Seit früh morgens ist die gesamte Belegschaft von Topager auf Baustellen-Einsatz. Auf dem Dach der ehemaligen Schaltstelle einer Trinkwasser-Anlage der Pariser Stadtverwaltung, im Vorort Ivry. Das Flachdach misst einen Hektar, auf der rechten Hälfte stehen niedrige Holzverschalungen, mit Erde gefüllt. Sie markieren insgesamt acht Felder à 50 Quadratmeter. Daneben schraubt Thérèse Jacquet gerade Brutkästen zusammen.
"Das Modell ist für Rotschwänzchen gedacht, wir haben auch andere für Stare und Meisen."
Ein "wildes Dach", ein natürliches Biotop soll hier entstehen - dank der Vögel, die Samen anbringen und deren Kot den Boden düngt. Der besteht unter anderem aus Kaffeesatz, der schon einmal bei der Champignon-Zucht recycelt wurde. Und nun, mit Pilzsporen und Komposterde versetzt, von Regenwürmern kolonisiert, den wilden Dachgarten zum Blühen bringen soll. Topager-Mitgründer Fréderic Madre, Forscher im Bereich Urbane Ökologie, spricht von Biomimetik, davon, für die Entwicklung neuer Technologie bei der Natur abzukupfern.
"Heute ist bekannt: In den Städten ist eine Art Luft-Plankton unterwegs. Insekten und Samen, die aus dem Umland stammen und den urbanen Raum durchfluten. Inmitten der Städte allerdings ist Brachland als geeigneter Siedlungsort selten. Wir wollen für Pflanzen und Tiere mit den sogenannten 'wilden Dächern' grüne Trassen als neuen Lebensraum schaffen. Und damit die biologische Vielfalt fördern."
Die Pflanzkübel weiter hinten dienen als Experimentierstation für urbane Landwirtschaft. Das Hauptgeschäft von Topager. Auf das Konto der Firma gehen schon mehrere Dach-Nutzgärten. Auf einem Nobel-Hotel am Eiffelturm und auf mehreren Pariser Sterne-Restaurants sprießen Salate, Küchenkräuter, essbare Blumen - Freilandware, die vom Dach direkt auf den Teller wandert. Eine Behinderteneinrichtung nutzt ihren Gemüsegarten in luftiger Höhe zu Therapiezwecken.
Gesund und geschmackvoll unter dem Großstadthimmel gewachsen
Als urbaner Landschafts-Gartenbetrieb für Esswaren wirbt Topager für sich. Wobei: Für Firmen-Mitgründer Nicolas Bel macht der Anbau von Karotten oder Kartoffeln auf dem Dach wenig Sinn.
"Paris zählt zu viele Einwohner, als dass wir genügend Gemüse auf den Dächern anbauen könnten. Den Bauern im Umland können wir keine Konkurrenz machen. Von daher setzen wir auf die Ware, die beim Transport zu viele Vitamine verliert. Nehmen wir das Beispiel Tomate – normalerweise wird die geerntet, bevor sie richtig reif ist. Sonst würde sie den Transport nicht überstehen. Beim Anbau auf dem Dach allerdings kann man sie zur Geschmacksfülle und vitaminreich ausreifen lassen."
Genussreiche Freilandware unter dem Großstadt-Himmel zu produzieren ist nur eines der Anliegen des französischen Start-up-Betriebs. Dessen Verantwortliche sind zudem überzeugte Verfechter der Kreislaufwirtschaft. Bel greift in einen Pflanzkübel, gefüllt mit zermahlenen roten Ziegelsteinbrocken.
"Dies hier sind Abfälle der Ziegelindustrie. Wir wollen nun ausprobieren, ob sie sich nicht als Pflanzboden nutzen lassen. Normalerweise nimmt man bei Dachgärten zermahlenes Vulkangestein. Aber das muss aus weiter Ferne per Laster heran gekarrt werden, während die Ziegelabfälle aus dem Pariser Großraum stammen. Der nächste Kasten hier ist befüllt mit roher Schurwolle. Diese Wolle gilt heutzutage häufig als Abfallprodukt – wir haben sie bei Schafzüchtern im Umland eingesammelt und testen nun, ob sie, mit Kompost vermengt, als Anbauboden dienen kann."
Den Pariser Landschaftsgärtnern mangelt es nicht an Ideen, in der Stadt mehr Natur anzusiedeln.