Hobby-Zocker, Aktien-Aktivisten und glücksritternde Anleger haben sich die Aktien der angeschlagenen Einzelhandelskette für Videospiele, Gamestop, zum Spielobjekt genommen - und damit große, mächtige Hedgefonds ins Wanken gebracht. Ein solches Szenario ist jederzeit wieder möglich, mit einer anderen Aktie oder etwa Investments in Rohstoffe oder Lebensmittel. Die Mittel dazu gibt es: Broker-Apps für den schnellen Aktienhandel sowie Plattformen und Foren, auf denen Anleger solche Aktien-Flashmobs organisieren können.
Falsch sei daran erst einmal nichts, betonte der Volkswirtschaftler Hanno Beck im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Man müsse denjenigen, die mit der Gamestop-Aktie gegen Hedgefonds gewettet haben, attestieren, "dass sie sehr findig und clever waren". Es stehe allerdings zu befürchten, dass dabei "noch einige Leute Geld verlieren und sich die Finger verbrennen" werden.
Wette gegen Leerverkäufe von Hedgefonds
Im Fall von Gamestop hätten die Anleger, die sich auf der Plattform Reddit austauschen, festgestellt, dass einige Hedgefonds die Aktie des Unternehmens leerverkaufen. Dabei sei ihnen aufgefallen, dass die Hedgefonds mehr Gamestop-Aktien leerverkauft hätten, als es überhaupt gibt. Daraufhin hätten sie begonnen, Gamestop-Aktien zu kaufen - in dem Wissen, dass die Hedgefonds sich irgendwann wieder mit den Aktien eindecken müssen, um ihre Leerverkäufe erfüllen zu können. "Das hat den Preis der Aktie dann dramatisch nach oben getrieben", so Beck.
Das dadurch Hedgefonds in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind und einzelne sogar gerettet werden mussten, sei nicht schlimm für die Finanzstabilität. Hedgefonds gingen immer wieder einmal Pleite. Es sei auch nichts Schlimmes dabei, wenn sich ein paar Kleinanleger die Finger verbrennen. Problematisch sei das ganze Geschehen aber für das Image des Aktienmarktes, von dem wieder das Bild einer Zockerbude vermittelt werde.
Kapitalmärkte sind wichtig für die Volkswirtschaft
"Aber damit wird man Kapitalmärkten nicht gerecht. Die sind mehr als eine Zockerbude", betonte Beck und erläuterte. "Die sind eine ganz wichtige Schaltstelle in einer arbeitsteiligen Volkswirtschaft, damit sich Unternehmen Kapital beschaffen können." Problematisch sei das zum einen für Unternehmen, die sich Kapital besorgen müssten, aber auch im Hinblick auf potenzielle Anleger. Letztere würden ihr Geld vielleicht nicht am Aktienmarkt investieren, weil sie der Meinung sind, dieser sei nur ein Casino. Und Unternehmen würden aus dem gleichen Grund dann vielleicht eher auf den Bankkredit ausweichen.
Auch das Prinzip der Leerverkäufe sei an sich nicht problematisch. Dieses existiere schon seit 3000 bis 4000 Jahren, stamme ursprünglich aus der Landwirtschaft und stelle eine Art Versicherung gegen zukünftige Preisbewegung dar. Zudem könnten Leerverkäufe auch eine stabilisierende Wirkung haben, da Aktienmärkte eine Tendenz hätten, nach oben zu übertreiben.
Kritik am Geschäftsmodell von Neo-Brokern
Der Fall Gamestop sei kein Beleg dafür, dass die Kapitalmärkte neu reguliert werden müssten. Er zeige vielmehr, dass das System gut funktioniere und sich reguliere. Auf die Übertreibung, dass zu viele Hedgefonds auf fallende Kurse gewettet hätten, hätte eine Gegenseite reagiert und dagegengehalten. Wenn in einem Ausschnitt des Kapitalmarktes Kapriolen passierten, müsse daher nicht gleich das gesamte System in Frage gestellt werden, sagte Beck.
Problematisch sieht der Volkswirtschaftler allerdings Broker-Apps und Neo-Broker wie Robinhood aus den USA oder Trade Republic aus Berlin. Zum einen weil solche Apps Computerspielen nachempfunden seien und dazu verleiten würden, Geld wie bei einem Spiel einzusetzen. Zum anderen weil Neo-Broker ihre Aufträge über sogenannte Marketmaker mit veritablen Eigeninteressen im Investmentgeschäft abwickelten. "So ganz sauber ist das Geschäftsmodell an der Stelle unbedingt auch nicht", sagte Beck.