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Galerien in Italien
Ein neues Mekka für die Kunst

Der zeitgenössische Kunstmarkt hat seine Zentren in Städten wie London, New York oder Berlin. Doch mittlerweile ziehen immer mehr internationale Galerien nach Italien - nach Venedig, Rom oder Neapel. Was steckt hinter dem Boom?

Von Thomas Migge |
    Besucher betrachten am 02.05.2014 Kunstwerke der US-Künstlerin Dorothy Iannone in der Berlinischen Galerie in Berlin. Viele Berliner Galerien laden vom 2. bis 4. Mai beim "Gallery Weekend Berlin" zu einem Rundgang durch ihre Ausstellungen ein. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa
    Immer mehr Galerien für zeitgenössische Kunst eröffnen Dependancen in Italien. Denn dort haben sie steuerliche Vorteile. (picture alliance/dpa/Bernd von Jutrczenka)
    "Das war eine sehr wichtige Entscheidung für uns, unsere Galerie mit einer Dependance in Venedig auszustatten. Von hier, wo ja die Biennale stattfindet, geht ein starker Impuls in Sachen zeitgenössischer Kunst aus. Hier findet sich ein großes kunstinteressiertes Publikum."
    Albert Duchesne von der Pariser "Galerie Alberta Pane" ist in der Lagunenstadt. Er bereitet eine Gemeinschaftsausstellung mit Videos von Ismail Bahri, Fotografien von Christian Fogarolli, Marco Godinho und anderen Künstlern vor. Die Ausstellung in der neuen venezianischen Galerie von Alberta Pane im Stadtviertel Dorsoduro öffnet Mitte Februar.
    Von New York und London nach Rom und Neapel
    Auch Magda Sawon von der im New Yorker Stadtteil Tribecca angesiedelten experimentellen "Postmasters Gallery" hat sich für eine weitere Niederlassung in Italien entschieden, in Rom:
    "Ich muss sagen, ich liebe Herausforderungen. Rom ist so eine Herausforderung. Unsere neue Niederlassung ist eine Pop-up-Galerie, mit wechselnden Direktoren und mit Ausstellungen, die überraschen und die die bisherige römische Galerienwelt aufmischen sollen, mit komplexen Ideen".
    Auch die Londoner "Victoria Miro Gallery" und die "Thomas Dane Gallery" öffnen Niederlassungen in Italien. Thomas Dane in Neapel, in einer prächtigen Villa aus dem 19. Jahrhundert, der Casa Ruffo. Francois Chantala von der Thomas Dane Gallery:
    "Was heute auf dem Kunstmarkt abläuft, kann ich nicht mehr unbedingt als Dienst an der Kunstwelt bezeichnen: Zu viel Business, zu viel Dominanz von Auktionshäusern. Deshalb bieten wir nicht nur eine Galerie, sondern auch Künstlerunterkünfte. Aber ich will das, was auf dem Kunstmarkt abläuft, natürlich nicht global verteufeln."
    Italien ist wieder "in"
    "Italien ist wieder ‚in’ geworden für Galeristen und Kunstsammler", titelt die Januar-Ausgabe des "Giornale dell’Arte" und die Tageszeitung "la Repubblica" jubelt: "Italien ist endlich wieder ein Magnet für Kunstgalerien geworden." Wie zuletzt in den 1970er bis 1980er Jahren, als sich vor allem in Rom und Mailand ausländische Galeristen niederließen.
    Tatsache ist, dass hinter dem neuen Interesse ausländischer Galeristen am italienischen Kunstmarkt präzise wirtschaftliche, kunstmarktoriente und auch kulturpolitische Gründe stecken.
    Der römische Kunstsammler und Kunstkritiker Ludovico Pratesi:
    "Viel zu lange wurde die zeitgenössische Kunst Italiens, die jüngsten Entwicklungen, international ignoriert. Das ändert sich jetzt, weil ausländische Galeristen verstanden haben, dass es in Italien schwerreiche Sammler gibt, interessante Künstler, Steuervorteile und endlich immer mehr Kulturpolitiker, die zeitgenössische Kunst fördern."
    Klarer Steuervorteil in Italien
    Jeder ausländische Galerist, der in Italien eine Niederlassung eröffnet, genießt steuerliche Vorteile beim Verkauf eines Kunstwerks. Für ein Kunstwerk, das in einer ausländischen Galerie in Italien verkauft wird, die ihren Verwaltungssitz in London, New York, Paris oder sonst wo hat, entfallen 22 Prozent Umsatzsteuer. Ein weiterer Grund für die Einrichtung von Dependancen in Italien liegt in dem Umstand begründet, dass sich der internationale Kunstmarkt lange viel zu wenig für das künstlerische Schaffen in Italien interessiert hat. Galeristen wie Thomas Dane und Alberta Pane haben begriffen, dass es in Italien einiges zu entdecken gibt – Künstler, die zwar von italienischen Privatsammlern und Banken gefördert werden, die international aber eher unbekannt sind. Ein dritter Grund für den Boom ausländischer Galerien in Italien liegt in einer sich wandelnden Kulturpolitik. Ludovico Pratesi:
    "Bisher war es in Italien eher so, dass Kommunen, Regionen und der Staat sich nur wenig für Zeitgenössisches interessierten, wenn es sich nicht gerade um internationale Messen und Ausstellungen handelt."
    Erst seit wenigen Jahren investiert die öffentliche Hand stärker als bisher in zeitgenössische Kunst, in neue Museen und Ausstellungen. Auch in Mailand, wo sich die meisten italienischen Galerien nieder gelassen haben. Genau deshalb sind ausländische Galeristen eher weniger an der lombardischen Metropole interessiert.