Gerd Breker: Am Anfang sträubten sich noch Kanada und Japan, doch dann einigte sich die Runde im Schlosshotel auf eine globale Wende. Die Staats- und Regierungschefs wollen das Ende des Zeitalters von Kohle und Öl einläuten, um die Erderwärmung zu begrenzen. Zwei Tage lang hatten die Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Industrienationen, umgeben von idyllischer Natur am Fuße der Wetterstein-Wand, ungestört über Weltpolitik beraten. Am Ende verabschiedeten die Regierungen Großbritanniens, Frankreichs, Deutschlands, Italiens, der USA, Kanadas und Japans eine 16seitige Erklärung mit dem Klimaschutz als ein zentrales Element.
Am Telefon sind wir nun verbunden mit Jürgen Trittin, Außenpolitiker der Grünen. Guten Abend, Herr Trittin.
Jürgen Trittin: Guten Abend.
Breker: Bei aller Skepsis im Vorfeld dieses G7-Treffens, am Ende müssen auch Sie die Bundeskanzlerin loben, oder?
Trittin: Ich glaube dass das eingetreten ist, was ich prophezeit habe. Der Gipfel von Elmau war in einigen Bereichen geprägt von der Grundhaltung Wording statt Doing und dem Bekenntnis dazu, dass es schön ist, drüber gesprochen zu haben. Nur ich sehe bei den dort vertretenen allen Ankündigungen zum Trotz nicht das Unterlegen mit konkreten Maßnahmen. Wenn Sie sehen die Frage der Finanzmarktregulierung, die möchte man künftig weiterhin thematisieren. Das ist eigentlich wenig mehr, als dass man weiter darüber sprechen möchte.
"Bereitschaft wird konterkariert"
Breker: Wording statt Doing, sagen Sie, Worte statt Taten. Aber das Zwei-Grad-Ziel wurde festgeschrieben und der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen, der wurde eingeläutet. Das ist doch was!
Trittin: Ich würde ja auch sagen, es sind hier ein paar Ankündigungen gemacht worden, die einige Nichtregierungsorganisationen in freudige Stimmung versetzt haben. Nichts desto trotz steht dort nicht Ausstieg aus den fossilen Kraftwerken, sondern es steht drin die schrittweise Dekarbonisierung der Weltwirtschaft im Laufe dieses Jahrhunderts. Parallel dazu bauen zum Beispiel die Australier ihre Flüssiggas-Kapazitäten aus und wollen im großen Stil künftig Gas in Konkurrenz zu Katar und Russland verkaufen. Parallel dazu treibt die US-Regierung das Fracking im eigenen Land weiter voran und parallel zu dieser angekündigten Dekarbonisierung ist Deutschland nicht in der Lage, wenigstens einen kleinen Beitrag dazu zu leisten, wenigstens seine Klimaschutzziele für 2020 zu erreichen, indem hoch ineffiziente und zudem inzwischen völlig überflüssige Braunkohle-Kraftwerke abtgeschaltet werden oder wenigstens mit einer Klimaabgabe belegt werden.
Breker: Aber die Ziele sind festgeschrieben, Herr Trittin, und wir lesen auch in der Abschlusserklärung, dass die sieben zu ihren Verpflichtungen stehen und im Hinblick auf die Versprechen, die wir gegeben haben, wollen sie in offener und transparenter Weise darüber Rechenschaft ablegen.
Trittin: Ich habe ja gerade den Versuch gemacht, in offener und transparenter Weise diese Ankündigungen mit den sich am Boden vollziehenden Praktiken in einem Teil der G7-Staaten deutlich zu machen, und da bleibt eben, dass nach wie vor die USA setzen auf eine Verlängerung des fossilen Zeitalters durch Ausbeutung heimischer fossiler Ressourcen und einer massiven Steigerung der Kohleexporte, und dass Australien, heute noch einer der größten Kohle-Exporteure auf der Welt, zusätzlich zur Kohle künftig auch noch Gas exportieren will. Das heißt, die Ankündigung von der Dekarbonisierung der Weltwirtschaft und der Bereitschaft, das Zwei-Grad-Ziel einzuhalten - das hat man übrigens schon in Kopenhagen auf der gescheiterten Klimakonferenz, alle, die in Elmau versammelt waren, verkündet -, diese Bereitschaft, die muss natürlich konterkariert werden oder verglichen werden, um es mal freundlicher zu sagen, mit dem, was tatsächlich in den G7-Staaten stattfindet, und da hat Frau Merkel das schlechteste Beispiel gegeben. Sie hat es nicht einmal geschafft, den Klimabeitrag ihres Energieministers und Vizekanzlers noch vor Elmau so abzusegnen, dass der jetzt in die Tat umgesetzt wird. Im Gegenteil: Man wird wohl das Klimaziel für 2020 nicht erreichen.
