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G20-Treffen
"Eher ein Erfolg für Putin als für Trump"

Aus einer halben Stunde wurden fast zweieinhalb Stunden: Das Gespräch zwischen US-Präsident Donald Trump und seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin sei möglicherweise der Höhepunkt des gesamten G20-Programms gewesen, sagte SPD-Politiker Gernot Erler im Dlf. Es könnte den Anfang einer Zusammenarbeit bei der Lösung des Syrienkonflikts markieren.

Gernot Erler im Gespräch mit Mario Dobovisek |
    Das Bild zeigt US-Präsident Donald Trump und den russischen Präsidenten Wladimir Putin.
    US-Präsident Donald Trump hat beim G20-Gipfel in Hamburg den russischen Präsidenten Wladimir Putin getroffen. (dpa-Bildfunk / AP / Evan Vucci)
    Mario Dobovisek: Das Arbeitstreffen zum Klimaschutz haben sie gestern geschwänzt, US-Präsident Donald Trump und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin. Stattdessen haben sich beide am Nachmittag zum ersten Mal zusammengesetzt, sich ausgetauscht in einer durchaus angespannten Situation, hatte Trump Russland doch zuletzt unter anderem destabilisierendes Verhalten vorgeworfen mit Blick auf Russlands Politik in der Ukraine, in Syrien und im Iran, doch am Ende war das Treffen, so berichten es beide Seiten, harmonisch und brachte sogar eine Waffenruhe für Syrien. Thilo Kößler berichtet:
    Thilo Kößler berichtete, und am Telefon begrüße ich Gernot Erler. Er ist Sozialdemokrat und Koordinator der Bundesregierung für die Zusammenarbeit mit Russland, Zentralasien und den Ländern der östlichen Partnerschaft. Guten Morgen, Herr Erler!
    Gernot Erler: Guten Morgen, Herr Dobovisek!
    Treffen zwischen Putin und Trump als Höhepunkt
    Dobovisek: Statt 30 Minuten also dauerte das Treffen gestern fast zweieinhalb Stunden. Die Chemie stimmte offenbar zwischen den beiden, so hören wir es. Wie wichtig war es, dass sich Trump und Putin gestern in Hamburg getroffen haben?
    Erler: Also zunächst mal ist das natürlich möglicherweise der Höhepunkt des ganzen Programms von dem Hamburger G20-Treffen, denn erstaunlicherweise ist das ja das erste Treffen zwischen den beiden Präsidenten. Vorher ist nur dreimal telefoniert worden, und es markiert einen Wechsel auch der amerikanischen Haltung, was die Rolle Russlands in Syrien angeht. Das hat ja eine wechselhafte Vorgeschichte: Wir erinnern uns daran, dass am 7. April Amerika, nach dem C-Waffeneinsatz seitens der syrischen Regierung, einen Flughafen beschossen hat, dass am 18.6. ein syrischer Jet abgeschossen worden ist bei Rakka und dass bisher es eher Vorwürfe aus Washington gab, was die russische Syrienpolitik angeht. Jetzt hat es im Vorfeld von G20 ein Angebot zu helfen aus Washington gegeben, und man hat offenbar, wenn auch eine regionale begrenzte, Waffenruhe vereinbaren können im Südwesten von Syrien. Das könnte der Anfang von einer Zusammenarbeit bei der Lösung des Syrienkonflikts geben, und das ist eigentlich eine gute Nachricht, denn wir denken ja an die Menschen, die da betroffen sind nach wie vor von diesen Kämpfen vor Ort.
    Dobovisek: Das Treffen als eine Zäsur in den Beziehungen zwischen Russland und den USA?
    Erler: In Sachen Syrien ja. Nicht generell, aber in Sachen Syrien. Das ist auch deswegen erstaunlich, dass es dazu gekommen ist, weil ja auch im Vorfeld des Gipfels es Dinge gegeben hat, die man sicher nicht gerne in Moskau gesehen hat. Ich meine dabei am 20.6. die Ausweitung von US-Sanktionen gegen Russland im Zusammenhang auch mit dem Ukrainekonflikt und dann diese Rede, diese sehr kämpferische Rede von Donald Trump in Warschau direkt am Vorabend des Gipfels, wo er Russland destabilisierende Aktivitäten in der Ukraine und anderswo vorgeworfen hat. Also das war ja nicht unbedingt ein Auftakt zu einem guten Gespräch, und trotzdem ist das hinterher von beiden Seiten als gutes und wichtiges Treffen bezeichnet worden.
    Dobovisek: Glauben Sie, dass das sozusagen nur die Außenwirkung ist oder ob beide tatsächlich einen Draht zueinander finden konnten?
    Erler: Ich glaube, da werden wir ein Stückchen abwarten müssen, ob das jetzt eine Wende ist. Nach wie vor steht ja ungeklärt offensichtlich im Raum diese Vorwürfe, dass Russland in den amerikanischen Wahlkampf eingegriffen hat. Das ist bei diesem Treffen auch nicht geklärt worden, und wenn wir angucken, was Putin auf die Fragen geantwortet hat, dann hat der ja nicht gesagt, das hat es nicht gegeben, sondern dann hat er gesagt, ich will Beweise sehen. Das ist schon seit längerer Zeit die Haltung. Die Beweise in diesem Feld sind natürlich sehr schwierig zu erbringen. Also diese Affäre ist, glaube ich, nicht ausgestanden mit dem G20-Treffen, aber wenn es alleine in Syrien eine Annäherung gibt und eine bessere Zusammenarbeit, dann ist das schon eine gute Botschaft von diesem Treffen.
