Archiv

Gamescom
"Digitale Spiele sind Treiber für Innovation"

Tankred Schipanski, der digitalpolitische Sprecher der Unionsfraktion, spricht sich für eine Fortführung der Förderung für die Computerspiel-Branche aus. Es habe ihn überrascht, dass im Haushaltsentwurf für 2020 der entsprechende Posten nicht mehr vorgesehen sei, sagte er im Dlf.

Tankred Schipanski im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
Tankred Schipanski (CDU), spricht bei der 83. Sitzung des Bundestags zur Umsetzungsstrategie Digitalisierung
Tankred Schipanski (CDU) ist digitalpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag (dpa / Britta Pedersen)
Dirk-Oliver Heckmann: Tankred Schipanski von der CDU, er ist digitalpolitischer Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion im Bundestag und ich habe ihn zuerst gefragt: Welche Bedeutung hat die Games-Industrie mittlerweile eigentlich weltweit?
Tankred Schipanski: Das ist eine Branche, die stetig wächst, immer zunimmt. Das Alter der Spieler wird durchschnittlich immer älter. Es werden immer mehr Spiele produziert. Mit Blick auf Innovation und Auswirkung auf andere Wirtschaftsbereiche wie die Filmwirtschaft, Architektur, die Baubranche, Mobilität, Bildung und Gesundheit oder Pflege nimmt natürlich diese Game-Branche immer weiter zu.
Heckmann: Der Umsatz ist nach Angaben des Branchenverbands Game im vergangenen Jahr auf 4,4 Milliarden Euro gestiegen. Allerdings sank der Anteil deutscher Unternehmen daran und beträgt jetzt nur noch 4,3 Prozent. Wie kommt das?
Schipanski: Ja, es ist eine Branche oder eine Entwicklung, die wir erst mal so zur Kenntnis nehmen müssen. Welche Ursachen das jetzt hat, kann ich Ihnen auch nicht sagen. Wir haben 614 Unternehmen in Deutschland, die Spiele entwickeln, die Games vertreiben. Wir haben einen deutschen Game-Markt, der um neun Prozent wächst. Wir haben 34 Millionen Menschen, die regelmäßig Computer- oder Videospiele machen. Von daher, denke ich, ist es eine Branche, die eigentlich im Aufwind ist.
"Digitalpolitiker der Großen Koalition sind überrascht"
Heckmann: Aber im internationalen Vergleich ist man auf dem Abstellgleis ist vielleicht übertrieben, aber man muss Verluste hinnehmen.
Schipanski: Man muss Verluste hinnehmen und von daher haben wir auch dreimal oder viermal im Koalitionsvertrag die Game-Branche ausdrücklich genannt und haben uns politisch darauf verständigt, die Game-Industrie in Deutschland zu fördern, um sie wettbewerbsfähig zu halten und insbesondere auch im europäischen Vergleich ein Level Playing Field zu gestalten.
Heckmann: Aber im Haushaltsentwurf 2020 ist diese langfristige Förderung, auf die sich Union und SPD im Koalitionsvertrag geeinigt hatten, nicht mehr enthalten. Verkehrsminister Scheuer von der CSU - der ist ja für die Game-Branche zuständig -, der wird morgen in Köln zur Gamescom erwartet, so wie Sie auch, Herr Schipanski, wie Sie es mir gerade gesagt haben. Muss sich die Branche auf schlechte Nachrichten einstellen in dem Punkt?
Schipanski: Ich war, glaube ich, genau wie die Branche sehr überrascht, dass im Haushaltsentwurf der Bundesregierung für den Haushalt 2020 der Haushaltstitel faktisch nicht fortgeführt wurde. Das Parlament hat im letzten Jahr für den Haushalt 2019 in seiner Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses 50 Millionen Euro zur Verfügung gestellt für das Haushaltsjahr 2019. Das sind Mittel, die übertragbar sind, auch nach 2020 mitgenommen werden können. Aber selbstverständlich haben wir als Parlamentarier der Großen Koalition erwartet, dass es auch 2020 einen signifikanten Titelansatz gibt. Das hat die Bundesregierung in ihrem Haushaltsentwurf leider nicht vorgesehen.
Heckmann: Wie kommt das? Wie ist das zu erklären?
Schipanski: Das muss man den Minister fragen. Ich bin da sehr oder die Digitalpolitiker der Großen Koalition sind da ein ganzes Stück überrascht gewesen.
"Es geht einfach um Förderung von Innovation"
