- Hauptgrund für Preissteigerungen: Importeure müssen russisches Gas teuer ersetzen
- Gasumlage soll Insolvenzen von Importeuren abwenden
- Diskussion um Zahlungen an nicht hilfsbedürftige Unternehmen
- Gas-Speicherung verursacht weitere Kosten
- So möchte die Bundesregierung die Energiepreise für Verbraucher senken
- Diese Kosten kommen auf Verbraucher zu
Hauptgrund für Preissteigerungen: Importeure müssen russisches Gas teuer ersetzen
Hier liegt die Wurzel des Problems: Russland hat seine Gaslieferungen nach Europa seit dem Beginn des Krieges gegen die Ukraine immer weiter reduziert. Gas-Importeure mussten nun Ersatz für das russische Gas suchen – und dafür wesentlich höhere Preise zahlen. Mitte August 2022 wurde Gas in Europa zu mehr als 200 Euro je Megawattstunde gehandelt. Im Vorjahr lag der Preis nur bei etwa 50 Euro.
Für Gas-Importeure bedeutet das hohe Verluste. Denn sie haben mit ihren Kunden oft lange laufende Lieferverträge, in denen auch die Preise festgelegt sind. Sie können also die Preissteigerungen nicht unmittelbar weitergeben.
Der größte deutsche Gas-Importeur Uniper macht laut eigenen Angaben seit Mitte Juni abhängig von den aktuellen Gaspreisen täglich Verluste in großer Bandbreite. Zeitweise lägen sie sogar bei über 100 Millionen Euro, sagte Vorstandschef Klaus-Dieter Maubach bei der Vorlage der Halbjahreszahlen am 17. August in Düsseldorf. Bis zu diesem Zeitpunkt hätten sich Unipers Verluste auf 3,8 Milliarden Euro aufgetürmt (Quelle: Statement Maubach laut Manuskript).
Maubach sagt nach dieser Quelle wörtlich:
"Abhängig von den aktuellen Gaspreisen und den zu beschaffenden Mengen liegen unsere täglichen Verluste in einer großen Bandbreite – zeitweise sogar bei über 100 Millionen Euro. Bis Ende Juni hatten sich bereits Verluste von 400 Millionen Euro aufgebaut und bis heute haben sich Verluste von 3,8 Milliarden Euro aufgetürmt." [*]
Staatliches Rettungspaket für Uniper
Um Uniper zu stützen, hat die Bundesregierung im Juli bereits ein milliardenschweres Rettungspaket geschnürt. Es sieht unter anderem vor, dass der Bund mit 30 Prozent bei dem Unternehmen einsteigt. Ein Darlehen über die staatliche Förderbank KfW wurde auf neun Milliarden Euro erhöht. Davon habe man vor allem für Ersatzbeschaffungen bislang rund fünf Milliarden Euro in Anspruch nehmen müssen, sagte Maubach. Das Paket gebe „Sicherheit für die kommenden Monate“, betonte er. Die Genehmigung des Stabilisierungspaketes sollen die Aktionäre auf einer außerordentlichen Hauptversammlung im Herbst erteilen. Uniper gehört mehrheitlich zum finnischen Fortum-Konzern.
Um Uniper zu stützen, hat die Bundesregierung im Juli bereits ein milliardenschweres Rettungspaket geschnürt. Es sieht unter anderem vor, dass der Bund mit 30 Prozent bei dem Unternehmen einsteigt. Ein Darlehen über die staatliche Förderbank KfW wurde auf neun Milliarden Euro erhöht. Davon habe man vor allem für Ersatzbeschaffungen bislang rund fünf Milliarden Euro in Anspruch nehmen müssen, sagte Maubach. Das Paket gebe „Sicherheit für die kommenden Monate“, betonte er. Die Genehmigung des Stabilisierungspaketes sollen die Aktionäre auf einer außerordentlichen Hauptversammlung im Herbst erteilen. Uniper gehört mehrheitlich zum finnischen Fortum-Konzern.
Gasumlage soll Importeure retten
Um Insolvenzen von Gas-Importeuren zu verhindern, hat die Bundesregierung eine Gasumlage beschlossen. Ab November 2022 können Importeure sich die durch den Wegfall des russischen Gases entstandenen Mehrkosten der Gas-Beschaffung zu 90 Prozent erstatten lassen. Dazu müssen sie einen Antrag beim Unternehmen Trading Hub Europe (THE) stellen. THE ist der sogenannte Marktgebietsverantwortliche für den deutschen Gasmarkt und hält beispielsweise eine Gasreserve vor, um Schwankungen im Markt auszugleichen. THE holt sich das Geld, das über die Umlage an die Gas-Importeure fließt, dann von den Endversorgern, also beispielsweise Stadtwerken, die diese Kosten auf die Endverbraucher umlegen.
