Der Krieg in der Ukraine verstärkt den Status der Gasheizung als Auslaufmodel noch zusätzlich. Denn die Kosten für den Energieträger werden als Folge des Konflikts voraussichtlich immens steigen. Allerdings stehen klimabelastende traditionelle Heizanlagen in Deutschland schon länger auf der roten Liste. Ab dem Jahr 2025 wird der Einbau einer Öl- oder Gasheizung als alleiniges Heizgerät hierzulande praktisch verboten – so steht es mit Änderung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) im Koalitionsvertrag. Das gilt für neue ebenso wie für Bestandsgebäude.
Beim Neubau gibt es längst den Trend hin zu Elektro-Wärmepumpen, die als Heiztechnik der Zukunft gelten. Ihr Vorteil: deutlich bessere Standards in der Wärmedämmung. Das Ende von Gas- und Ölheizung könnte noch schneller als geplant erreicht werden, wenn die Politik diesen Weg stärker unterstützen würde, sagt Stefan Thomas vom Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie. Mit etwas mehr Tempo seitens der Politik könnten nicht nur ein bis zwei Prozent aller Gebäude jährlich wärmegedämmt werden, sondern drei bis vier, erläutert der Fachmann. Thomas hält es für sinnvoll, dass die Wärmedämmung zur Pflicht gemacht wird und jeder Hausbesitzer einen individuellen Sanierungsfahrplan erhält.
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Georg Ehring: Wann kann die Gasheizung der Vergangenheit angehören?
Stefan Thomas: Die Gasheizung könnte schon 2035 der Vergangenheit angehören und die Ölheizung sowieso, wenn folgende Maßnahmen ergriffen würden von der Politik, nämlich zuerst die Wärmedämmung deutlich stärker fordern und fördern als bisher, mit Vorgaben, aber auch mit verstärkter Förderung, so dass nicht wie bisher ein bis zwei Prozent, sondern drei bis vier Prozent der Gebäude pro Jahr wärmegedämmt werden. Dann könnten wir bis 2035 unseren Wärmeverbrauch schon etwa um ein Drittel reduzieren. Und zweitens: Voraussetzung ist natürlich, dass die erneuerbaren Energien im Strom so ausgebaut werden, wie die Bundesregierung es selbst plant, damit wir dann bis 2035 etwa zwei Drittel der Gebäude mit Wärmepumpen beheizen können und die übrigen Gebäude mit grüner Nah- und Fernwärme sowie auch Biomasseheizungen.
Ehring: Die Sanierungsquote ist ja derzeit sehr niedrig und die Sanierung ist eine private Entscheidung von Millionen Hausbesitzerinnen und Hausbesitzern. Wie lässt die sich steigern?
Thomas: Mit einer Kombination aus einer Vorschrift, dass bis 2030 alle Gebäude die Energieklasse D erreicht haben müssen, 2035 C und 2040 B. Und damit das Ganze dann auch wirtschaftlich tragbar ist oder sogar einen Vorteil bringt, muss die Förderung entsprechend weiterentwickelt werden, generell 40 Prozent zunächst mal. Wenn das Ganze dann mit steigenden Gaspreisen und sinkenden Sanierungskosten durch die Erfahrung wirtschaftlicher wird, kann diese Förderung auch wieder reduziert werden.
Hausbesitzer brauchen individuellen Sanierungsfahrplan
Ehring: Das heißt, Sie halten es für möglich, eine Wärmedämmung auch verpflichtend zu machen? Das heißt, ein Hausbesitzer muss dann sein Haus sanieren?
Thomas: Genau! Er muss am besten einen individuellen Sanierungsfahrplan haben, der ihm zeigt, wie er diese Energieklassen in den entsprechenden Jahren erreichen kann, und auch nicht vorschnell irgendwelche Maßnahmen machen, sondern solche, womit am Schluss alle Gebäude diese Klasse B erreicht haben.
Ehring: Klasse B – was ist das?
Thomas: Das kommt aus dem Energieausweis und sagt, dass die Gebäude maximal 75 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr verbrauchen dürfen.
"Eine halbe Million Arbeitsplätze würden geschaffen"
Ehring: Haben wir denn genügend Handwerkskapazitäten, um eine so umfassende Sanierungsoffensive durchzuführen?
Thomas: Das ganze Programm aus Wärmedämmung, Wärmepumpen, Ausbau der Nah- und Fernwärme würde etwa eine halbe Million Arbeitsplätze schaffen oder sichern. Der große Teil davon zusätzlich, aber etwa die Hälfte davon nur in der Bauwirtschaft. Das sind etwa zwölf Prozent der Arbeitskräfte, die gegenwärtig in der Bauwirtschaft tätig sind, oder ein gutes Drittel derer, die für den Neubau eingesetzt werden. Es käme schon darauf an, auch gezielt Aus- und Weiterbildung zu stärken, noch mehr Arbeitskräfte für das Handwerk zu gewinnen, aber wenn es zum Beispiel gelingt, durch intelligentere Nutzung des Gebäudebestands den Bedarf an Neubauten zu verringern, würden auch da Fachkräfte freigesetzt.
Ehring: Wann soll der Einbau von Gasheizungen und Ölheizungen enden?
Thomas: Der Einbau von Gas- und Ölheizungen sollte so schnell wie möglich enden. Die Bundesregierung hat das ja implizit für 2025 vorgesehen. Wir halten es schon für 2024 möglich, weil ja dann die Industrie auch das Angebot von alternativen Heizungen, insbesondere Wärmepumpen entsprechend erst mal hochfahren muss und auch das Handwerk sich darauf einstellen muss, aber 2024 halten wir für möglich. Aber es ist auch wichtig nach unserem Vorschlag, dass ein Umstellungsgebot oder, wenn Sie so wollen, ein Betriebsverbot für Öl- und Gasheizungen, gestuft nach Baualter, bis 2035 geschaffen wird – zusätzlich!
Zusätzliche Investitionen in Höhe von 50 Milliarden Euro
Ehring: Wird das alles nicht viel zu teuer für den Staat? Ist das bezahlbar?
Thomas: Die zusätzlichen Investitionen haben wir mit etwa 50 Milliarden Euro pro Jahr abgeschätzt. Die Förderung, die wir für notwendig halten, sehen wir im Durchschnitt bei gut 20 Milliarden pro Jahr. Das ist natürlich ein enormer Brocken, aber es lohnt sich für die Volkswirtschaft insgesamt und auch für die Haushalte und die Unternehmen, die Energie verbrauchen. Wir schätzen, dass damit im Jahr 2035 eine Nettoeinsparung von über zehn Milliarden Euro pro Jahr erreicht wird. Diese Investitionen des Staates und der Haushalte und der Unternehmen liegen auch in einer Größenordnung, wie sie für den Klimaschutz ohnehin auch in anderen Studien schon abgeschätzt wurden.
Ehring: Was ist Ihr Rat an Menschen, die jetzt sanieren wollen? Sollten sie sofort loslegen, oder auf Förderprogramme warten?
Thomas: Es gibt ja schon Förderprogramme und die Förderprogramme werden gerade neu ausgerichtet. Ich denke, dass man das vorbereiten sollte, zum Beispiel, indem man auch einen solchen individuellen Sanierungsfahrplan sich besorgt. Ich erwarte, dass in wenigen Wochen oder Monaten dann auch die Förderung von der Bundesregierung entsprechend gestaltet sein wird, dass es sich lohnt loszulegen.
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