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Gärtnern in der Krise

Die Immobilienkrise hat eine tiefe Schneise in die Bauprojekte Spaniens geschlagen. Doch was für die Besitzer eine Pleite ist, scheint für die Einwohner der Viertel Barcelonas ein Glücksfall: Auf den Einöden abgerissener Häuser und stillgelegter Bauvorhaben entstehen kommunale Gärten.

Von Anna Deibele | 30.06.2013
    Gut versteckt in einer schmalen Seitengasse des Viertels Raval in Barcelona lugt über einer bunt bemalten zwei Meter hohen Mauer der giraffenähnliche Hals eines orangefarbenen Brontosaurus hervor. Auf etwa vier Meter Höhe durchzieht seinen massiven Körper eine waagerechte Spur von fußballgroßen Hohlräumen. Die weiß-blau getünchte Ziegelsteinmauer auf der nun der Brontosaurus weidet, diente ehemals als Seitenwand eines Hauses. Übrig davon sind nur noch die Löcher für die Holzbalken.

    Die schwere Metallpforte gibt den Blick auf ein viergeschössiges Mehrfamilienhaus auf der gegenüberliegenden Seite frei. Davor ein geräumiger Garten, die Wände drum herum, über und über mit farbenfrohen Phantasiebildern bemalt. Neben dem Geräteschuppen im Zentrum des Gartens steht Iolanda.

    Vor vier Jahren hat sie mit anderen Kameraden diese leerstehende Fläche von Müll und Unkraut befreit:

    "Früher war hier ein Haus. Als man es abgerissen hat, gab es hier viele Steine. Also haben wir aus den großen Steinen, die wir hier gefunden haben, diese Spirale gebaut."

    Iolanda streift mit den Fingern durch die Pflanzen:

    "Das sind Arznei- und Duftpflanzen: Zitronenstrauch, Oregano, Salbei, Rosmarin, Lavendel, Schnittlauch und Basilikum. Die Spirale funktioniert so, dass die Pflanzen oben weniger Wasser brauchen als die unten. Indem das Wasser beim Gießen von oben nach unten fließt, kriegt jede Pflanze die richtige Portion Wasser."

    Vorbei an zwei achtjährigen Mädchen, die um eine Vogelscheuche im blauweißen Tüllkleid spielen, zeigt Iolanda auf eine terrassenförmige Anbaufläche mit verschiedenen Pflanzen:

    "Hier haben wir Paprika, Auberginen, Tomaten. Zu uns kommen auch Menschen aus anderen Kulturen, zum Beispiel Pakistana aus Bangladesh. Das hier sind einige Pflanzen aus ihrem Land."´
    Zwischen den Sträuchern sind Karton und Stroh ausgelegt, um die Feuchtigkeit länger zu speichern. Im Hort del Xino gibt es keine Wasserversorgung. In großen Kanistern karren die Gartenbetreiber regelmäßig das Wasser vom Brunnen des Platzes nebenan hierher.

    Ein fester Kern von zwölf Liebhabern betreut den Garten, erzählt Iolanda:

    "Hier arbeiten wir gemeinschaftlich. Einmal im Monat halten wir eine Versammlung ab und es gibt so etwas wie Arbeitsgruppen, beispielsweise 'Erde'. Dann treffen sich die Mitglieder dieser Gruppe und planen zusammen. Natürlich passiert es auch, dass Sonntagnachmittag jemand spontan zu unseren Öffnungszeiten kommt und Lust hat etwas zu pflanzen. Dafür braucht es keiner Versammlung. Die Struktur ist also recht locker."

    Die Menschen aus der Umgebung experimentieren gerne im Hort del Xino. Neben der Gruppe "Erde" kümmern sich weitere Gruppen um Aktivitäten für Kinder und um biologisches Bauen. Iolanda führt zu einem großen Steinofen. Die Idee stammt von einem benachbarten Bolivianer:

    "Hier haben wir einen Ofen zum Brot backen gebaut. Die Basis bilden Steine, auf denen Ziegelsteine zu einem Iglu angeordnet sind. Statt Zement benutzten wir eine Mischung aus Ton, Stroh und Wasser."

    Neben dem Steinofen schneidet Eliselda die Rosenstöcke. Bei einem Spaziergang entdeckte die Bildhauerin durch die offene Metallpforte den Steinofen und wollte mehr wissen. Seitdem besucht Eliselda Anton Lopez mit ihrer Hündin Lea regelmäßig den Hort del Xino:

    "Ich finde es gut, dass diese Fläche, die am Anfang keine Verwendung hatte, von uns benutzt und gestaltet werden kann. Wir brauchen nicht erst warten, bis die Gemeinde kommt, und sie uns anbietet, sondern wir organisieren uns selbst."

    Eliselda schneidet eine abgeblühte Rose ab und wirft sie auf den Komposthaufen, den ein junger Deutscher während seines Aufenthaltes in Barcelona angelegt hat. Ihre Hündin Lea strolcht durchs Unkraut. Sie kommt vom Land und fühlt sich im Garten sichtlich wohl.

    "Der Garten dient nicht nur als Garten, sondern auch als ein sozialer Raum, der Aktivitäten generiert. So haben die Menschen des Viertels einen Ort, wo sie sich treffen können: Die Kinder spielen hier und die Alten des Viertels sitzen hier an der frischen Luft und erinnern sich an alte Zeiten."

    Aus den herumliegenden Steinen haben die Gartenbetreiber eine kleine Bühne gebaut. Der Hort del Xino feiert sein vierjähriges Bestehen. Die Fiesta del Cumpleaños sorgt im Barrio Raval auch dieses Jahr für gute Stimmung.


    Am Samstag, dem 29. Juni 2013 war der vierte Geburtstag des Hort del Xino. Die sogenannte "Fiesta del Cumpleaños" fand in der Calle Reina Amalia, 11 in Barcelona statt. El Hort del Xino ist ganzjährig am Sonntag Nachmittag geöffnet.