Bundestagsbeschluss
Was die Einführung von Gas- und Strompreisbremse für Verbraucher bedeutet

Mit einer Gas- und Strompreisbremse sollen Haushalte und Unternehmen im kommenden Jahr entlastet werden. Zugleich erhöhen Energieversorger ihre Preise teils drastisch. Verbraucher bekommen die Möglichkeit, sich dagegen zu wehren.

    Qualmender Schornstein eines Einfamilienhauses
    Der Bundestag beschließt heute die Gesetze zur Strom- und Gaspreisbremse. Es geht um sehr viel Geld. (imago / photothek / Thomas Imo)
    Nach dem Bundestag hat auch der Bundesrat die Gesetze zu den Energiepreisbremsen gebilligt (16.12.2022). Dadurch sollen die Folgen der stark gestiegenen Preise für Bürgerinnen und Bürger und Unternehmen abgefedert werden. Für private Haushalte sowie kleine und mittlere Firmen sollen die Bremsen ab März gelten, für Januar und Februar ist eine rückwirkende Entlastung geplant. Um Anreize zum Einsparen beizubehalten, gelten sie aber jeweils nur für einen Teil des Verbrauchs. Härtefallregelungen sind für Nutzer von Heizöl, Pellets, Flüssiggas oder auch von Kaminöfen vorgesehen.
    Zunächst werden die Energiekosten für viele Verbraucherinnen und Verbraucher zum 1. Januar noch einmal steigen – zum Teil drastisch. Laut den Vergleichsportalen Check24 und Verivox haben schon hunderte Versorger Ankündigungen für Preisanhebungen verschickt, im Schnitt betrügen diese zwischen 54 und 60,5 Prozent. Um zu verhindern, dass Energieversorger im Schatten der Staatshilfe mit überzogenen Tarifsprüngen Kasse machen, enthält das geplante Gesetz zu den Preisbremsen auch ein "Missbrauchsverbot", sprich eine Art "Abzockbremse".

    Welche Entlastungen bringen Gas- und Strompreisbremse?

    Die geplanten Entlastungen greifen wegen technischer Umstellungen bei den Energieversorgern ab März 2023 und sind zunächst bis April 2024 befristet. Bürger und kleinere Unternehmen werden aber auch für Januar und Februar 2023 entlastet, indem im März die Vergünstigungen für die beiden vorherigen Monate rückwirkend mit angerechnet werden. Gas darf dann nicht teurer als 12 Cent pro Kilowattstunde werden; Fernwärme nicht teurer als 9,5 Cent. Für Industrieriesen gilt die Regelung ab Januar 2023.
    Die Gaspreisdeckel gelten allerdings bei Haushalten und kleineren Unternehmen nur für 80 Prozent des erwarteten Verbrauchs.(*) Maßgeblich ist der im September 2022 prognostizierte Jahresverbrauch. Wer mehr als das subventionierte Kontingent benötigt, muss für jede weitere Kilowattstunde die vertraglich vereinbarten, teils wesentlich höheren Preise zahlen. Auf diese Weise sollen Anreize zum Energiesparen entstehen.
    Beim Strompreis gilt: Haushalte und kleinere Unternehmen erhalten 80 Prozent des bisherigen Verbrauchs zu einem garantierten Bruttopreis von 40 Cent pro Kilowattstunde. Alles darüber wird entsprechend der aktuellen Marktpreise teurer. Die Bundesregierung informiert in einem Überblickspapier genauer über die Maßnahmen.
    Brutto bedeutet inklusive Steuern, Abgaben, Umlagen und Netzentgelte. Derzeit liegt der Bruttopreis laut Vergleichsportalen im Schnitt bei fast 43 Cent pro Kilowattstunde. Durch die von mehreren Versorgern angekündigten Preiserhöhungen zum 1. Januar 2023 dürfte er jedoch in Richtung der 50-Cent-Marke und sogar darüber steigen. Von der Preisdeckelung für Privathaushalte und kleine Unternehmen sollen auch Pflege-, Forschungs- und Bildungseinrichtungen profitieren.
    Für die Industrie gelten bei den Preisbremsen eigene Grenzen und Preisdeckel. Der Preis für Firmen ab einem Gasverbrauch von 1,5 Millionen Kilowattstunden pro Jahr wird bei sieben Cent gedeckelt, und zwar für 70 Prozent des Verbrauchs im Jahr 2021. Diese industrielle Gaspreisbremse gilt für rund 25.000 Unternehmen und etwa 1.900 Krankenhäuser. Für Strom sollen Industriekunden für 70 Prozent ihres Verbrauchs - gemessen im Jahr 2021 - maximal 13 Cent zuzüglich Steuern, Abgaben und Umlagen bezahlen.
    Neben den Bremsen hat das Kabinett auch Neuregelungen verabschiedet, die Verbraucher, die ihre Energiekosten nicht bedienen können, künftig besser vor Strom-und Gassperren schützen sollen. Demnach werden Energieanbieter dazu verpflichtet, den Kunden vor der Verhängung von Sperren eine Ratenzahlung ihrer Rückstände anzubieten.
    Verbraucherschützer halten die Preisbremsen trotzdem für unzureichend und fordern stattdessen ein System von Direktzahlungen. So käme man weg vom „Gießkannen“-Prinzip und unterstütze gezielt diejenigen, die die Hilfeleistung am nötigsten brauchten.
    Bewohner von schlecht isolierten Häusern müssen trotz Gaspreisbremse unter bestimmten Umständen fast sieben Mal so viel für Gas zahlen wie Bewohner gut isolierter Häuser. Zu diesem Ergebnis kommt eine Berechnung der Initiative Klimaneutrales Deutschland.

