Game of Thrones: Ein Popkulturphänomen, das auch Feuilletonisten und Nicht-Fantasy-Fans elektrisiert. Eine Serie voller "Watercoolermomente", so nennt man in Amerika das morgendliche Gefachsimpel am Wasserspender im Büro, wenn man mit Kollegen noch mal die wichtigsten Momente des Fernsehabends diskutiert. Bei jeder Folge Game of Thrones laufen die sozialen Netzwerke heiß, das Fantasy-Epos verwandelt die Welt immer wieder aufs Neue in eine Art globales Sofa - und wird sogar in der Kneipe geschaut.
Englands brutales Mittelalter
Der Erfolg der HBO-Serie lässt sich wohl damit erklären, dass jeder in Game of Thrones das sehen kann, was er möchte: Für die einen steht das komplexe Intrigenspiel in einer shakespeareschen Erzähltradition, für andere, dazu zählt etwa der Schauspieler Ian McShane, der eine Rolle in der sechsten Staffel spielt, ist Game of Thrones hingegen nicht mehr als "Brüste und Drachen". Spaß aber haben sie alle. Klar ist, dass sich George RR Martin, der Schöpfer der Buchvorlage, von zahlreichen historischen Begebenheiten inspirieren ließ. Die "große Mauer" etwa erinnert an den Hadrianswall, die verfeindeten Familien Stark und Lannister an die Yorks und die Lancasters, die sich im 15. Jahrhundert während der Rosenkriege bekämpft haben.
Und dann ist da noch der Psychopathenkönig Joffrey, der angelehnt ist an Edward von Westminster, über den ein Mailänder Botschafter mal gesagt haben soll, er hätte schon im zarten Alter von 13 Jahren fast ausschließlich nur über Krieg geredet - und über das Abschneiden von Köpfen. Während die Geschichten des "Herr der Ringe"-Schöpfers J.R.R Tolkien unter anderem auf alten isländischen Sagen basierten, mit denen der junge Tolkien von seinem isländischen Kindermädchen in den Schlaf gewogen wurde, ist es bei Game of Thrones das brutale Mittelalter in England, das hier Pate steht. Und anders als der Oxford-Professor Tolkien ist JRR Martin ein Blue-Collar Kid aus New Jersey und interessiert sich weniger für Fantasiesprachen und nordische Mythen, als für die menschliche Psyche.
"Nein, ich glaube nicht, dass es klare Grenze gibt zwischen Gut und Böse. Der Kampf zwischen gut uns Böse ist oft Thema in der Fantasy. Aber im echten Leben, wenn ich mich so umsehe, ist das eher ein Kampf, der in jedem Menschen ausgetragen wird. Wir alle haben Gutes in uns, wir alle haben Böses in uns. Ein und dieselbe Person kann etwas Gutes tun und am nächsten tag unglaublich egoistisch und grausam sein. Jeder von uns hat in seinem Leben wundervolle, liebenswürdige und heldenhafte Dinge getan und jeder von uns hat wahrscheinlich Dinge getan, für die er schämt. Für mich macht das die Faszination des Menschen aus, dass seine Psyche nicht schwarz oder weiß ist, sondern auch viele Grautönen besteht."
Komplexe Figuren und eine Menge Brüste
Bei JRR Martin gibt es eben nicht nur gute oder schlechte Charaktere, sondern komplexe Figuren und ja, es stimmt schon, auch eine Menge Brüste. In Game of Thrones geht es nämlich im Kern um Macht. Sexuelle Macht, militärische Macht, Macht durch Belohnung, Macht durch Wissen, Macht durch Skrupellosigkeit. Pablo Iglesias, Politikwissenschaftler und Chef der angesagten spanischen Linksparte Podemos hat ein Buch geschrieben über Game of Thrones; der Titel: "Sieg oder Tod. Politische Lehren aus 'Game of Thrones'". Den fiktiven Kontinent Westeros vergleicht er mit Europa, beide Gebilde befinden sich in einer Krise. Und die Botschaft des Epos ist für ihn klar: Game of Thrones, das ist "The winner takes it all". Wer in diesem Spiel zuerst zuckt, der verliert alles.
Doch auch wenn in Game of Thrones vieles bisweilen an die moderne Welt erinnert, an das Hauen und Stechen in der Politik, an ökonomische Krisen, an religiösen Fanatismus: Die Serie zeigt auch, was wir überwunden haben, wie wichtig Kompromisse sind, Verhandlungen und funktionierende Institutionen. Dass in unserer Welt "Winter is Coming", dieser ikonische Satz, kaum noch jemandem Angst einjagen würde, liegt auch daran, dass wir das finstere Mittelalter Gott sei Dank hinter uns gelassen haben.