Teilnehmern aus afrikanischen Ländern in Vorbereitung just auf diesen Gipfel, und es gibt auch Gäste aus Afrika, die jetzt mit am Tisch sitzen.
    Jelpke: Ja, aber die haben ja nichts zu melden. Also die 20 entscheidenden … die reichen Staaten entscheiden hier über alle, und das kann doch nicht der Sinn sein, wenn es um Klimapolitik geht, wenn es um Wirtschaft und Handel geht und die Frage, was sind die Frage von Waffenlieferungen. Es können doch nicht die 20 entscheiden, die eh schon entsprechend daran verdienen oder teilweise die Klimapolitik einfach verhindern.
    Barenberg: Die Einschätzungen, die Ansicht von Ulla Jelpke, der innenpolitischen Sprecherin der Linkspartei im Bundestag. Danke für Ihre Zeit in Hamburg!
    Jelpke: Sehr gerne! Tschüss!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.