    Wie sollen Verbraucher vor Abzocke geschützt werden?

    Verbraucherschützer und Vergleichsportale berichten über eine Welle teils drastischer Strompreiserhöhungen zum Jahreswechsel. Dem Vergleichsportal Check24 sind bereits mehr als 580 Fälle von Strompreiserhöhungen in der Grundversorgung zum Jahreswechsel bekannt geworden. Die Preissteigerungen fallen regional sehr unterschiedlich aus, können in der Spitze jedoch mehr als 100 Prozent betragen. Etwa in München, wo die Stadtwerke in der Grundversorgung statt bisher 25 Cent ab Neujahr 61,9 Cent pro Kilowattstunde berechnen.
    Solche drastischen Erhöhungen könnten jedoch illegal sein. Das Bundeswirtschaftsministerium wies darauf hin, dass die Gesetze zu den Energiepreisbremsen auch ein "Missbrauchsverbot" beinhalten. Versorgungsunternehmen dürfen demnach 2023 nur höhere Beschaffungskosten an ihre Kunden weitergeben. Überprüft werden soll dies durch das Kartellamt. Anders als sonst üblich liegt die Nachweispflicht jedoch nicht bei der Behörde, sondern bei den Unternehmen. Sie müssen bei geplanten Preiserhöhungen beim Bundeskartellamt "nachweisen, dass die Erhöhung sachlich gerechtfertigt ist, etwa weil die Beschaffungskosten deutlich gestiegen sind", erklärte das Ministerium.

    Was kann man bei Preiserhöhungen tun?

    Verbraucherinnen und Verbraucher erhalten die Möglichkeit, sich auf Grundlage des „Missbrauchsverbots“ gegen Preiserhöhungen bei Strom und Gas zu wehren. Bei Meinungsverschiedenheiten über die Berechtigung einer Preiserhöhung könnten sich Betroffene an die Beratungsstellen der Verbraucherzentralen wenden oder anderweitig rechtliche Beratung suchen, empfahl das Bundeswirtschaftsministerium.
    Die Chefin des Bundes der Energieverbraucher, Leonora Holling, riet den Kundinnen und Kunden zum Widerspruch. "Verbraucher dürfen die Zahlung der Erhöhung zurückhalten", sagte sie der "Bild"-Zeitung. Die geplanten Erhöhungen stünden nicht im Verhältnis zur Preisentwicklung an der Börse. "Wir raten Verbrauchern, Widerspruch einzulegen." Die Dlf-Rechtsexpertin Gudula Geuther sieht diese Vorschläge aber kritisch. Die Erhöhung nicht zu zahlen, sei keine gute Idee.

