Abdul Karriem Adams fährt durch seinen Stadtteil, schaut dabei immer wieder nervös in den Rückspiegel. Seit fast 50 Jahren lebt Adams hier im Stadtteil Manenberg - ein Zentrum der Gang-Gewalt, die seit Monaten eskaliert.
"Das ist noch das Gebiet der Americans. Und die Straße, wo wir jetzt reinfahren, dort ist das Revier der Fancy Boys."
Manenberg ist ein Teil der sogenannten Cape Flats, ein dicht besiedelter, flacher Teil von Kapstadt. Während der Apartheit wurden die Anwohner hier angesiedelt, nachdem sie aus den wohlhabenden weißen Stadtteilen vertrieben wurden. Doch auch nach dem Ende der Rassentrennung hat der Staat wenig für die Anwohner getan. Ein Machtvakuum entstand – Gangs breiteten sich aus. Die Lage ist angespannt, mehrere Gruppen bekriegen sich hier untereinander. Ein brutales Geschäft um Drogen und Macht – allein in diesem Jahr wurden mehr als 1.000 Menschen ermordet, im Schnitt fast sechs Menschen am Tag.
"Niemand fühlt sich hier sicher"
Abdul Karriem Adams macht sich Sorgen um die Zukunft seiner fünf Kinder:
"Niemand fühlt sich hier sicher. Unsere Kinder können nicht einfach auf der Straße spielen. So viele unschuldige Menschen sind bereits in Manenberg gestorben."
Seit mehr als zwei Monaten organisiert Adams tägliche Proteste gegen die eskalierende Gewalt. Während rund 50 Anwohner mit Plakaten durch die Straßen laufen, schauen junge Männer am Straßenrand misstrauisch zu. Adams kennt die Gangster in der Nachbarschaft – er hat mitgeholfen ein Friedensabkommen zwischen zwei Gruppen zu vermitteln. Doch es hielt nicht lange – deshalb ziehen die Demonstranten zum Haus einer Mutter, deren Sohn erschossen wurde.
Sie beten gemeinsam, versuchen Trost zu spenden. Abdul Karriem Adams umarmt die weinende Mutter, auch er kämpft mit den Tränen:
"Wir haben demonstriert und dann gab es Frieden. Jetzt müssen wir wieder demonstrieren, um wieder Frieden zu bekommen. Aber wir werden weitermachen, damit Manenberg ein besserer Ort wird."
Von der Polizei enttäuscht
Seit einer Woche patrouilliert nun das Militär in den Cape Flats. Drei Monate sollen die Soldaten die Polizei unterstützen und die Lage unter Kontrolle bringen. Viele Anwohner hatten das lange gefordert – und selbst die Polizei kritisiert: Sie sei unterbesetzt, einige Polizisten korrupt.
"Die Polizei macht doch nichts", beschwert sich eine Frau. "Vor ein paar Wochen wurde jemand genau vor meiner Tür erschossen – und die Polizei kam ganz entspannt und viel zu spät hierher."
Eine andere Frau sagt: "Wir werden sehen, ob das Militär die Verbrechen hier reduzieren oder beenden kann. Aber die Polizei, die macht nichts."
"Die Armee kann einfach das Feuer auf diese Gangster eröffnen. Ich bin froh, dass sie kommen."
Immer wieder zeigt sich in Manenberg, wie schwierig die Beziehung zwischen Polizei und Bevölkerung ist. Die Polizei beklagt sich, dass viele Anwohner nicht kooperieren, beispielsweise bei der Suche nach Kriminellen. Die Anwohner hingegen haben Angst vor den Verbrechern in der Nachbarschaft – und trauen der Polizei nicht zu, sie zu schützen, wenn sie gegen sie aussagen.
"Wir brauchen Programme, die Arbeitsplätze schaffen"
Aslam Cassiem sitzt im Gemeinderat und hofft, dass sich das durch den Militäreinsatz ändert. Ende der 90er rückte bereits einmal das Militär ein – und die Kriminalität ging zurück. Allerdings nur temporär. Das Militär ging, die strukturellen Probleme blieben:
"Es gibt keine Jobs und viel Armut. Die einzigen, die hier Geld haben, sind die Drogenbosse und die Verbrecher. Darum wenden sich die Anwohner auch an sie, wenn sie 70 Cent für einen Laib Brot brauchen."
Auch Anwohner Abdul Karriem Adams sieht den Militäreinsatz skeptisch:
"Es gibt zu viel Arbeitslosigkeit in Manenberg. Und das verursacht Kriminalität. Wir brauchen Programme, die Arbeitsplätze schaffen. Die Armee wir das Problem nicht lösen."
Mehr als jeder zweite junge Südafrikaner ist arbeitslos. Die Anwohner in Manenberg planen deshalb weiter täglich zu demonstrieren: gegen die Gewalt der eigenen Nachbarn – und für einen Staat, der sich um sie kümmert. Der Jugendlichen bessere Perspektiven gibt, als Drogen und Gangs.