Als die EU-Außenminister vorige Woche in Brüssel über die Türkei berieten, lautete ihre zentrale Botschaft: Die Türkei muss ihr aggressives Verhalten ändern. Ganz besonders gilt das nach Meinung der Minister im östlichen Mittelmeer, wo es Streit zwischen der Türkei und mehreren EU-Staaten wegen Gasvorkommen unter dem Meeresboden und wegen des Konflikts in Libyen gibt.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell machte nach dem Treffen deutlich, dass es ohne eine neue Haltung der Türkei keine Annäherung zwischen Brüssel und Ankara geben werde:
"Es gibt besorgniserregende Entwicklungen, besonders im östlichen Mittelmeer und mit Bezug auf Libyen, die unsere Interessen unmittelbar berühren. Deshalb muss die Türkei einige ernste Probleme angehen, um die derzeitige Konfrontation und Dynamik zu ändern und eine Atmosphäre des Vertrauens zu schaffen, die sich alle wünschen. Aber wir betonen auch, dass die einseitigen Handlungen der Türkei, besonders im östlichen Mittelmeer, die den Interessen der EU, den souveränen Rechten von EU-Mitgliedern und dem Völkerrecht widersprechen, aufhören müssen."
Einer der Brennpunkte sind Spannungen zwischen der Türkei und Griechenland. Die beiden Nachbarn streiten sich seit Jahrzehnten über die Grenzziehung zwischen ihren Hoheitsgebieten in der Ägäis und über die Zukunft der geteilten Insel Zypern. Nun kommen Differenzen um reiche Erdgasvorkommen unter dem Meeresboden vor der Küste Zyperns hinzu.
Merkel schaltete sich ein
Diese Woche versetzte Griechenland seine Marineverbände in erhöhte Alarmbereitschaft, weil die Türkei ein Forschungsschiff in Begleitung von Kriegsschiffen in die Gewässer um die griechische Insel Kastellorizo entsandte, um nach Erdgas zu suchen. Bundeskanzlerin Merkel schaltete sich ein, um die Spannungen zu entschärfen.
Der Streit hat aber nicht nur die Kanzlerin und die EU auf den Plan gerufen. Er hat auch Auswirkungen auf den Bürgerkrieg in Libyen und auf das Verhältnis zwischen der Türkei und Ägypten. Kurz gesagt: Im östlichen Mittelmeer eskaliert ein Großkonflikt vor der Haustür Europas. Und bisher ist niemand in Sicht, der als Vermittler auftreten könnte.
Griechenland schloss vor einigen Wochen ein neues Seeabkommen mit Italien, um sich in der Auseinandersetzung mit der Türkei abzusichern. Dabei ging es um die Aktualisierung eines Vertrages aus dem Jahr 1977 und die Festlegung der exklusiven Wirtschaftszonen beider Staaten im Ionischen Meer.
Selbst solche diplomatischen Initiativen können in der spannungsgeladenen Situation dramatische Folgen haben, sagt Nebahat Tanriverdi, eine Expertin für das östliche Mittelmeer. "Griechenland könnte bald ähnliche Abkommen mit Ägypten und Albanien abschließen, um seine Position zu stärken. Das kann auch als Teil einer Strategie gesehen werden, die Türkei in der Region zu isolieren. Die Gefahr eines solchen Vorgehens liegt darin, dass es den diplomatischen Bewegungsspielraum der Türkei einschränkt, was die Türkei zur weiteren Machtprojektion verleitet, um ihre Interessen zu wahren. Das kann zu einer weiteren Eskalation führen. Je weiter die Türkei in der Region politisch und diplomatisch isoliert wird, desto mehr wird sie mit Machtprojektionen reagieren, um an dieser Lage etwas zu ändern."
