Tausende Gamer aus ganz Europa sind im Moment zu Gast in Köln. Stundenlang warten sie in den vollen und lauten Messehallen, nur um wenige Minuten lang die neusten Spiele zu testen. Die Faszination Games ist riesig. Die Branche boomt. Auch andere Bereiche wollen vom Erfolgskonzept der Games-Branche profitieren. "Gamification" ist das Zauberwort.
"Die Grundidee ist, ich nehme Konzepte oder Ideen aus Spielen und versuche, die in ein anderes Umfeld, ein anderes System zu übertragen, damit das System besser, spannender, motivierender wird."
So die Erklärung von Martin Steinicke von der HTW Berlin, der Hochschule für Technik und Wirtschaft. Manche Unternehmen und Firmen hantieren schon länger mit Gamification und wollen damit zum Beispiel ihre Mitarbeiter motivieren, mit unterschiedlichem Erfolg.
"SAP hat zum Beispiel ihre Knowledge-Plattform gamifiziert, und wenn man da heute drauf guckt, dann haben sie ein paar Sachen wieder zurückgeändert. Die haben halt gesagt: Jeder, der einen Beitrag schreibt, bekommt Punkte. Und wer am meisten Beiträge schreibt, ist gut, und das führt natürlich dazu, dass Leute einfach möglichst viele Beiträge machen, statt wenige komprimierte gute."
"Games mit Bildung koppeln"
Weil natürlich vor allem Jugendliche gut mit Spielen zu erreichen sind, versuchen auch Schulen und Hochschulen diese Prinzipien mit einzubauen.
"Wir diskutieren in den letzten Jahren die digitale Bildung immer unter dem Aspekt - wie nutzen wir eigentlich bestehende Bildungsangebote in digitalen Plattformen. Wir haben aber niemals versucht von digital originären Angeboten, wie Games, die mit Bildung zu koppeln. Und das ist der Schritt, den wir jetzt gehen müssen."
Dies fordert Jörg Müller-Lietzkow. Er ist Professor für Medienökonomie und Management an der Uni Paderborn. Damit das auch klappt, braucht es seiner Meinung nach Umstrukturierungen.
"Wir brauchen nicht nur mutige Lehrerinnen und Lehrer, die hier vorangehen, und mal das, was schon da ist, ausprobieren. Sondern wir brauchen auch den Mut, die Lehrerausbildung zu reformieren, dringend. Dazu muss an den Hochschulen auch die Grundlage geschaffen werden, das heißt: Es fängt nicht bei den Lehrerinnen und Lehrern, die zukünftig da sind, an, sondern auch die Professorinnen und Professoren müssen für Prozesse offen sein und diese Produkte in die Lehreraus-, Weiter- und Fortbildung einbringen."
Einer der bereits seit neun Jahren mutig voran geht, ist Schulleiter Mario Mosbacher aus Donaueschingen:
"Unsere Schule hat eine AG, eine kleine Entwicklergruppe, das sind im Moment zehn Schüler, die arbeiten als Entwickler. Am Anfang haben uns alle für verrückt gehalten, aber jetzt wo VR langsam fliegt, auf einmal gucken alle und sagen: Oh da gibt's tatsächlich was. Unser Ziel ist, zu erforschen, wo ist das besser zum Lehren als normale Lernmethoden."
Michelangelo-Analyse per VR-Brille
Und um besser zu werden, ist er mit einigen Schülerinnen und Schülern vom Fürstenberg-Gymnasium aus Baden-Württemberg extra bis nach Köln gereist.
"Die Innovation sitzt im Spielebereich - und nicht im Bildungsbereich. Also gehen wir auf die Gamescom und finden hier die Hersteller, gucken uns an, was geht im Spielebereich, an Eingabegeräten, an neuen Head-up-Displays - und versuchen das dann zu übertragen und auszutesten."
Zum Beispiel für die Fächer Kunst und Geschichte:
"Angenommen, der Michelangelo ist schwierig zu sehen von der Perspektive, dann machen sie das in VR. Sie können ihn nicht nur von unten angucken, sie können ihn von der Seite angucken. Sie sehen, der ist total unförmig gehauen, aber wenn sie ihn in die richtige Perspektive geben, gibt es den perfekten David, also den Menschen. In Geschichte bauen sie einfach Gebäude wieder auf, die es nicht gab, und die können sie dann erkunden. Sie laufen da durch wie durch eine Spiele-Map, und dann nehmen sie vielleicht ein Kloster, und dann kommt der Mönch und erklärt ihnen das Kloster und so weiter."
Schüler und Lehrer entwickeln gemeinsam digitale Konzepte
Am Fürstenberg-Gymnasium ziehen Lehrer und Schüler dabei an einem Strang.
"Wir haben sehr schnell gemerkt, wir müssen die Schüler mit einbinden. Und zwar nicht nur als Kunde am Ende, sondern die müssen mit entwickeln, weil zugegebenermaßen, die sich besser auskennen in vielen Sachen als wir, die Erwachsenen. Und so schmeißen wir die Didaktik rein und die Schüler schmeißen ihr Wissen über Gamification, über Spiele, über VR rein. Und so entwickeln wir dann ein Feedback an die Firma, damit sie weiß, in welche Richtung sie entwickeln muss."
Neben der Entwickler-Firma wird die Schule außerdem vom Kultusministerium unterstützt. Was gerade noch viel ausprobieren, tüfteln und testen ist, soll in Zukunft ein handfestes Konzept für Schulen in ganz Deutschland werden. Damit es irgendwann heißt: Ich packe meinen Ranzen und nehme mit: Geo-Dreieck, Farbkasten und VR-Brille.