    Wie funktioniert die Einmalzahlung im Dezember?

    Bei Gas und Fernwärme entfällt für Privathaushalte im Dezember 2022 die Pflicht, die vertraglich vereinbarte Voraus- oder Abschlagszahlung zu leisten. Profitieren sollen darüber hinaus auch kleinere Unternehmen mit einem Jahresverbrauch von weniger als 1,5 Millionen Kilowattstunden. Bestimmte Einrichtungen im Pflege- und Bildungsbereich, etwa Kitas und die Jugendhilfe sowie in der medizinischen Versorgung, erhalten die Soforthilfe auch dann, wenn ihr Verbrauch höher ist.
    Verbraucherinnen und Verbraucher, die direkte Verträge mit den Gasversorgern haben, werden von der Dezember-Abschlagszahlung befreit. Die Höhe der Entlastung wird auf der Grundlage von einem Zwölftel des Jahresverbrauchs errechnet, den der Versorger für einzelne Kundinnen und Kunden im September 2022 prognostiziert hatte, sowie des Gaspreises vom Dezember. So sollen die zum Jahresende teils deutlich gestiegenen Preise mitberücksichtigt werden.
    Bei Fernwärme gilt ein vereinfachtes Verfahren: Hier werden der Betrag der Septemberrechnung und ein „pauschaler Anpassungsfaktor“ herangezogen, der die Preissteigerungen bis Dezember beinhaltet.
    Bei Mietverhältnissen, in denen die Versorgung über den Vermieter läuft, wird die Dezember-Entlastung erst mit der nächsten jährlichen Heizkostenabrechnung weitergegeben. Das kann dauern: Vermieter haben ein Jahr Zeit, um die Abrechnung zu erstellen und vorzulegen. Vermieter müssen allerdings schon in diesem Dezember über die geschätzte Gutschrift informieren. Wie hoch die Entlastung tatsächlich ist, erfahren Mieter im ungünstigsten Fall aber erst im Dezember 2023. Sonderfälle sind Mieterinnen und Mieter, die in den vergangenen neun Monaten eine Erhöhung der Betriebskosten erhalten haben. Sie müssen den Erhöhungsbeitrag im Dezember nicht bezahlen.

    Wie sollen die Entlastungen finanziert werden?

    Die Strom-, Gas-und Wärmepreisbremsen bedeuten erhebliche Belastungen für die Staatskasse und dürfte die Steuerzahler rund 54 Milliarden Euro kosten. Sie sind Teil eines Abwehrschirms mit einem Gesamtvolumen von 200 Milliarden Euro. Die dafür nötigen Kredite werden dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) zugerechnet, einem Sonderfonds, der 2020 zur Bewältigung wirtschaftlicher Folgen der Corona-Pandemie eingerichtet worden war, zuletzt aber nicht mehr aktiv genutzt wurde.
    Die Strompreisbremse soll darüber hinaus teilweise über eine Abschöpfung sogenannter Zufallsgewinne finanziert werden. Das betrifft etwa Produzenten von "günstigem" Strom aus Sonne, Wind, Atomkraft oder Braunkohle, die von den hohen Strompreisen an der Börse profitieren. Dieser wird immer durch den teuersten Stromproduzenten bestimmt, derzeit sind das Gaskraftwerke. Zufallsgewinne sollen laut Kabinettsbeschluss zum 1. Dezember abgeschöpft werden und nicht wie ursprünglich geplant bereits rückwirkend zum 1. September.
    FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler mahnte, bei der Erlösabschöpfung müssten neue Anlagen für Erneuerbare Energie ausgenommen werden. Die Preisbremse dürfe keine Investitionsbremse werden. Spätestens zum 30. April 2024 soll laut Gesetzentwurf mit der Gewinnabschöpfung Schluss sein.
    Quellen: Gudula Geuther, Volker Finthammer, dpa, AFP

    [*]: An dieser Stelle haben wir die Berechnung des Entlastungskontingents bei der Gaspreisbremse korrigiert.