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G7-Treffen in Kanada
Gipfel der Unstimmigkeiten

Seit Donald Trump Anfang Juni Strafzölle gegen Kanada, Mexiko und die EU verhängt hat, haben sich die Fronten auch im Kreise der G7 verhärtet. Der Ton wurde schon vor dem Zusammentreffen in Kanada rau. Längst ist die Rede von einem Treffen "G6 plus 1".

Von Thilo Kößler |
    US-Präsident Donald Trump verlässt das Weiße Haus in Washington, um nach Camp David zu fliegen; Aufnahme vom 1. Juni 2018
    US-Präsident Donald Trump hat schon vor Beginn des G7-Gipfels angekündigt, dass er frühzeitig abreisen werde (picture alliance / Consolidated News Photos)
    In der Altstadt von Quebec wird geschraubt und gehämmert: Im Vorfeld dieses G7-Gipfels lassen Ladenbesitzer sicherheitshalber Spanplatten vor ihren Schaufenstern anbringen. Sie befürchten, dass die angekündigten Demonstrationen erneut ausarten könnten, wie vor 17 Jahren, als es beim Amerikagipfel hier zu Unruhen kam.
    10.000 Polizisten sind in Quebec im Einsatz, obwohl der eigentliche Gipfel 150 Kilometer entfernt stattfindet - im 405 Zimmer zählenden Luxushotel von Malbaie in der Region Charlesvoix. Auch dort sind die Sicherheitsvorkehrungen immens. Allein vier Millionen kanadische Dollar hat der drei Meter hohe Zaun gekostet, der um das Anwesen gezogen wurde.
    Dieser Anblick dürfte wohl das einzige sein, was den amerikanischen Präsidenten an diesem Gipfel erfreuen könnte, lästerte der Volksmund angesichts der Pläne Donald Trumps, eine Mauer an der Grenze zu Mexiko zu errichten, sagt Philipp Authier, Parlamentskorrespondent der Montreal Gazette mit Sitz in Quebec.
    Seit Monaten beschäftigt er sich mit fast nichts anderem als mit diesem Gipfeltreffen, das den kanadischen Steuerzahler 600 Millionen Dollar kostet - umgerechnet 400 Millionen Euro. Man habe sich auf eine Krise in den Straßen eingerichtet, sagt Authier - nun finde sie in Wirklichkeit hinter den verschlossenen Türen von Malbaie statt.
    Schärfere Tonlage kurz vor dem Beginn des Gipfels
    Seit Donald Trump vor einer Woche die Strafzölle gegen Kanada, Mexiko und die EU verhängte, haben sich die Fronten auch im Kreise der G7 verhärtet - mittlerweile haben Kanada und Mexiko ihrerseits Strafzölle gegen die USA erhoben, die EU zieht am 1. Juli nach. Angesichts dieser Eskalation des Handelsstreits war die Stimmung im Kreis der Staats- und Regierungschefs noch nie so schlecht wie vor diesem Gipfeltreffen, heißt es.
    Bis zum Schluss bemühte sich Kanadas Premier Justin Trudeau als Gastgeber in einer beispiellosen Charmeoffensive darum, den amerikanischen Präsidenten umzustimmen und von seinem protektionistischen Frontalkurs gegen seine engsten Verbündeten abzubringen. Vergebens. Erst in diesen Tagen änderte Trudeau die Tonlage und wurde deutlich schärfer - wohl nicht zuletzt mit Blick auf seine Öffentlichkeit zuhause: 9 der insgesamt 10 kanadischen Aluminiumschmelzen, die von US-Strafzöllen betroffen sind, stehen in der Provinz Quebec, sagt Philip Authier. Tausende von Arbeitsplätzen seien gefährdet.
    Frankreich erwägt Trump beim Gipfel zu isolieren
    Der Ton wurde jetzt derart rau, dass Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron, wohl ebenso frustriert wie Trudeau, dem Kanadier beisprang und erklärte, die sechs Gipfelteilnehmer müssten gegebenenfalls gemeinsame Positionen unter Ausschluss des amerikanischen Präsidenten formulieren. Längst ist die Rede von einem Treffen "G6 plus 1!". Die sechs dürften nicht zögern, Trump bei dem Gipfel zu "isolieren", hieß es zuletzt in Paris.
    Nicht minder kämpferisch äußerte sich allerdings auch der amerikanische Präsident, dem der Washington Post zufolge dieser zweitägige Gipfel in Kanada überhaupt nicht behagt - ist Donald Trump doch längst auf das geplante Treffen mit Kim Jong Un am kommenden Dienstag in Singapur fixiert. Weshalb er bislang auch nur zwei bilaterale Treffen in Malbaie eingeplant hat - mit Trudeau und Macron.
    Ob es auch ein Treffen mit Kanzlerin Angela Merkel geben wird, ist noch offen. Er werde für die Handelsinteressen der USA kämpfen, twitterte der Präsident. Und ließ seinen Nationalen Wirtschaftsberater Larry Kudlow verlauten, dass sein Chef überhaupt nicht daran denke, seine Haltung bei den Strafzöllen zu revidieren. Das Welthandelssystem sei kaputt und die USA würden sich von multilateralen internationalen Organisationen ohnehin nicht mehr in ihre Politik hineinreden lassen.
    So geht es bei diesem Gipfeltreffen um mehr als um die Frage, ob es zu einer gemeinsamen Abschlusserklärung kommt und ob sich die Fronten weiter bis zu einem ausgewachsenen Handelskrieg verhärten. Donald Trump, so heißt es, setze das System des regelbasierten Welthandels aufs Spiel, er lege Hand an die multilaterale Ordnung aus internationalen Abkommen und Organisationen - und damit am Ende auch an die Basis der westlichen Wertegemeinschaft.