Ein Jahr Energie-Sparen
Was hat der EU-Gasnotfallplan gebracht?

Nach Russlands Angriff auf die Ukraine war innerhalb der EU die Sorge vor Gas-Engpässen groß. Die EU hat sich dagegen vor einem Jahr mit einem Notfallplan gewappnet. Eine Bilanz.

Rohre für die Europäische Gas-Anbindungsleitung Eugal liegen nahe Radeland im Landkreis Teltow-Fläming auf einer Trasse am Waldrand.
Seit einem Jahr gibt es in der EU einen Notfallplan Gas. (picture alliance / dpa / dpa-Zentralbild / Soeren Stache)
Die EU-Kommission und einige EU-Mitgliedsstaaten rechneten nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine mit dem Schlimmsten. „Russland erpresst uns, Russland nutzt Energie als Waffe“, sagte damals EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die EU müsse deshalb vorbereitet sein. Das Ergebnis dieser Vorbereitungen war der Gasnotfallplan, der am 09.08.2022 auf den Weg gebracht wurde. Was hat er gebracht?
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Was beinhalt der Gasnotfallplan?

Der Gasnotfallplan sieht vor, dass die EU-Staaten ihren Gasverbrauch um 15 Prozent senken im Vergleich zum durchschnittlichen Verbrauch in den fünf Jahren zuvor. Mit welchen Maßnahmen die einzelnen Mitgliedsstaaten dieses Ziel erreichen, das kann jedes Land für sich entscheiden – beispielsweise mit einem eigenen nationalen Notfallplan. So geschehen beispielsweise in Deutschland.
Wenn die Einsparmaßnahmen auf freiwilliger Basis nicht ausreichen, dann kann ein Alarm-Mechanismus die Staaten zum Gas-Sparen zwingen. Der Alarm kann auf Antrag von fünf Mitgliedsstaaten ausgerufen werden. Tritt dieser Fall ein, muss die EU-Kommission entsprechende Notstands-Maßnahmen auf den Weg bringen.
Der Gasnotfallplan beinhaltet auch, dass sich die Mitgliedsstaaten in einer solchen Notlage gegenseitig mit Gaslieferungen aushelfen.

Wo steht die EU beim Gassparen?

Von dem konkreten Alarm-Mechanismus war die EU bisher weit entfernt. Insgesamt ist der Gasverbrauch von August 2022 bis Anfang dieses Jahres um 19 Prozent gesunken. Im ersten Quartal dieses Jahres lag die Einsparung bei 18 Prozent. Das Sparziel von 15 Prozent wurde also bisher übererfüllt.
Laut einer Analyse der Brüsseler Denkfabrik Bruegel hat das mehrere Gründe. Demnach hat zunächst die Industrie den Verbrauch reduziert. Danach haben auch die Haushalte gespart. Hinzu kommt aber auch der vergleichsweise milde Winter, in dem nicht so viel geheizt werden musste.
Eine Grafik über Füllstünde in der Europäischen Union auf Tagesbasis vom 01.03.2022 bis zum 07.08.2023
Füllstünde in der Europäischen Union auf Tagesbasis vom 01.03.2022 bis zum 07.08.2023 (Statista)
Die EU-Staaten haben nicht nur den Verbrauch reduziert, sie haben sich in den vergangenen Monaten auch ganz entscheidend aus ihrer Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen gelöst. Vor dem Krieg in der Ukraine kam rund die Hälfte der Gaslieferungen in die EU aus Russland. Im Frühjahr dieses Jahres waren es nach Angaben der EU-Kommission nur noch acht Prozent. Die Kommission betrachtet die EU damit inzwischen als weitgehend unabhängig von russischem Gas-Importen.

Wie hat sich der Gasverbrauch in Deutschland entwickelt? 

In Deutschland ist der Gasverbrauch prozentual noch deutlicher zurückgegangen als im EU-Durchschnitt. Laut einer Studie der Berliner Hertie School haben Privathaushalte, die Industrie und die Kraftwerke den Verbrauch in der zweiten Jahreshälfte des vergangenen Jahres um fast ein Viertel reduziert. Laut den Autoren der Studie lag das nicht nur am Wetter oder einer schwachen Konjunktur, sondern an den hohen Preisen. Diese hätten motiviert zu sparen und auf andere Energieträger auszuweichen.
Deutschland hat sich bei den Gaslieferungen auch breiter aufgestellt. Die wichtigsten Lieferanten für Erdgas nach Deutschland sind derzeit Norwegen, Belgien und die Niederlande. Vor dem Ukraine-Krieg war Russland Deutschlands wichtigster Gaslieferant.

War der Gasnotfallplan überhaupt nötig?

Ein Notfallplan ist eine Vorsorge für eine Ausnahmesituation. Diese ist die befürchtete Gasmangellage zum Glück nicht eingetreten. Laut der der Denkfabrik Bruegel hatte der Plan aber einen ganz entscheidenden Effekt. Dadurch wurde verhindert, dass sich die Staaten mit staatlichen Subventionen gegenseitig die Gasspeicher leer kaufen.
Dazu ist es nicht gekommen – stattdessen sind die Speicher in Deutschland und der EU gut gefüllt. Die EU-Staaten sind mit dem Notfallplan zufrieden. Eigentlich sollte er nur bis März 2023 laufen. Die EU hat sich aber im Frühjahr 2023 entschlossen den Plan bis zum März 2024 zu verlängern. Die Hoffnung bleibt, dass der Ernstfall weiter nicht eintritt. Der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, zeigte sich nach dem Endes des sogenannten Speicherjahres am 31. März optimistisch: Auch den Winter 2023/24 werde man mit vollen Speichern starten, sagt er der Deutschen Presse-Agentur.
Sebastian Moritz, Statista, nm