Also Trump. Und: die Frage aller Fragen:
Sprecher: "How the fuck did that happen?"
Verdammt, wie konnte es passieren, dass ein lupenreiner Populist, Sexist und Rassist wie Trump gewählt wurde? Kleiner Paukenschlag, und dann stürzt sich Michael Moore in gewohnt essayistisch-assoziativer Manier in die Gedankenwelt seiner Landsleute, bilanziert Lügen oder Hasstriaden Trumps und seiner Anhänger, scheint dann aber abzuschweifen. Er erinnert an den Skandal über die öffentliche Trinkwasserversorgung in Flint im US-Bundesstaat Michigan – Moores Heimatstadt –, wo die Bevölkerung mit bleihaltigem Wasser verseucht wurde. Doch als es schließlich um die die Demokraten-Partei geht, die Ergebnisse verfälschte, um Clinton-Konkurrent Bernie Sanders auszubooten, kommt Michael Moore auf den Punkt, auf den er die ganze Zeit zielte:
Sprecher: "Wenn Menschen immer wieder spüren, dass ihre Stimme nicht zählt, dass sie egal ist, und wenn sie das verinnerlichen, wird dieser Vertrauensbruch zu einem Todesurteil. Der starke Mann, der Autokrat, ist nur erfolgreich, wenn ein Großteil der Bevölkerung die Nase voll hat und aufgibt."
Moore wirkt still und nachdenklich
Eine Analyse, vielleicht nicht originell, aber treffend. Am Ende setzt Michael Moore alle Hoffnung auf basisdemokratische Empörung und somit auf die - um im Bild zu bleiben- die nicht aufgegeben haben. Die Schüler aus Florida, die nach dem Schulmassaker in Parkland für schärfere Waffengesetze streiten. Oder die Lehrer in West Virginia, die eine Krankenversicherung und eine bessere Entlohnung erkämpften. Ist diese Hoffnung auf das "andere Amerika" naiv? Auf alle Fälle erstaunlich, wie Michael Moore auf seine sonst übliche Agitprop-Keule verzichtet und am Ende nahezu still wie nachdenklich wirkt.
"Fahrenheit 11/9" von Michael Moore – empfehlenswert.
Der 12-jährige Junge Zain vor Gericht:
"Ich will meine Eltern verklagen."
"Warum willst du deine Eltern verklagen?"
"Sie haben mich auf die Welt gebracht."
"Warum willst du deine Eltern verklagen?"
"Sie haben mich auf die Welt gebracht."
Mit diesem surrealen Epilog beginnt im Film "Capernaum" der libanesischen Regisseurin Nadine Labak der Abstieg in die Hölle. Zain, der Junge, der keine Papiere hat, also offiziell quasi nicht existiert, lebt im Armenviertel von Beirut. Der Mensch ist hier dem Menschen nicht nur ein Wolf, sondern auch eine Ware. Zains Eltern verkaufen quasi seine 11-jährige Schwester an ihren Vermieter und zeugen das nächste Kind. Wütend läuft Zain davon und schlägt sich durch die Slums einer arabischen Metropole. Dann trifft er die äthiopische Migrantin Rahil, die illegal im Libanon lebt.
"Für unter 1.500 Dollar kriegt man nirgendwo gefälschte Papiere. Und ich brauche dringend neue. Meine sind bald nicht mehr gültig."
Neorealismus im Kino – kaum auszuhalten
Die beiden machen einen Deal: Zain kümmert sich um Rahils Baby Yonas, während sie arbeitet. Dafür darf er in ihrer Hütte wohnen. Aber als Rahil verhaftet wird, ist der 12-Jährige mit dem Baby auf sich allein gestellt.
"Jetzt setz dich hin."
Aber wie überleben? Es ist ein unglaubliches Kino-Bild: Zain, der das Skateboard, das er geklaut hat, hinter sich herzieht, darauf ein großer Topf, darin der kleine Yonas. Auf der Suche nach einem nächsten Schlafplatz, nach Essen, nach Trinken.
"Capernaum" ist mit Laiendarstellern gedreht, die die brutale einfache Geschichte mit einer unfassbaren Wucht darstellen und der Realität von Kindern ein Bild geben in einer Welt, in der es eine Kindheit nicht gibt, sondern nur Überlebenskampf. Man müsste "Capernaum" zusammen sehen mit Vittorio de Sicas Klassiker "Fahrraddiebe" von 1948. Der Begriff Neorealismus hat sich im Kino nicht erledigt.
Übrigens: Zain bekommt am Ende Papiere, die er nie hatte - und so eine Existenz. Jetzt lächelt er auf Kommando in die Kamera des Passbild-Fotografen. Das ist kaum auszuhalten.
"Capernaum" von Nadine Labaki – ein Meisterwerk.
Genforscher: "We have the power to design bodies."
Wir haben die Macht, Körper zu entwerfen. Es passiert schon jetzt, es ist keine Science-Fiction. Wir übernehmen jetzt die Kontrolle über unsere Evolution.
Genforscher: "We're now taking control over our own evolution."
Meint der Genforscher. So kostet der Klon des eigenen Hundes bei Sooam Biotech in Südkorea 100.000 Dollar. Schöne neue Welt? Die Sauberkeit des Gentechlabors, das ist der eine exotische Kosmos, den Christian Frei in seinem Dokumentarfilm "Genesis 2.0" aufsucht; der andere ist einer des brutalen körperlichen Schindens.
Die Hölle menschlichen Größenwahns
Wir sehen die Jäger, die auf den Neusibirischen Inseln im arktischen Ozean nach den Stoßzähnen ausgestorbener Mammuts suchen und sie immer mehr finden, seit in Klimawandelzeiten die Permafrostböden auftauen. Eine gefährliche Plackerei in der der Arktis auf der Suche nach dem "Weißen Gold". Doch das Elfenbein ist das eine; die Genforscher hoffen, dass die Elfenbeinjäger auch Mammutzellen mit einer möglichst intakten DNA finden. Denn Christian Freis Dokumentarfilm "Genesis 2.0" erzählt davon, wie diese Möchtegern-Götter im weißen Kittel davon träumen, in "Jurassic Park"-Manier ein Wollhaarmammut wieder zum Leben zu erwecken.
Wenn wir dann am Ende in "Genesis 2.0" in der nationalen Genbank in China ankommen, deren Ziel es ist, sämtliche Organismen der Erde zu lesen, zu digitalisieren und neu zu schöpfen, dann sind wir ganz abgestiegen in die Hölle menschlichen Größenwahns. Fast monoton schneidet Christian Frei immer wieder von den Hightech-Labors hinüber zu den arktischen Einöden und zieht uns unmerklich in einen Zeitstrudel. Von den Urzeiten und dem Mammuts bis hin zu unserer - möglichen! - Zukunft. Eine hinterhältig kluge Dramaturgie. Dagegen ist ein "Frankenstein"-Film ein Feelgood-Movie.
"Genesis 2.0" von Christian Frei - herausragend.