"Von der Wirkung der Sanktionen nicht wirklich überzeugt"
Breker: Wenn wir von den Klimazielen weggehen, Herr Trittin. Die Ukraine-Krise war ein besonderes Thema auf diesem G7-Gipfel. Die Geschlossenheit gegenüber Russland, an der Obama ja so gelegen war mit dem Verweis auf die Wertegemeinschaft, das war doch schon beeindruckend. Oder sehen Sie das anders?
Trittin: Die Geschlossenheit gegenüber Russland geht ja einher mit einem Eingeständnis, und dieses Eingeständnis findet sich in dem Text, dass man gegebenenfalls den Preis für Russland erhöhen möchte. Das heißt, wenn Sie es anders herum formulieren: Man ist selber von der Wirkung der bisher verhängten Sanktionen nicht wirklich überzeugt. Wenn man sich dem Ganzen rational und kühlen Kopfes nähert, dann wird man schon feststellen müssen, dass Europa insbesondere - ich glaube nicht, dass die USA sich daran viel beteiligen werden - sehr viel dazu tun müssen, den Staatsbankrott in der Ukraine zu verhindern. Der Glaube, dass man diesen Staatsbankrott verhindern könne, ohne dabei mit einem der größten Gläubiger der Ukraine, nämlich Russland zu sprechen, diesen Glauben teile ich nicht. Insofern hat man sich gegenseitig in die Hand versprochen, solidarisch zu sein, aber das wirkliche Problem, nämlich die Verhinderung des Staatsbankrotts in der Ukraine, unter der Bedingung eines fortgesetzten Krieges in der Ukraine, im Osten insbesondere, genau dieser konkreten Situation hat man wenig Antworten drauf gegeben.
Breker: Es stimmt, man hat Russland gesagt, man könne die Sanktionen auch verschärfen. Aber man hat auch zu verstehen gegeben, wenn Russland zu den Vereinbarungen von Minsk steht, dass die Sanktionen dann abgebaut werden können.
Trittin: Das ist völlig richtig. Das ist auch die Position, die die Europäische Union seit geraumer Zeit annimmt. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass mit dieser richtigen Position, die auch ich teile, für das konkrete Problem, nämlich des drohenden Staatsbankrotts in der Ukraine, der verschleppten Reformen innerhalb der Ukraine, keine Antwort gegeben ist und tatsächlich es so ist, dass gerade hierfür man, glaube ich, kaum weiterkommt, wenn man weiter eine Frontstellung gegenüber Russland aufbaut. Man wird das nur mit Russland zusammen lösen können, außer man wäre bereit, die Schulden der Ukraine, die die bei Russland haben, von den Europäern bezahlen zu lassen, und da sehe ich eigentlich wenig Sinn drin.
"Für manche Probleme das G7-Format nicht richtig"
Breker: Es war ein G7-Gipfel ohne Russland, eben wegen der Ukraine-Krise oder des Krieges in der Ukraine. Kann Russland eigentlich zurückkommen zur G7, dass wieder ein G8 daraus wird?
Trittin: Ich weiß nicht, was das richtige Format ist. Wenn Sie die Frage der Finanzmarktregulierung anschauen, wenn Sie mal schauen, wo es gar keinen Beschluss zu gegeben hat, nämlich zu der Frage, wie überwinden wir die Schwäche der Weltökonomie, dann wäre das G20-Format, also ein Format, was die großen Schwellenländer mit umschließt, genau das richtige gewesen. Da ist übrigens Russland zurecht dabei. Wenn man sich der Frage der Krisen um Europa herum stellt, nämlich der Frage des Konfliktes, den wir mit Russland über die Ukraine haben, wenn wir uns der Frage nähern, was passiert mit Syrien und Irak, was passiert in Libyen, dann werden wir feststellen, keines dieser Probleme ist ohne Russland zu lösen. Man hat also eine symbolische Aktion gemacht des Ausschlusses Russlands aus den G8 und man stellt heute fest, dass damit der Lösung der Probleme man keinen Schritt weitergekommen ist. Ich glaube auch nicht, dass man sie einfach so, ohne dass Minsk umgesetzt ist, wieder rein lassen kann, aber der Realismus gebietet es schon festzustellen, dass für diese Probleme G7 das falsche Format ist.
Breker: Dieses G7-Treffen soll 300 Millionen gekostet haben, Herr Trittin. Ein G20-Treffen wäre doch noch deutlich teurer.
Trittin: Ja, aber möglicherweise hätte man auch das in einer überschaubareren Umgebung machen können als eine Teil der Mittenwalder Buckelwiesen großräumig zu Wasser und zu Lande und der Luft abzusperren. Der Aufwand ist im Wesentlichen der Sicherheit und der Folklore zu Schulden gekommen. Ich glaube, man könnte mit einem größeren Output bei vernünftigen Tagen beispielsweise in der Hauptstadt Berlin diese Kosten minimieren und würde mehr Auskommen haben.
Breker: Die Einschätzung von Jürgen Trittin. Er sitzt im außenpolitischen Ausschuss des Deutschen Bundestages für die Grünen.
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