Die Umlage soll bis zum 1. April 2024 angewendet werden und beträgt zumächst 2,419 Cent pro Kilowattstunde. Elf Gas-Importeure haben bisher (Stand 22.8.2022) Anträge auf Ausgleichzahlungen aus der Umlage gemeldet, zusammen erwarten sie Mehrkosten von 34 Milliarden Euro bis zum 1. April 2024. Von dieser Summe entfielen mehr als 50 Prozent auf Uniper, sagte Uniper-Chef Maubach am 17. August auf einer Pressekonferenz. Die genaue Summe nannte er nicht.
Diskussion um Zahlungen an nicht hilfsbedürftige Unternehmen
Doch nicht allen Umlage-Empfängern droht aktuell tatsächlich die Insolvenz. Uniper ist wesentlich härter getroffen als andere Gas-Importeure. Zum einen ist Uniper der größte Importeur von Gas, zum anderen hat das Unternehmen vor dem Krieg auch einen deutlich größeren Anteil des Gases aus Russland importiert als die Konkurrenz. In einem "Handelsblatt"-Bericht vom 18.8.2022 heißt es, die wenigsten Unternehmen, die von dem Umlagesystem profitieren sollen, seien auf staatliche Hilfe angewiesen. Teilweise stünden die Unternehmen „ziemlich gut da“. Einige Unternehmen hätten in anderen Geschäftsbereichen sogar von den hohen Energiepreisen profitiert.
Auch von der Verbraucherzentrale und aus den Reihen der Regierungskoalition kam Kritik, Vertreter von SPD und FDP forderten Korrekturen. Inzwischen hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Änderung der geplanten Gasumlage zugesagt. Im Deutschlandfunk räumte der Minister ein, dass es bei der Konzeption der Umlage Fehler gegeben hat. Man habe sich vorrangig darauf konzentriert, ein Zusammenbrechen der Gasversorgung in Deutschland zu verhindern, aber nicht ausreichend auf das Problem der „Trittbrettfahrer“ geachtet. Hier werde man nachbessern, versprach der Grünen-Politiker am 30. August im Dlf.
Einige Importeure wie Shell und RWE haben bereits angekündigt, dass sie bis auf Weiteres auf Anträge für Ausgleichszahlungen verzichten und die Mehrkosten selbst tragen werden. Möglicherweise möchten sie damit einer Debatte über Übergewinnsteuern den Wind aus den Segeln nehmen.
Gas-Speicherung verursacht weitere Kosten
Die Bundesregierung möchte für den Winter Gas-Vorräte anlegen. Zum 1.11.2022 sollen die deutschen Speicher zu 95 Prozent gefüllt sein, um gut über den Winter zu kommen. Mitte August 2022 waren sie bereits zu mehr als 75 Prozent gefüllt.
Das Unternehmen Trading Hub Europe (THE) sorgt dafür, dass Gas auf Vorrat besorgt wird – doch auch das verursacht Kosten. Diese Kosten werden ab dem 1.10.2022 als Gasspeicherumlage in Höhe von 0,059 Cent je Kilowattstunde über die Versorger an die Kunden weitergegeben werden.
Außerdem müssen Gasversorger ab Oktober auf jede von Haushalten und kleinen Firmen verbrauchte Kilowattstunde Erdgas 0,57 Cent für sogenannte Regelenergie zahlen. Bei großen Firmen beträgt die Umlage 0,39 Cent je Kilowattstunde. Regelenergie ist Gas, das eingesetzt wird, um das Gasnetz stabil zu halten. Die Regelenergieumlage gibt es schon mehrere Jahre. Sie wird jedes Jahr neu festgesetzt. Aktuell liegt sie bei null Euro. Hauptgrund für den Anstieg sind laut THE die stark gestiegenen Gaspreise im Großhandel.
So möchte die Bundesregierung die Energiepreise für Verbraucher senken
Um die Belastungen durch steigende Energiekosten für Verbraucherinnen und Verbraucher abzumildern, will die Bundesregierung die Mehrwertsteuer auf Gas vorübergehend senken. Sie soll zeitlich befristet bis Ende März 2024 sieben anstatt 19 Prozent betragen, gab Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am 18. August in Berlin bekannt. Er erwarte von den Unternehmen, dass sie die Steuersenkung eins zu eins an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergeben.
Nach einer Berechnung des Preisvergleichsportals Check 24 kompensiert die Mehrwertsteuersenkung die Mehrkosten durch die Umlagen allerdings nicht vollständig. Bei einem Einfamilienhaus mit einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden (kWh) pro Jahr sorge der ermäßigte Steuersatz für eine Einsparung von 375 Euro pro Jahr.
Schon durch die Gasumlage entstehen dem Haushalt aber Mehrkosten von knapp 518 Euro, die Umlage für Regelenergie schlägt nochmal mit 122 und die Gasspeicherumlage mit 13 Euro zu buche. Mehrkosten in Höhe von 278 Euro bleiben also trotz Steuersenkung am Haushalt hängen.