    Auf Augenhöhe
    Dobovisek: Wie wichtig ist da der persönliche Faktor in den Beziehungen, gerade zwischen Trump und Putin, die ja nicht gerade als einfache Charaktere gelten nach außen hin?
    Erler: Na ja, also ich meine, diese Meldung zwei Stunden, 16 Minuten oder 15 Minuten – das ist jetzt egal –, die ist ja überall rausgegangen, konnotiert eben mit der Bewertung, dass das ein sehr gutes Zeichen ist, dass aus einer halben Stunde mehr als zwei Stunden geworden sind und dann die Höflichkeit, mit der man offenbar miteinander umgegangen ist, vielleicht aus unserer Sicht eine Selbstverständlichkeit, aber aus russischer Sicht ist das etwas, was Putin sehr gut zu Hause vorzeigen kann. Er ist auf gleicher Augenhöhe mit Trump im Bild. Er wird sehr ehrerbietig von Trump behandelt. Der soll ja gesagt haben, es ist mir eine Ehre, Sie zu treffen, und nach all den Schwierigkeiten mit dieser gleichen Augenhöhe zwischen Russland und den Vereinigten Staaten in der Vergangenheit, ist das eher ein Erfolg für Putin als ein Erfolg für Trump.
    US-Präsident Donald Trump und Russlands Präsident Wladimir Putin begrüßen sich
    US-Präsident Donald Trump und Russlands Präsident Wladimir Putin begrüßen sich (Steffen Kugler/Bundespresseamt/dpa/ dpa-Bildfunk)
    Dobovisek: Während wir uns die Folgen auch dieses angespannten Verhältnisses anschauen zwischen Russland und den USA in den vergangenen Wochen, den vergangenen Monaten, dann stellen wir fest, dass das eine große Belastung war für die internationale Politik, für die Weltgemeinschaft, für Europa. Würden Sie soweit gehen, dass Sie jetzt ein Stück weit aufatmen können, auch als Russlandkoordinator der Bundesregierung?
    Erler: Also selbstverständlich ist Deutschland dran interessiert, dass es zwischen diesen beiden wichtigen Playern in der globalen Politik nicht dauernd zu Spannungen kommt und zu wechselseitigen Vorwürfen, sondern dass zusammengearbeitet wird. Wir haben so viele Probleme auf der Welt, aber eben auch diese beiden blutigen Konflikte in Syrien und auch in der Ukraine, dass das eher ein gutes Signal ist, wenn hier es zu Gesprächen kommt, die fruchtbar sind. Es ist ja offenbar auch verabredet worden – die Einzelheiten sind mir da noch nicht bekannt geworden – über einen neuen Kommunikationskanal, die Gespräche über die Ukraine-Krise fortzusetzen. Das ist ja dringend notwendig, denn hier treten wir auf der Stelle und kommen nicht weiter. Also insofern gibt es ein Stückchen Hoffnung, die ausgeht jetzt von diesen Gesprächen.
    "G20 bringt wichtige Staatenlenker zusammen"
    Dobovisek: Wenn Sie das bilaterale Treffen zwischen den beiden Präsidenten mehr oder weniger als Höhepunkt des G20-Gipfels erachten und wir uns die Kritik auch insgesamt an diesen Veranstaltungen, an Großveranstaltungen wie den G20-Gipfel, jetzt auch vor dem Hintergrund des Ausbruchs der Gewalt in der vergangenen Nacht, anschauen, müssen wir uns die Frage stellen: Hat sich dieses Format überlebt?
    Erler: Also ich denke, dass es ja schon interessant ist, dass dieses Treffen Putin–Trump erst diesen Anlass G20 brauchte, um überhaupt stattzufinden. Das heißt ja doch, dass diese Formate eine gewisse Rolle haben, wichtige Staatenlenker hier zusammenzubringen und in den Dialog zu bringen, der offenbar anders nicht so leicht zu inszenieren ist. Insofern spricht das, was wir da jetzt am Verhandlungstisch gesehen haben, nicht unbedingt gegen die Veranstaltung an sich. Allerdings natürlich die Umstände, die wir da gesehen haben, die machen einen doch sehr erschüttert und nachdenklich.
    Dobovisek: Was denken Sie, müssten daraus die Konsequenzen sein?
    Erler: Ich glaube, das ist sehr schwierig, weil man ja da zwischen Anlass und Ort nicht unterscheiden kann oder unter Umständen unterscheiden muss. Also ich würde jetzt nicht von vornherein sagen, G20 ist etwas, was wir nicht mehr brauchen. Ich glaube, dass wir diesen Dialog zwischen den Politikern gerade über die aktuellen Probleme brauchen, aber eben der Veranstaltungsort Hamburg, ich glaube, da wird es jetzt eine sehr, sehr ernste und weitreichende Diskussion geben, ob so was eben überhaupt noch machbar ist. Also ich bin, ehrlich gesagt, wirklich erschüttert über das, was man da gesehen hat, auch an krimineller Energie, wie dort in Hamburg von einem Teil der Demonstranten vorgegangen ist. Man muss das ja immer unterscheiden, was aber natürlich alle anderen, auch friedlichen Demonstranten in Mitleidenschaft gezogen hat, und ich bin nicht sicher, ob es noch einmal eine solche Veranstaltung in einer Großstadt geben wird.
    Dobovisek: Der SPD-Politiker Gernot Erler, Russlandbeauftragter der Bundesregierung. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Erler!
    Erler: Gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.