Heckmann: Herr Scheuer gehört ja Ihrer Schwesterpartei an.
Schipanski: Ja! Aber Andi Scheuer hat ja bereits in dem letzten Haushaltsentwurf für das Jahr 2019 diesen Auftrag aus dem Vertrag im Regierungsentwurf nicht enthalten gehabt. Da haben wir parlamentarisch nachsteuern müssen. Und ich bin fest davon überzeugt, dass wir auch in diesem Jahr gemeinsam mit dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages da parlamentarisch nachsteuern und einen Titelansatz für 2020 vorschlagen.
Heckmann: Weshalb muss der Steuerzahler eine Branche finanzieren, die sich nicht von selbst halten kann?
Schipanski: Ich würde nicht sagen, dass sich die Game-Branche nicht von selbst halten kann, sondern es ist eine Wachstumsbranche. Und wenn wir auf andere Länder schauen, die aktiv ihre Game-Branche unterstützen, geht es, glaube ich, darum, dieses Level Playing Field zu schaffen. Und diese digitalen Spiele sind wirklich ein entscheidender Treiber für Innovation. Ich hatte es schon angedeutet: Es geht hier um Bereiche wie Künstliche Intelligenz und es geht um eine Treiberstellung für andere Wirtschaftsbereiche. Die Filmwirtschaft, die Architektur, aber auch die Baubranche sind alles Branchen, die davon inspiriert werden, wo die Game-Industrie ganz einfach Vorreiter ist, und damit ist das auch eine indirekte Förderung für diese ganzen anderen Wirtschaftsbereiche.
Heckmann: Das heißt, weil andere Länder Subventionen gewähren, müssen wir das auch tun? Ich dachte, die Bundesregierung wäre angetreten, Subventionen eher abzubauen.
Schipanski: Es geht nicht um die Stellung von Subventionen, sondern es geht einfach um Förderung von Innovation. Das macht das Bundesbildungsministerium, das Bundesforschungsministerium mit verschiedensten Innovationsprogrammen. Wir gründen Agenturen für Sprunginnovationen und so weiter. Wir halten diese Game-Branche für so wichtig im Bereich der Innovation, dass wir sagen, auch diese Branche soll hier eine entsprechende Förderung erhalten, und ein direkter Ausfluss, glaube ich, auch für unsere Bildungspolitik. Durch diese Game-Branche werden die sogenannten MINT-Fächer, Mathematik, Informatik, Technik, Naturwissenschaften, gestärkt. Junge Leute werden begeistert zum Programmieren und somit tragen gerade die sogenannten Serious Games entscheidend auch zur digitalen Bildung bei.
"Wir haben sehr strenge Vorschriften"
Heckmann: Das hört sich alles ganz wunderbar an, Herr Schipanski, aber es gibt natürlich auch eine negative Seite. Es sind auch Probleme damit verbunden, Stichwort Spielsucht. Wie groß ist die Gefahr und welche Überlegungen gibt es, dem entgegenzuwirken?
Schipanski: Ich glaube, wir haben sehr strenge Vorschriften, was Spielregulierung betrifft. Das ist im Primären eine Fragestellung der Bundesländer, ist also Länderrecht, wenn wir an Automatenwirtschaft oder Automatenspiele und Ähnliches denken. Ich denke, dass wir probieren, gerade bei den Computer- und Videospielen doch relativ darauf auch zu achten, mit entsprechenden Präventionsprogrammen oder Ähnlichem. Aber die Spiele, die eigentlich beliebt sind oder die auch in Deutschland auf Platz eins sind, wenn das die FIFA-Spiele sind oder Ähnliches, kann ich mir eigentlich einen direkten Suchtfaktor hier nicht vorstellen.
Heckmann: Ich habe es gerade schon erwähnt: Sie werden auch nach Köln zur Gamescom anreisen. Darf ich fragen: Worauf freuen Sie sich am meisten? Setzen Sie sich da auch hin und zocken mal richtig?
Schipanski: Ich besuche die Gamescom mit dem sogenannten C-Netz. Das ist ein digitalpolitischer Verein der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Und ich glaube, wir werden uns verschiedenste Spiele, Neuheiten ansehen, aber insbesondere auch mit Entwicklern und Verbänden ins Gespräch kommen, um einfach politische Hausaufgaben mit nach Berlin zu nehmen. Von daher werden wir, glaube ich, nicht so viel spielen, sondern mehr sprechen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.