"Das, was wir derzeit aus der Türkei hören, hat einfach die Grenze dessen erreicht, was wir ertragen können", sagte Gabriel bei seinem Besuch in Washington. Er sprach von einem zusätzlichen Abzug deutscher Soldaten aus einem Nato-Verband. Der SPD-Politiker machte er klar, dass es in der Auseinandersetzung nicht nur um die in Incirlik stationierten Tornado-Aufklärungsflugzeuge der Bundeswehr, sondern auch um die Awacs-Aufklärungsflieger der Nato in Konya gehe. "Das ist eine integrierte Entscheidung. Ich glaube jedenfalls, dass beide Dinge schwer voneinander zu trennen sind", sagte Gabriel nach politischen Gesprächen mit der US-Regierung.
Gabriel: Nato soll sich einmischen
Gabriel war am Donnerstag zu Gesprächen mit dem Nationalen Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster sowie mit seinem Amtskollegen Rex Tillerson nach Washington gereist. Der Bundesaußenminister sagte, die Vereinigten Staaten wollten ihre Möglichkeiten nutzen, dem Nato-Partner Türkei klar zu machen, dass es einen "fairen und normalen Zugang deutscher Parlamentarier zur Bundeswehr" an dem Luftwaffenstützpunkt geben müsse.
Die Bundesregierung hoffe, dass Ankara mit Hilfe der USA seine Haltung bis zum Nato-Gipfel in der kommenden Woche ändere. Unter Nato-Partnern müsse es ein "anderes Verhältnis" geben als jenes, das es derzeit zwischen Deutschland und der Türkei gebe, sagte Gabriel. Er appellierte auch an die Nato, sich in den Streit einzuschalten. "Ich glaube, dass es weit mehr als ein bilaterales Problem ist", sagte der Minister.
Das sieht die Nato-Führung bislang offenbar anders. "Der Streit ist eine bilaterale Frage zwischen der Türkei und Deutschland", sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Brüssel. "Ich hoffe, dass sie einen Weg finden werden, den Streit zu lösen." Nato-Aktivitäten seien dadurch jedenfalls nicht betroffen.
"Wenn sie gehen wollen, sagen wir auf Wiedersehen"
Zuvor hatte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu gesagt, dass die Türkei bei Deutschland nicht um den Verbleib der Soldaten "betteln" werde. Die Entscheidung über den Abzug liege allein bei der Bundesregierung, sagte er dem Fernsehsender NTV. "Wenn sie abziehen wollen, ist das ihre Sache. Wir werden nicht betteln. Wenn sie gehen wollen, sagen wir auf Wiedersehen."
Deutschland sollte die Türkei mit Respekt behandelt und sich ihr gegenüber "wie ein Freund, nicht wie ein Boss" verhalten, forderte der Minister. Ministerpräsident Binali Yildirim hatte Berlin am Dienstag bereits aufgefordert, sich zwischen der Freundschaft zur Türkei und der Unterstützung kurdischer Separatisten und mutmaßlicher Putschisten zu entscheiden.
Jordanien als möglicher Ausweichort
Die Awacs-Maschinen sind der bisher einzige größere Beitrag der Nato zum internationalen Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS). Sie sind zu einem Drittel mit Bundeswehrsoldaten besetzt. Bei einem Abzug der deutschen Soldaten wäre der Einsatz insgesamt gefährdet.
Die Türkei hat Bundestagsabgeordneten einen Besuch bei den in Incirlik stationierten rund 260 Bundeswehrsoldaten untersagt. Die Bundesregierung will die Soldaten und ihre Aufklärungsmaschinen nach Jordanien verlegen, falls die Türkei nicht einlenkt. "Wo immer wir die Soldatinnen und Soldaten hinschicken - die Parlamentarier müssen in der Lage sein, sie dort zu besuchen", sagte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) am Mittwochabend im ZDF-"heute journal". Am kommenden Wochenende werde sie mit Jordaniens König Abdullah sprechen und sich "die Gegebenheiten dort anschauen".