Diese türkischen Machtdemonstrationen sind in vollem Gange. Türkische Kriegsschiffe kreuzen im östlichen Mittelmeer, türkische Frachter bringen Waffen nach Libyen, wo die Türkei die von der UNO anerkannte Einheitsregierung unterstützt. Der Gegner der lybischen Einheitsregierung, General Khalifa Haftar, erhält dagegen Militärhilfe von Ägypten, Russland, den Vereinigten Arabischen Emiraten und außerdem politische Unterstützung von Staaten wie Frankreich und Griechenland. Die Einmischung ausländischer Akteure in Libyen habe ein noch nie dagewesenes Niveau erreicht, beklagt die UNO. Doch sie kann die Entwicklung nicht stoppen.
Wenn sich verschiedene Konfliktlinien kreuzen
Für die Kontrahenten steht viel auf dem Spiel. Nebahat Tanriverdi, die an der Berliner Denkfabrik Stiftung Wissenschaft und Politik arbeitet, konstatiert eine Blockbildung gegen die Türkei im östlichen Mittelmeer. Die Türkei wolle mit Gegendruck erreichen, dass dieser Block aufgeweicht wird und im Westen weniger Verbündete findet.
"Offenbar wird es für viele Länder zur Priorität, den Einfluss der Türkei einzuschränken. Allerdings kann die Türkei mit ihrem Engagement im libyschen Bürgerkrieg ein gewisses Maß an Druck ausüben, und die Türkei wird alles daran setzen, auf diese Weise ihre Ziele zu erreichen."
In der Region kreuzen sich verschiedene Konfliktlinien, was eine Lösung schwierig macht. Zum türkisch-griechischen Streit in der Ägäis und dem Zypern-Konflikt kommen andere offene Rechnungen, wie ein jahrzehntealter Streit zwischen dem Libanon und Israel über die Grenzziehung im Meer.
Die Entdeckung der Gasvorräte unter dem Mittelmeer wirkt da wie ein politischer Brandbeschleuniger. Nach US-Schätzungen lagert unter dem Meeresgrund genug Erdgas, um ein Land wie Deutschland fast 40 Jahre lang zu versorgen. Griechenland, Zypern, Ägypten und Israel haben vereinbart, bei der Ausbeutung der Bodenschätze zusammenzuarbeiten und das Gas über eine Pipeline durch das Meer nach Europa zu bringen – und zwar unter Umgehung der Türkei. Ankara will das nicht hinnehmen.
Zwar lässt die Corona-Pandemie die weltweite Nachfrage nach Erdgas sinken. Einige Erkundungsmissionen im Mittelmeer wurden deshalb verlangsamt oder vorübergehend ganz eingestellt. Doch dass diese Corona-bedingte Pause den Streit zwischen den verfeindeten Staaten dauerhaft entschärfen wird, ist nicht zu erwarten, sagt Joe Macaron, Nahost-Experte beim Arab Center in Washington.
"Im östlichen Mittelmeer sind Gas und Geopolitik eng miteinander verwoben. Seit dieses Gas im Jahr 2009 entdeckt wurde, hat es neue Allianzen geschaffen und alte Feindschaften verstärkt, wie wir es in den Differenzen über die Grenzziehung auf dem Meer zwischen dem Libanon und Israel und zwischen Zypern und der Türkei gesehen haben. Es gibt eine natürliche Allianz zwischen Ägypten, Israel, Griechenland und Zypern, die im Grunde genommen darauf hinausläuft, das Gas über Griechenland zum europäischen Markt zu bringen. Die Mitglieder dieser Allianz haben noch etwas anderes gemeinsam: Feindseligkeit gegenüber der Türkei. Die Türkei will ein Stück vom Gas-Projekt abhaben und versucht, dagegen anzugehen", sagt Macaron.
Türkei soll Frankreich bedroht haben
Inzwischen hat der Streit die NATO erreicht. Der Konflikt spielte eine Hauptrolle beim kürzlichen Besuch des türkischen Außenministers Mevlüt Cavusoglu in Berlin. Kurz vor Cavusoglus Reise nach Deutschland war Frankreich mit schweren Vorwürfen an die Türkei an die Öffentlichkeit gegangen. Die Regierung in Paris warf Ankara vor, die Kontrolle des Waffenembargos für Libyen im östlichen Mittelmeerraum zu sabotieren. Türkische Kriegsschiffe richteten nach französischen Angaben ihr Zielradar auf eine französische Fregatte, um die Durchsuchung eines türkischen Frachters zu verhindern – mit anderen Worten: Das NATO-Mitglied Türkei soll den Bündnispartner Frankreich bedroht haben. Zuvor hätten türkische Kriegsschiffe bereits eine griechische Fregatte daran gehindert, den Frachter zu kontrollieren, so der Vorwurf.
