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Gallier und Sparpolitik an der Bonner Oper

Der junge Regisseur Florian Lutz inszeniert "Norma" als gallische Ulknummer mit Asterix und Obelix. Dabei erzählt er an der Bonner Oper mehr als eine Geschichte: Er karikiert den Klassik-Kommerz und zeigt die existenzielle Liebesgeschichte zwischen Norma und Pollione.

Von Christoph Schmitz |
    Warum geht man in Vincenzo Bellinis "Norma"? Warum schaut man sich diese antikisierende Historienklamotte in Gallien um die Druidenpriesterin Norma an, die den römischen Prokonsul Pollione liebt, die ihr Keuschheitsgelübte längst gebrochen und zwei Kinder mit diesem römischen Besatzungssoldaten hat, der aber nach Rom stiften gehen will, mit der jungen Adalgisa, der Novizin des heiligen Hains? Warum tut man sich das an? Natürlich wegen der Musik, eigentlich wegen einer einzigen Arie, wegen "Casta Diva", und immer noch mit Maria Callas’ Stimme im Ohr:

    "Casta Diva, che inargenti queste sacre antiche piant"

    Oder mit Edita Gruberova im Sinn, die heute wie am Fließband die Bühnen weltweit beglückt:

    "A noi volgi il bel sembiante senza nube e senza vel"."

    Die Bonner Inszenierung gibt dem Affen sofort Zucker und liefert allen Schmachtgelüsten Spontanbefriedigung. Noch bevor sich der Vorhang hebt, winkt der gespielte Theaterdirektor Chor und Titelsopranistin an die Rampe, und das Klassik-Spektakel startet, mit "Casta Diva". Zuvor hat der geschäftstüchtige Impresario noch flott das Beethovenorchester plus Dirigenten Robin Engelen über den grünen Klee gelobt, den Ungeist gegenwärtiger Kulturlosigkeit und die Bonner Opernsparpolitik verdammt und die Bühne als Ort heiliger nationaler Werte gepriesen. Zur Ouvertüre dann lässt der Haus-Chef die Kulisse auffahren, alte Bäume, Nebel, Mondlicht, und echte Gallier: Asterix und Obelix mit Hinkelstein und Idefix, Majestix, Miracolix, Troubadix und alle anderen und natürlich kräftig vermöbelte römische Blechbläsersoldaten.

    "Norma" als gallisch-gallige Ulknummer. Die ersten Zuschauer wüten und flüchten. Pollione schmettert in goldblitzendem Brustpanzer und viriler Ekstase seinen Adalgisa-Liebestraum:

    ""Meco all’altar di Venere era Adalgisa in Rom"."

    George Oniani und Orchester liefern eine ins Satirische glänzend überzeichnete Bravourarie. Die Bühne dreht sich und auch das Geschehen. Wir blicken hinter die Kulissen in die Tristesse einer Operngarderobe. Die Sängerin der Adalgisa zieht ihr Kostüm aus, die Klamotte fällt, das Drama hebt an. Nicht der Römer Pollione taucht auf, sondern der italienische Sponsor der Operngala, der schmierige Formel-1-Manager à la Flavio Briatore, mit High Heels in der Hand und Polliones Verführungsbelcanto auf den Lippen. So erzählt der junge Regisseur Florian Lutz in einer Oper zwei und mehr Geschichten: die Bühnenseite und die Backstage-Seite, den karikierten Klassik-Kommerz vorn, hinten die existenzielle Liebesgeschichte, die prekäre Sängerinnenexistenz und die soziale Misere des Künstlers. Immer wieder muss die Norma-Darstellerin an die Showfront, während sie ihre beiden Kinder zwischendurch flott mit Wienerle und Ketchup versorgt. Virtuos spielt und singt Miriam Clark ihre beiden Normas, die Gala-Norma mit herzerweichendem zuckersüßen Schmelz und die wirkliche Norma mit aller Bitterkeit und Härte der betrogenen und ausgebeuteten Frau:

    ""Essa non è colpevole, il malfattor tu sei”".

    Und dann gelingt Florian Lutz am Ende das Kunststück, die verschiedenen Erzählebenen miteinander zu verbinden. Der Intendant verliert die Kontrolle über seinen Laden. Wahnsinn, Hass und Tod stoßen in die Gegenwart vor und überrollen Galavergnügen und Publikum gleichermaßen. So wird eine Kultoper des Schöngesangs lebendig und wahrhaftig. So zeigt das Musiktheater sein reiches Geschichtenpotenzial, wie es unter den zeitgenössischen Regisseuren nur solche vom Range eines Stefan Herheim zu aktivieren vermögen. Und Florian Lutz mit seiner Bonner "Norma". Dabei ist die Kunstfigur des Theaterdirektors nicht der bittere Preis, den man für das gewagte Projekt in Kauf nehmen müsste, sondern ein Gewinn. Nach einigen Arbeiten an kleinen und mittelgroßen Häusern sollten auch die großen versuchen, diesen Regisseur zu engagieren. Da passiert was:

    ""Guerra, Guerra".