"Die schwimmende Bühne für den Journalismus einer neuen Zeit. Media Pioneer. 100 Prozent Journalismus, keine Märchen" - Gabor Steingart im Image-Video zu "Media Pioneer".
40 Meter lang ist das Redaktionsschiff, das ab heute rund 15 Journalisten beherbergt und Produktionsort ist für Newsletter, Podcasts und Events. Dieser ungewöhnliche Redaktionssitz stehe zuallererst für eines, sagt Chefredakteur Michael Bröcker: für Bewegung.
"Ich glaube, das ist nun wirklich etwas, was wir in der Verlagsindustrie, und ich war nun mal auch lange Jahre bei einem Verlag, dringend lernen sollten. Ständig in Bewegung zu sein. Wir sind nicht fertig, unsere Produkte sind nicht fertig, unser Portal ist nicht fertig. Auch mit dem Schiff wissen wir noch nicht alles, was man damit machen kann. Es ist erst ein Symbol, es ist ein Ort der Begegnung, aber es ist etwas, das sich bewegt, und das hält uns – glaube ich – auch im Kopf frisch."
Die Frage der Finanzierung
Dank dieser Frische will "Media Pioneer" einiges anders machen. Zuallererst beim Geschäftsmodell: Statt einen Teil der Einnahmen mit Werbung zu generieren, sollen ausschließlich die Abonnenten das Start-up profitabel machen. 25 Euro, ermäßigt 10 Euro, beträgt der monatliche Beitrag. Auch eine Fördermitgliedschaft für über 800 Euro ist vorgesehen. Zudem sollen zehn Prozent der Aktien an Leser gehen. Das Ziel: unabhängig sein von Anzeigenkunden.
Für Wiebke Loosen, die als Professorin an der Universität Hamburg zu Pionierjournalismus forscht, ist das typisch für Start-ups im Medienbereich: die Suche – etwa – nach einer anderen Finanzierung.
"Es gibt so etwas wie eine Community des Pionierjournalismus. Und wenn man sich das von oben anguckt, kann man sehen, dass es eine Orientierung ist, Journalismus anders machen zu wollen. Und das, je nachdem, wo die Ausrichtung dann ist, auf verschiedene Art und Weise."
Auch inhaltlich will "Media Pioneer" neue Maßstäbe setzen. "100 Prozent Journalismus, keine Märchen" ist nur ein Claim. Zuletzt sind die Macher auf den Slogan "Let’s celebrate the opinion of others" gekommen. Versprechen, die zunächst mal nach reiner PR klingen.
Alternative Berichterstattung "mitnichten exklusiv"
Doch was bedeutet überhaupt "100 Prozent Journalismus", wie es das Image-Video verspricht? Man wolle gegen den Stachel löcken, eine Alternative bieten zu Berichten, die immer wieder geschrieben würden, den Perspektivwechsel kultivieren – heißt es aus der Redaktion. Das ist zunächst mal nach hinten losgegangen, etwa als Start-up-Gründer Steingart Mitte April der Konkurrenz einen "geistigen Lockdown" vorwarf, weil angeblich alle nur für die Einführung von Eurobonds geschrieben hätten. Jürn Kruse, Chefredakteur von uebermedien.de:
"Dabei, und da haben auch mehrere drauf hingewiesen, gab´s natürlich ganz viele Artikel in ganz vielen verschiedenen Medien, wo sich Journalisten oder andere Experten dafür ausgesprochen haben, eben keine Eurobonds einzuführen, und diese Meinung war mitnichten exklusiv. Aber der ganze Newsletter basierte darauf, dass diese Meinung eine ganz besondere ist, mit der er sich diesem Mainstream entgegenstellen würde. Und ich sage mal: Eine halbe Sekunde braucht vielleicht Google, um da diverse Treffer auszuspucken, wie viele Leute auch gegen Eurobonds argumentiert haben."
Kurs auf die "publizistische Mitte"
Auch der Claim "Celebrate the opinion of others", der aus einem weiteren Image-Video stammt, verwirrt. Zumal der Slogan unterlegt ist mit Bildern unter anderem der AfD-Politikerin Alice Weidel, von US-Präsident Trump und von dessen ehemaligen politischen Berater Steve Bannon, die alle nicht gerade Verfechter des demokratischen Diskurses sind.
Nachgefragt, klingt das bei Chefredakteur Michael Bröcker deutlich geerdeter: "Unsere Leitplanken sind die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit, die Meinungsfreiheit, der Minderheitenschutz. Und trotzdem glaube ich, dass viele Gesprächspartner außerhalb dieses Konsenses stellen, die dort noch gar nicht sind. Steve Bannon würde ich jetzt nicht nennen. Und trotzdem ist es wichtig, sich damit auseinanderzusetzen mit diesen Menschen. Ob wir sie immer zu Wort kommen lassen müssen, in welchem Format, wird man sehen."
Sagt Bröcker und präzisiert: Die publizistische Mitte sei noch nicht ausreichend besetzt. Die will "Media Pioneer" nun vor allem mit einer starken Meinung und mit Stimmen aus der Politik und von Expertinnen bespielen. Immerhin: Die bislang kostenfreien Angebote haben dem Start-up nach eigenen Angaben pro Woche mehr als eine Million Podcast-Streams und 180.000 Abonnenten des Steingart-Newsletters beschert. Ob die Inhalte anders genug sind, dass dafür genügend Menschen bezahlen, darf mit Spannung erwartet werden.