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"Ganz große Versäumnisse der Ministerin" im Fall Mollath

Die bayerische Justizministerin Beate Merk habe dem Landtag entlastende Dokumente im Fall Mollath vorenthalten, sagt der Obmann der Freien Wähler im Mollath-Untersuchungsausschuss, Florian Streibl. Der Verdacht der politischen Einflussnahme auf die Justiz liege nahe.

Florian Streibl im Gespräch mit Gerd Breker |
    Gerd Breker: Der Fall hat viele Menschen in Deutschland bewegt. Seit 2006 saß Gustl Mollath in der Psychiatrie, weil er als gemeingefährlich galt. Gestern hat ihn das Oberlandesgericht Nürnberg auf freien Fuß gesetzt, weil es Zweifel an einem ärztlichen Attest gibt. Das Strafverfahren gegen ihn wird also wieder neu aufgerollt. Bayerns Justizministerin Beate Merk hat ihr spätes Handeln im Fall Gustl Mollath erneut verteidigt.

    O-Ton Beate Merk: "Das Landgericht hat in seiner sehr umfangreichen Entscheidung seine Entscheidung begründet. Die Staatsanwaltschaft hat sofortige Beschwerde eingelegt, weil sie eine andere Meinung vertritt, und das Oberlandesgericht hat nun darüber entschieden. Das ist ein völlig normaler Vorgang und ich denke, dass es auch ein ganz wichtiges Verfahren ist, das deutlich macht, dass die Justiz mit solchen Zweifeln entsprechend umgehen kann."

    Breker: Beate Merk war das, die bayerische Justizministerin. Und am Telefon sind wir nun verbunden mit Florian Streibl, er ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler im bayerischen Landtag und auch deren Parlamentarischer Geschäftsführer. Guten Tag, Herr Streibl!

    Florian Streibl: Grüß Sie Gott!

    Breker: Ist das ein völlig normaler Vorgang?

    Streibl: Nein. Der Fall Gustl Mollath ist schon lange kein völlig normaler Vorgang. Hier kann man mit Recht sagen, dass eigentlich alles schief gelaufen ist, was in einem solchen Fall schief laufen kann.

    Breker: Justiz korrigiert Justiz - ist das so gewesen?

    Streibl: Nein, so ist das in diesem Fall nicht gewesen. Es war auch so, dass im Grunde auch dem Ministerium seit 2004 eigentlich alle Unterlagen vorlagen, die Herrn Mollath hätten entlasten können. Und von daher sind da natürlich auch ganz große Versäumnisse der Ministerin. Denn wenn die Unterlagen, die damals vorlagen, richtig ausgewertet worden wären, dann wäre Herr Mollath höchst wahrscheinlich niemals in die Psychiatrie verbracht worden.

    Breker: Worin besteht genau das Versagen der Ministerin?

    Streibl: Das besteht darin, dass aufgrund einer Beschwerde von Herrn Mollath 2004 seine Anzeigen beim Ministerium landeten, genauso wie seine Strafakte, wo alle relevanten Hinweise auf Steuerstraftaten enthalten waren. Und diese Steuerstraftaten waren ja sozusagen die Grundlage für ein Wahngebilde, das man ihm unterstellt hatte. Aber man hat nie überprüft, ob seine Anzeigen der Wahrheit entsprechen. Und heute wissen wir, seine Anzeigen haben einen tatsächlichen Hintergrund, und das hätte man schon 2003 ermitteln können und das hätte Herrn Mollath massiv entlastet.

    Breker: Wie erklären Sie sich diese Versäumnisse?

    Streibl: Damals lag wie gesagt im Ministerium alles vor. Man hätte das nur an die Steuerfahndung weitergeben müssen, und man hat das nicht getan. Und da ist schon der Verdacht oder der Vorwurf nahe, dass man im Grunde in diese Richtung gar nicht ermitteln wollte, und das heißt, dass Steuerstraftäter letztlich dadurch geschützt waren.

    Breker: Politik hat versagt aus Ihrer Sicht? Die Ministerin sollte zurücktreten?

    Streibl: Ja. Die Politik hat hier massiv versagt. Im weiteren Fall des Herrn Mollath hat ja die Ministerin mehrfach dem Landtag die Unwahrheit gesagt. Sie hat ja alle entlastenden Momente uns vorenthalten und hat immer nur die Momente gebracht, die Herrn Mollath massiv belasten. Noch vor einem Jahr hat sie ihn als gemeingefährlichen Straftäter bezeichnet, der hinter Gitter gehört. Und von daher ist ihr Umschwenken jetzt nur dem nahenden Wahlkampf und den Wahlen geschuldet, aber nicht ihrer inneren Haltung.

    Breker: Stichwort Wahlkampf, Herr Streibl. Sie werden den Fall Mollath in den Wahlkampf hineinnehmen?

    Streibl: Der Fall Mollath ist natürlich schon längst Bestandteil auch des Wahlkampfes und es ist natürlich auch die Empörung, die bei den Bürgern vorhanden ist über diesen Fall, der sich über so viele Jahre hingezogen hat. Und wir werden hoffen, dass wir dann auch nach dem Wahlkampf sozusagen das ganze auch weiter aufklären können. Denn hier ist ein ganzes Bündel an Versagen vorgefallen und auch gibt es Personen, die letztlich auch zur Rechenschaft gezogen werden müssen.

    Breker: Und welche Personen wären das?

    Streibl: Das wären die Protagonisten in dem ganzen Geschehen, nicht zuletzt auch die Ministerin, die wie gesagt uns massive Dinge vorenthalten hat. Dann auch der Generalstaatsanwalt in Nürnberg und auch die Richter, die damals Herrn Mollath verurteilt haben.

    Breker: Also nicht nur Politik hat versagt, auch die bayerische Justiz hat versagt?

    Streibl: Auch die Justiz hat versagt. Es steht hier ja der Verdacht von schweren Straftaten der Rechtsbeugung im Raum.

    Breker: Eine "Reform an Haupt und Gliedern der bayerischen Justiz", Herr Streibl, haben Sie gefordert. Was meinen Sie damit?

    Streibl: Damit meine ich, dass man aus den Fehlern und dem Versagen im Fall Mollath lernen muss. Das heißt, wir brauchen letztlich eine absolut unabhängige Staatsanwaltschaft, die nicht von der Politik beeinflusst wird. Wir brauchen auch, dass die Richterstellen, die höheren, nicht mehr durch den Ministerpräsidenten besetzt werden, sondern durch ein Richterwahlgremium, letztlich eine Selbstverwaltung der Justiz. Den Wechsel, der in Bayern zwischen Richtern und Staatsanwälten gang und gäbe ist, den müsste man auch abschaffen. Man braucht eine neue Gutachterkultur, man braucht eine neue Fehlerkultur, dass man hier nicht die Dogmen der Unfehlbarkeit ausgibt, sondern dass man auch Fehler zugesteht und auch dann aufarbeitet.

    Breker: Ganz kurz zusammengefasst: Die Justiz in Bayern muss reformiert werden, weil sie politisch beeinflussbar ist?

    Streibl: Es hat hier den Anschein in diesem Fall Mollath, dass hier politische Einflussnahme möglich war.

    Breker: Im Deutschlandfunk war das Florian Streibl, er ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler im bayerischen Landtag. Herr Streibl, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

    Streibl: Danke auch!


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