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Gähnende Kino-Langeweile

Ein peinlicher Western, der stellenweise dilettantisch wirkt; eine enttäuschende Komödie über eine Frau, die eine zweite Jugend erlebt und ein seichter Girlie-Streifen über reiche Gören, die in die Villen der Superreichen einbrechen.

Von Jörg Albrecht | 14.08.2013
    "Gold" von Thomas Arslan
    Nein – mit diesen Western Made in Germany hat "Gold" aber auch nicht das Geringste zu tun. Thomas Arslan hat kein Karl-May-Märchen in Kroatien gedreht. Sein Film ist dort entstanden, wo er auch spielt: in British Columbia, im Westen Kanadas. Eine Filmmusik hat auch "Gold" bekommen. Und die hört sich so an:

    So spröde wie die permanent wiederkehrenden Akkorde des amerikanischen Musikers Dylan Carlson ist der ganze Film. Thomas Arslan zeigt eine Gruppe von sieben deutschen Auswanderern – unter anderem gespielt von Nina Hoss, Lars Rudolph und Uwe Bohm, die sich im Sommer 1898 auf den Weg zu den Goldfeldern am Klondike macht. Sie alle sind Glücksjäger – getrieben von der Hoffnung auf ein besseres Leben. Heute würden sie wohl als Wirtschaftsflüchtlinge gelten.

    "Ich gehe davon aus, dass wir in sechs Wochen an unserem Ziel in Dawson sein werden."

    Eine Art Road Movie ist "Gold" also, auch wenn es kaum Straßen im Wilden Westen gibt. Ein Genre, das immer dann bemüht wird, wenn sich die Protagonisten finden sollen. Hin und wieder aber passiert auch das genaue Gegenteil. Dann verlieren sie sich auf ihrer Reise. Für die zweite Variante hat sich Thomas Arslan entschieden. Doch verloren hat er auf den 1.500 Kilometern, die im Sattel bewältigt werden müssen, vor allem den eigenen Film. Als einem Vertreter der Berliner Schule geht es Arslan um die nüchterne Beschreibung des Abenteurer-Alltags vor Naturkulisse, nicht aber um dramatische, geschweige denn melodramatische Szenen. Dabei werden die Reisenden mit diversen gruppendynamischen Prozessen konfrontiert, mit Unfällen und Verfolgern, die Übles im Schilde führen. Vor allem plagen sie die Selbstzweifel.

    "Wir sind weit gekommen. Den Rest werden wir auch noch schaffen. Es wäre falsch jetzt aufzugeben. ... Das Gold wird uns für alles entschädigen. Ich will weiter. – Ich will auch weiter. – Ich ebenfalls."

    Bloß kein Genre-Kino machen! Bloß keinen Western drehen, der am Ende noch wie einer aussieht. Thomas Arslan lässt nicht den geringsten Funken Spannung aufkommen. Das hat zur Folge, dass sein Film unglaublich öde ist, ja manche Szene sogar dilettantisch oder lächerlich wirkt. "Gold" ist eine regelrechte Geduldsprobe. Enttäuschend.

    Camille – Verliebt nochmal!" von Noémie Lvovsky
    Nicht noch ein Western. Diese Töne stammen aus der französischen Komödie "Camille – verliebt nochmal!", geschrieben und inszeniert von Noémie Lvovsky, die auch die Titelrolle spielt. Camille, eine Frau Anfang 40, schiebt Frust. Sie trinkt zu viel und ist nach 25 Jahren Ehe von ihrem Mann verlassen worden. Es ist Silvester. Das neue Jahr kann nur besser werden. Und es hält eine Überraschung für Camille bereit.

    "Frohes neues Jahr! Geht es dir besser? – Wo bin ich? Ich muss weg. – Du kannst nicht einfach gehen. Du musst auf deine Eltern warten. – Meine Eltern sind aber tot. ..."

    Nachdem sie Punkt Mitternacht das Bewusstsein verloren hat, wacht Camille am Neujahrsmorgen in einem Krankenhaus auf. Als 15-jährige im Jahr 1985.

    "Du siehst unglaublich jung aus, Papa. – Du bist wohl immer noch betrunken. – Das Jahr fängt ja wunderbar an."

    An ihrem Gesicht, Körper und Intellekt hat die Reise in die Vergangenheit nichts verändert. Da ist Camille ganz die Alte. Aber von ihrer Umgebung wird sie als Teenager wahrgenommen.

    Gäbe es die wunderbare Komödie "Peggy Sue hat geheiratet" von Francis Ford Coppola nicht, wäre "Camillie – Verliebt nochmal!" ein origineller Film. Was würde man anders machen, wenn man noch einmal die Chance dazu bekäme? Wie bei Coppola kann das witzig sein und auch sentimental. Noémie Lvovsky aber fällt nicht besonders viel ein auf ihrer immerhin sympathischen Zeitreise. "Camille – verliebt nochmal!" verschenkt sein Potenzial, und es ist völlig unerklärlich, wie dieser Film für 13 Césars nominiert werden konnte: enttäuschend.

    "The Bling Ring" von Sofia Coppola

    "Paris schmeißt heute eine Party in Vegas. ... Lass uns hinfahren. Meinst du, wir kommen da irgendwie rein? ... Ich wette, sie hat ihren Schlüssel unter der Matte liegen."

    Sollte Paris Hilton wirklich so ein Dummerchen sein? Es wird wahrscheinlich niemanden überraschen: Sie ist es. Und nicht nur sie. Eine Gruppe Teenager steigt völlig problemlos in zahlreiche Villen von Hollywood-Berühmtheiten ein. Sofia Coppola, Tochter von Francis Ford Coppola, hat sich für ihren fünften Spielfilm eine wahre Geschichte geschnappt.

    In "The Bling Ring" – so haben die Medien die Teenie-Gang getauft – erzählt sie von der Langeweile und Leere im Leben von Jugendlichen, die wie die Stars sein wollen oder am besten selber welche. Vielleicht ist es nur konsequent, wenn Sofia Coppola diesen materiellen Rausch der Einbrecherbande wertneutral abbildet. Doch nach ihren Filmen "Marie Antoinette" und "Somewhere", die beide ganz ähnliche Themen ohne viel Tiefgang behandelt haben, kann man auch den Eindruck haben: Sofia Coppola begnügt sich mit der Oberfläche, weil sie gar nicht in der Lage ist, einen Blick dahinter zu werfen. "The Bling Ring": zwiespältig.