Solche Zusammenstöße auf hoher See können leicht in eine militärische Konfrontation umschlagen. Die Türkei und Griechenland standen zuletzt 1996 wegen ungeklärter Gebietsansprüche in der Ägäis am Rande eines Krieges. Auch diesmal ist die Stimmung zwischen den beteiligten Ländern sehr schlecht. Der türkische Außenminister Cavusoglu nutzte eine Pressekonferenz mit seinem deutschen Amtskollegen Heiko Maas Anfang Juli in Berlin für heftige Kritik an Frankreich und anderen Staaten, die in Libyen mit der Türkei konkurrieren.
"Da werden Kampfflugzeuge aus Syrien nach Libyen verlegt, da kommen Flugzeuge aus Abu Dhabi, Frankreich liefert Waffen an General Haftar, obwohl der keinerlei Legitimation besitzt. Doch darüber wird nicht gesprochen. Worüber gesprochen wird, ist das türkische Engagement für die legitime Regierung, hier gibt es wirklich einen Widerspruch."
Was Cavusoglu als Engagement für die Regierung Libyens im Kampf gegen General Haftar sieht, ist aus der Sicht der Gegner der Türkei wie Ägypten und Frankreich ein Verstoß gegen das internationale Waffenembargo für Libyen. Doch diese Einwände will der türkische Außenminister nicht gelten lassen. Bei seinem Besuch in Berlin bezeichnete er die französischen Vorwürfe, die türkischen Schiffe hätten ihr Radar eingeschaltet, als Lüge und forderte eine Entschuldigung.
Drohung mit einer militärischen Intervention in Libyen
"Frankreich hat weder gegenüber der EU noch gegenüber der NATO die Wahrheit gesagt. Der Vorwurf, unsere Schiffe hätten ihr Zielradar eingeschaltet, ist nicht richtig. Wir haben das mit Berichten und Dokumenten bewiesen und diese Papiere der NATO übergeben. Die NATO kennt also die Wahrheit. Statt mit Unterstellungen gegen die Türkei zu arbeiten, sollte Frankreich ein aufrichtiges Geständnis ablegen. Wir erwarten von Frankreich eine Entschuldigung ohne Wenn und Aber."
Wie Frankreich hat auch Ägypten erhebliche Differenzen mit der Türkei. Die Regierung in Kairo steht im Konflikt beim westlichen Nachbarn Libyen wie Frankreich auf der Seite von General Haftar. Präsident Abdel Fattah al-Sisi drohte kürzlich mit einer militärischen Intervention in Libyen, falls die Türkei und die libysche Einheitsregierung wie angekündigt einen Großangriff auf die Hafenstadt Sirte starten sollten.
Die Beziehungen zwischen Kairo und Ankara sind seit Jahren gespannt. Nach der Entmachtung des früheren ägyptischen Staatschefs Hosni Mubarak im so genannten Arabischen Frühling setzte die Türkei auf dessen Nachfolger Mohammed Mursi, einen Vertreter der islamistischen Muslim-Bruderschaft. Die Bruderschaft ist ein ideologischer Verbündeter der türkischen Regierungspartei AKP. Seitdem Mursi 2013 von der Armee gestürzt wurde, gilt die Muslim-Bruderschaft in Ägypten als Terrororganisation. Die Türkei lehnt deshalb jede Zusammenarbeit mit Sisi ab und nennt ihn einen "Putschisten".
Wegen des Dauerstreits mit Recep Tayyip Erdogan will der ägyptische Präsident die Ausbreitung des türkischen Einflusses in Libyen nicht hinnehmen. Bei einem kürzlichen Truppenbesuch an der Grenze zu Libyen rief der ägyptische Präsident Sisi seine Soldaten auf, sich für einen Einsatz in Libyen bereit zu halten.
