Archiv

Gamescom 2019
Gameboy-Nostalgie und Spielen in der Cloud

Einer der Trends bei der Gamescom 2019 in Köln war das so genannte Cloudgaming. Denn Google will dieses Jahr in den Markt einsteigen. Computerspielkritiker Tim Baumann überzeugen die Pläne nicht. Ein anderer Trend in diesem Jahr: Spiele wie vor mehr als 20 Jahren in neuer Aufmachung.

Tim Baumann im Kollegengespräch mit Sigrid Fischer |
Messebesucher beim Spielen der Gaming Neuheiten bei der Gamescom 2019 in Köln |
Da daddeln sie wieder: Besucher der Gamescom 2019 in Köln. (Flashpic)
Sigrid Fischer: Seit Dienstag wimmelt es in den Kölner Messehallen vor lauter Computerspielfans. Die Gamescom wird immer größer. Über 350.000 Besucher schauen da bis Samstag, welche spielenswerten Neuigkeiten die Branche zu bieten hat. Tim Baumann kennt sich aus, ist selbst Gamer und hat sich für Corso die ersten beiden Tage ins Gedränge gestürzt. Und Tim, was war die längste Anstehzeit in diesen beiden Tagen?
Tim Baumann: Das Längste, was ich tatsächlich gesehen habe, waren über drei Stunden. Was ich selber stand, ungefähr knapp unter einer Dreiviertelstunde. Mehr hätte ich mir nicht angetan.
Fischer: Womit kann die Messe denn ihre Besucher eigentlich locken dieses Jahr?
Neuauflagen alter Spiele sind beliebt
Baumann: Es gibt vor allem sehr sehr viele Neuauflagen. Und aber auch zwei ziemlich mysteriöse Unbekannte, die sowohl auf der Messe die Besucher ganz viel beschäftigen als auch in der Berichterstattung immer wieder vorkommen.
Fischer: Gut, erstmal die Neuauflagen?
Baumann: Das kann man im Grunde in zwei Kategorien unterteilen. Zum einen gibt es ganz erfolgreiche Spielereihen, die hben sich bewährt, die haben funktioniert, die haben Prinzipien. Die werden einfach immer mal wieder neuaufgelegt, da werden kleine Details geändert. Im neuen "Call of Duty – Modern Warfare" kann dann zum Beispiel in einem erweiterten Multi-Player-Modus mit bis zu hundert Spielern gegeneinander antreten.
Zum anderen gibt es auch ganz direkte Remakes von alten Spielen. Was mich besonders beeindruckt hat, war, dass ein 25 Jahre altes Gameboy-Spiel, das ich selbst als Kind schon gespielt habe, "Zelda - Links awakening" jetzt für den Nintendo Switch im Grunde eins zu eins kopiert wurde. Es ist natürlich eine völlig aufgehübschte Grafik, aber ich habe beim Spielen genau gewusst, was wo ist.
Nebulöse Ankündigungen vom Starentwickler
Fischer: Jetzt die beiden großen Unbekannten – das sind?
Baumann: Also zunächst ist da ein sehr, sehr mysteriöses Spiel von Starentwickler Hideo Kojima – der wird von vielen Gamern wie so eine Art Gamedesign-Gott gesehen, und der kündigt seit geraumer Zeit in Salami-Taktik sein neues Spiel "Death Stranding" an.
Fischer: Worum geht es da?
Baumann: Man ist ein Paketbote, wandert durch fotorealistische Landschaften, stapft da so durch die Gegend, und hat seltsamerweise ein Baby vor die Brust geschnallt in einem Glastank. Gleichzeitig gibt es noch unsichtbare Monster, und viele Prominente leihen den Spielfiguren ihre Gesichter, wie Filmregisseur Guillermo Del Toro, der spielt so eine Art Wissenschaftler.
Es kommt aber noch besser. Kojima hat angekündigt, dass wenn man die Spielfigur an eine bestimmte Stelle pinkeln lässt, hat das irgendwie Einfluss auf das Spielerlebnis anderer Spieler weltweit – es geht also irgendwie generell um "Connecting". Man sich: meint der das wirklich ernst? Es ist aber schön zu sehen, wie die Spekulationen wie Pilze aus dem Boden schießen und sich alle fragen, ist dieser Mann ein Genie oder eigentlich nicht zurechnungsfähig.
Fischer: Diese Verunsicherung ist ja vielleicht nicht schlechht, wenn man sonst so viel Erwartbares sieht. Und der andere Unbekannte?
Google will ins große Game
Baumann: Der andere Unbekannte ist das Cloudgaming. Das wird gerade als DER Gaming-Trend des Jahres gehypt. Dabei geht es nicht um ein einzelnes Spiel, ist das vielmehr eine Art, Spiele anzubieten. Aufhänger ist, dass Google angekündigt, im November seine Plattform Google Stadia zu starten – das ist so eine Art Streamingdienst für Spiele, es wird oft beschrieben mit "Netflix für Spiele". Hinkt ein bisschen, dazu komm ich gleich noch. Das Prinzip ist: Google hat sowieschon ganz viele Rechenzentren, die überall verteilt sind. Und man braucht dann im Grunde keinen leistungsstarken PC mehr, keine Konsolen mehr. In diesen Rechenzentren von Google stehen dann die Rechner, da sind die Spiele alle schon drauf, man muss nichts mehr installieren.
Fischer: Klingt jetzt erstmal nur positiv. Wo ist der Haken?
Baumann: Zum einen ist es schwierig, weil wir in letzter Zeit öfter mal Datenskandale hatten, auch mit Geräten, die mithören. Und der Stadia Controller, der zum Spielen benötigt wird, der hat einen Sprachassistenten. Der ist direkt mit dem Rechenzentrum verbunden. Da kann man praktisch die Spiele auf jeden Bildschirm streamen, den man will, auf seinem Handy, auf dem Fernseher, dem Computer, wie auch immer. Das Problem ist aber auch: das braucht Bandbreite, und die haben wir in Deutschland einfach noch nicht flächendeckend verfügbar.
Kein Netflix für Spiele
Deshalb sehe ich diese Cloudgaming-Geschichte zumindest in Deutschland noch nicht als das was unsere Game-Szene in den nächsten Jahren verändern wird.
Und zweitens ist es kein neues Konzept: Cloudgaming hatten wir vor zwanzig Jahren schon – und es ist grandios untergegangen. Sony hat seit fünf Jahren schon mit Playstation Now einen Service, mit dem man seine Playstation-Spiele auf sein Handy streamen kann. Das ist eigentlich nicht innovativ.
Und Drittens ist Google Stadia eben kein Netflix für Spiele, wie das oft genannt wird – Netflix hieße: man hat ein Abo und kann dann spielen, soviel man will. Bei Google muss man alles kaufen, das ist immer noch dasselbe Geschäftsmodell, das PCs und Konsolen haben. Da fehlt finanzielle Anreiz, ich glaube nicht, dass sich das durchsetzt.