Diese Kosten kommen auf Verbraucher zu
Kosten durch die Preissteigerungen:
Eine Familie, die in einem Einfamilienhaus mit etwa 150 Quadratmeter lebt, verbraucht im Durchschnitt circa 20.000 Kilowattstunden Erdgas pro Jahr für die Heizung. Nach Berechnungen des Vergleichsportals Check24 zahlte ein solcher Haushalt im August 2022 15,63 Cent pro Kilowattstunde ohne Mehrwertsteuer. Im Vergleich zu August 2021 ist das ein Anstieg um 185 Prozent, also beinahe eine Verdreifachung des Preises. Bei einer Mehrwertsteuer von sieben Prozent kommt man damit auf eine Jahresrechnung von 3.342 Euro.
Das Vergleichsportal Verivox gibt den durchschnittliche bundesweiten Gaspreis im August sogar mit 21,3 Cent/kWh inklusive 19 Prozent Mehrwertsteuer an (Stand 22.08.2022). Bei der Berechnung werden die Bestandskundentarife als auch die Neukundentarife der 30 wichtigsten überregionalen Versorger berücksichtigt. Für einen Durchschnittshaushalt ergibt sich daraus bei einem reduzierten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent eine jährliche Belastung von 3.830 Euro.
Noch teurer wird es für Menschen, die neue Verträge für Gas abschließen müssen. So lang der Durchschnittspreis für Neukundenverträge laut Berechnungen von Verivox im Ausgust 2022 bei 31 Cent/kWh inklusive einer Mehrwertsteuer von 19 Prozent (Stand 22.08.2022). Bei einem reduzierten Mehrwertsteuersatz kommt man damit auf eine Gasjahresrechnung von mehr als 5.500 Euro. Zum Vergleich: Im September 2021 gab es für Neukunden noch Verträge mit einem Preis von unter fünf Cent je Kilowattstunde.
Kosten durch die Umlagen:
Und frühestens ab Oktober kommen dann die Umlagen dazu: Für einen Musterhaushalt mit 20.000 Kilowattstunden Jahresverbrauch sind das Kosten von 635 Euro bei sieben Prozent Mehrwertsteuer. Die Gasumlage macht dabei knapp 518 Euro aus, für Regelenergie und Gasspeicherbefüllung kommen weitere 135 Euro dazu.
Die Gasumlage könnte aber auch erst auf der November- oder gar erst der Dezember-Rechnung für die Endkunden sichtbar werden. Aus Gründen des Verbraucherschutzes müssen die Gasversorger die Umlage vier bis sechs Wochen vorher ankündigen – zum Start der Umlage am 1. Oktober dürfte das für viele zu knapp werden.
Kann die Gasumlage weiter steigen?
Die Gasumlage wird regelmäßig vom Trading Hub Europe berechnet. Sie kann alle drei Monate angepasst werden. Sollte der Gaspreis weiter stark ansteigen, könnte auch die Gasumlage nach oben angepasst werden. Genauso könnte die Gasumlage aber auch sinken, sollte der Gaspreis fallen und die Gas-Beschaffung auf dem Markt für die Unternehmen wieder günstiger werden.
Was ist mit Kunden mit Festverträgen?
Bislang ist unklar, wie mit Kunden verfahren wird, deren Verträge Festpreise für einen bestimmten Zeitraum garantieren. Aus dem Wirtschaftsministerium hieß es dazu bisher, dass dies geprüft werde. Der Bundesverband der deutschen Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und der Verband kommunaler Unternehmen warnte in einem Brief an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) davor, dass die Preisanpassungen gegenüber Kunden mit Verträgen ohne Anpassungklausel bis zum 1. Oktober nicht durchgesetzt werden könnten. Das betreffe durchschnittlich rund 25 Prozent der Haushaltskunden und des Kleingewerbes, bei einigen Versorgern sogar deutlich mehr. Auch eine Klagewelle von Kunden mit Festverträgen wird nicht ausgeschlossen.
Was kommt auf Fernwärmekunden zu?
In Deutschland heizen laut der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen rund 14 Prozent der Haushalte mit Fernwärme. Die Fernwärme wiederum entsteht fast zur Hälfte durch das Verbrennen von Gas. Fernwärmekunden sind bisher allerdings noch nicht von der Umlage erfasst, so das Bundeswirtschaftsministerium. Dieser Aspekt werde derzeit noch geprüft.
[*] Wir haben eine missverständliche Zahlenangabe zu Unipers täglichen Verlusten korrigiert.
Quellen: Sandra Pfister, Bundeswirtschaftsministerium Trading Hub Europe, Check 24, Verivox, dpa, AFP, Reuters, pto