Die Feindschaft zwischen Sisi und Erdogan wirke sich auch auf den Gasstreit im östlichen Mittelmeer aus, sagt der Nahost-Experte Joe Macaron: "Die türkische Unterstützung für die Muslim-Bruderschaft macht die Beziehungen zwischen Ankara und Kairo sehr komplex. Die Feindseligkeit zwischen beiden Staaten ist die Folge. Dies war eines der Hauptmotive für Ägypten bei der Schaffung der Gas-Allianz mit Israel, Griechenland und Zypern. Der türkische Einfluss nebenan in Libyen ist Ägypten überhaupt nicht recht, weil dadurch die Dynamik des Konflikts in Libyen verändert wird. Allerdings kann Kairo im Moment ohne nachhaltige Unterstützung der USA wenig tun, denn offenbar stellen sich die USA in Libyen auf die Seite der Türkei."
Und dann sind da noch die Supermächte
Die Rivalität zwischen den Supermächten USA und Russland facht die Streitigkeiten im östlichen Mittelmeer weiter an. Die Regierung in Washington betrachtet mit Sorge die Bemühungen Moskaus, nach dem Militäreinsatz in Syrien nun auch in Libyen Fuß zu fassen. Russland unterstützt den Rebellengeneral Haftar, und deshalb halten sich die USA mit Kritik an der türkischen Militärhilfe für die Einheitsregierung in Libyen zurück.
Allerdings gibt es erhebliche Widersprüche in der Haltung der USA im östlichen Mittelmeer. Denn im Streit um das Gas unter dem Meeresboden steht Washington im Lager der Türkei-Gegner.
Nahost-Experte Macaron glaubt deshalb nicht, dass die USA als Vermittler auftreten können: "Es wäre zwar zu hoffen, dass die USA eine Rolle bei den Bemühungen spielen, die Spannungen zu reduzieren. Aber unter Trump kann man kaum voraussagen, was die amerikanische Außenpolitik tun wird. Eigentlich wurde erwartet, dass sich Amerika auf die Seite von Ägypten, Israel, Griechenland und Zypern stellt, weil das zur amerikanischen Strategie passt. Aber jetzt hat sich Trump in Libyen auf die Seite der Türkei gestellt und damit die Dynamik im ganzen östlichen Mittelmeer verändert. Mindestens bis zum Ende des Jahres könnte Trumps Unberechenbarkeit die größte Herausforderung für das östliche Mittelmeer sein."
Da die USA als Vermittler wohl ausfallen, richten sich die Blicke auf Europa. Bei einem Besuch in Ankara versuchte der EU-Außenbeauftragte Borrell vor kurzem, die Möglichkeiten für Kompromisse in den diversen Problemfeldern auszuloten. Doch Borrells Gastgeber, der türkische Außenminister Cavusoglu, machte den Europäern wenig Hoffnung.
Cavusoglu warf der EU vor, sich stets dem Willen von Griechenland und Zypern zu unterwerfen, und drohte mit Gegenmaßnahmen der Türkei: "Wenn Sie sich bei jedem Thema von denen zu Geiseln machen lassen, dann ist das nicht unsere Schuld. Lassen Sie uns ganz offen reden. Dann können Sie nicht sagen, die Türkei sei schuld, oder die Türkei stoße Drohungen aus, und dann sollten Sie auch keine zusätzlichen Sanktionen gegen die Türkei beschließen. Wenn Sie das doch tun, dann gibt es Dinge, die wir tun werden, auf dem Land oder im Mittelmeer, überall. Dann werden wir diese Schritte ohne Zögern tun."
Der Fall Hagia Sophia
Mit der Entscheidung, die Hagia Sophia in Istanbul wieder zu einer Moschee zu machen, hat die Türkei neues Öl ins Feuer gegossen. Der byzantinische Bau aus dem sechsten Jahrhundert war fast tausend Jahre die wichtigste Kirche des Christentums, bevor er nach der osmanischen Eroberung des damaligen Konstantinopel im 15. Jahrhundert zur Moschee wurde. Mustafa Kemal Atatürk, der Gründer der modernen Türkei, erklärte das Gebäude 1934 zu einem religiös neutralen Museum. Doch nun soll in dieser Woche zum ersten Mal seit mehr als 80 Jahren wieder ein islamisches Freitagsgebet in der Hagia Sophia stattfinden.
Auf die Kritik an dieser Entscheidung, vor allem aus dem Ausland, reagierte Präsident Erdogan in einer Fernsehansprache:
"Ich lade alle ein, die Entscheidungen unserer Gerichte und Behörden zur Hagia Sophia zu respektieren. Natürlich haben wir Verständnis für alle Meinungen, die auf internationaler Ebene dazu geäußert werden. Aber es ist ein souveränes Recht der Türkei, darüber zu entscheiden, zu welchem Zweck die Hagia Sophia benutzt wird. Es ist das souveräne Recht unseres Landes, die Hagia Sophia wieder für Gottesdienste zu öffnen. So wie die türkische Republik über ihre Flagge, ihre Hauptstadt, ihre Religion, ihre Sprache, ihre Grenzen und über ihre 81 Provinzen entscheidet, hat sie auch das Recht, über die Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee zu entscheiden."
Der Schritt hat Griechenland erheblich verärgert, denn das Land sieht die Hagia Sophia als Symbol des christlich-orthodoxen Erbes der Region. Die Regierung in Athen kritisierte die Entscheidung der Türkei deshalb als Provokation und Beleidigung. Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis warf Erdogan vor, die Brücken zur westlichen Welt und ihren Werten abzubrechen.
Griechenland steht mit seiner Kritik an der Türkei nicht allein. Bei ihrem Treffen vor kurzem in Brüssel verurteilten die EU-Außenminister die Entscheidung der Türkei zur Hagia Sophia, die nur zu neuem Misstrauen und neuen Differenzen führen werde, wie der Außenbeauftragte Borrell nach der Sitzung mitteilte. "Der Außenministerrat hat die türkische Entscheidung verurteilt, ein solch emblematisches Monument wie die Hagia Sophia wieder zu einer Moschee zu machen. Diese Entscheidung wird unweigerlich das Misstrauen stärken, neue Gräben zwischen religiösen Gemeinschaften aufreißen und unsere Bemühungen um Dialog und Zusammenarbeit untergraben. Es gab breite Unterstützung für einen Aufruf an die türkischen Behörden, diese Entscheidung zu überdenken und rückgängig zu machen."
Immer neues Misstrauen
Der Streit um die Hagia Sophia verheißt nichts Gutes für die anderen Konfliktherde im östlichen Mittelmeer. Derzeit produziert die Region immer neues Misstrauen, statt mit dem Aufbau von neuem Vertrauen zu beginnen. Für Europa wird es schwer, in der aufgeladenen Stimmung und dem Interessengeflecht nach einem Ausgleich zu suchen. Die EU muss nicht nur mit Regionalmächten wie der Türkei und Ägypten sowie mit der Rivalität zwischen den USA und Russland zurechtkommen.
Für eine erfolgreiche Vermittlung zum Beispiel im Libyen-Konflikt müsste die EU zuerst einmal ihre eigenen internen Differenzen beilegen, meint Mittelmeer-Expertin Nebahat Tanriverdi von der Stiftung Wissenschaft und Politik. "Im Moment verfolgt jede europäische Hauptstadt ein eigenes Konzept im Umgang mit der Türkei. Italien versucht einen Ausgleich, während sich Frankreich offen mit der Türkei anlegt. Unterdessen versucht Deutschland, alle Seiten im Libyen-Konflikt an einen Tisch zu bringen. Man kann also kaum sagen, dass es eine gemeinsame europäische Türkei-Politik gibt."
Für Libyen und den gesamten östlichen Mittelmeerraum bedeutet dies, dass die diversen Konflikte weitgehend ungehemmt eskalieren können. Schließlich gibt es genügend Akteure, die in der spannungsgeladenen Situation eine Chance sehen, ihre eigenen Interessen durchzusetzen.