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Gasstreit Ukraine-Russland
"Die Zeichen stehen auf grün"

Nachdem sich die Ukraine im Gasstreit mit Russland bewegt habe, sei es an Moskau, den Gaspreis für Kiew zu senken, sagte Friedbert Pflüger, Direktor des European Centre for Energy and Resource Security, im DLF. Dass beide Seiten miteinander verhandelten, sei "ein wirklicher Hoffnungsschimmer".

Friedbert Pflüger im Gespräch mit Petra Ensminger |
    Jürgen Zurheide: Mindestens auf einem Gebiet hat es gestern leichte Entspannungen gegeben gestern zwischen der Ukraine und Russland. Es geht um den Gasstreit. Dort hat es ja Verhandlungen in Berlin gegeben, die EU-Energiekommissar Günther Oettinger in erster Linie geführt hat und erste Zeichen deuten auf Entspannung hin. Die Ukrainer wergen 786 Millionen Dollar bezahlen. Über dieses Thema hat meine Kollegin Petra Ensminger gestern mit Friedbert Pflüger geredet, dem Direktor des European Centre for Energy and Resource Security in London. Die erste Frage an ihn war: Wird denn der Gashahn jetzt zugedreht oder ist das möglicherweise vorbei?
    Friedbert Pflüger: Voraussichtlich nicht. In der Tat sah es am Mittwoch so aus. Wir hatten am Mittwoch in Berlin eine Konferenz mit dem ukrainischen Ministerpräsidenten und dort hat er sehr scharfe Forderungen gestellt, und es sieht so aus, dass es Günther Oettinger gelungen ist, es sieht so aus, dass man einem Kompromiss näher gekommen ist. Jedenfalls hat Naftogaz 800 Millionen Dollar auf den Weg gebracht als Anzahlung für die bisher ausstehenden Schulden in Russland. Das war immer eine Forderung der russischen Seite, damit müsse die Ukraine den guten Willen beweisen. Jetzt wird man am Montag weiterverhandeln. Es geht jetzt um einen fairen Preis. Und nachdem sich jetzt die Ukraine bewegt hat mit dieser Anzahlung und auch damit, dass man darauf verzichtet, das Thema Krim in diesen Verhandlungen zu thematisieren, ist es jetzt auch an der russischen Seite, beim Gaspreis sich zu bewegen. Also die Zeichen stehen auf grün.
    Petra Ensminger: Über den Preis werden wir gleich noch reden. Sie haben es angesprochen: die Spannungen zwischen der Ukraine und Russland sind enorm. Die Angaben mit den 786 Millionen US-Dollar, die da zur Begleichung von Gasschulden jetzt überwiesen worden sein sollen, die stammen unter anderem vom Energiekommissar Oettinger, den Sie schon angesprochen haben. Aber eingegangen ist das Geld tatsächlich noch nicht. Russland hat bereits gesagt, wir warten jetzt darauf. Bis Montagnachmittag muss es dann da sein, andernfalls wird der Gasfluss gestoppt. Was würde das denn überhaupt bedeuten?
    Pflüger: Wenn der Gasfluss gestoppt wird, wäre es eine weitere Eskalation der Situation, die ja durch die Gewalt in der Ostukraine in den letzten Tagen sich schon sehr zugespitzt hat, und das würde natürlich bedeuten, dass über kurz oder lang es auch Lieferprobleme in Richtung Deutschland geben könnte - nicht jetzt in den guten Sommermonaten, noch sind die Speicher gefüllt, aber wenn dann der Winter käme, wäre das verheerend. Umgekehrt muss man sagen: Wenn es jetzt klappen sollte, wäre dieser Gaskompromiss zwischen Russland und der Ukraine, ausgehandelt durch den zuständigen EU-Kommissar, der wahrscheinlich bei Weitem positivste Beitrag zur Beilegung der Krise zwischen Russland und der Ukraine in den letzten Monaten, also ein wirklicher Hoffnungsschimmer.
    "Beide Seiten versuchen, ins Gespräch zu kommen"
    Ensminger: Oettinger als CDU-Politiker, der CDU, der Sie ja lange auch vorstanden im Bund, Oettinger selbst sagt: Sollte das Geld eingehen, macht das eine Lösung wahrscheinlicher. Aber das klingt nicht so, als sei er sich sehr sicher, dass es tatsächlich klappt. Wie sehr kann man sich denn auf die Verhandlungspartner angesichts dieser schwierigen Situation zwischen den beiden auch verlassen?
    Pflüger: Das kann man natürlich letztlich nicht. Deswegen ist das offen und bleibt zu hoffen. Jetzt muss man abwarten, ob es wirklich gelingt. Aber wir sollten auf der anderen Seite jetzt auch zur Kenntnis nehmen: Da bewegt sich was, da tut sich was, da versuchen offenbar beide Seiten, ins Gespräch zu kommen. Auch letzten Mittwoch der Vertreter Russlands, der Vorsitzende des Energieausschusses der Duma, Gratschow, auch er war in der Tonlage sehr konstruktiv und sagte, wenn wir jetzt dieses Thema der Altschulden weghaben vom Tisch, dann können wir zu einer ganz neuen Periode der Zusammenarbeit kommen und dann wird die Ukraine den Gaspreis bekommen, den auch die EU bekommt. Und ich sage jetzt mal unabhängig von allen parteipolitischen Dingen: Ich glaube, es ist ein großer Fortschritt, dass hier Verhandlungen geführt werden und die EU am Tisch ist, und das zeigt, wir kommen auch der Situation ein bisschen näher, wo nicht mehr jedes Land der EU seine eigene Energiepolitik macht, sondern wo wir so etwas wie eine einheitliche europäische Energiepolitik bekommen.
    Ensminger: Aber das Thema Altschulden ist tatsächlich ja noch nicht vom Tisch. Der russische Energieminister will ein Gesamtpaket und darin festgezurrt auch nicht nur der Preis für künftige Lieferungen, sondern auch Fristen zur Tilgung der Restschulden. Nun muss man sagen, es geht hier um Milliardenbeträge, die die Ukraine ja so gar nicht hat.
    Pflüger: Genau. Es geht um 5,2 Milliarden Forderungen von russischer Seite. Jetzt verhandelt man über die Raten, die die Ukraine leisten kann. Sie wird dabei auch auf Unterstützung etwa vom Internationalen Währungsfonds und der EU angewiesen sein. Es geht auch um das ganz wichtige Thema, wenn die Ukraine wirklich einen günstigen Preis eingeräumt bekommt von der russischen Seite, etwa die 268 Dollar für 1000 Kubikmeter, die man in der Zeit der Vorgängerregierung hatte, dann könnte sie ja dieses Gas theoretisch an andere Länder weiterverkaufen. Auch da muss gesorgt werden dafür, dass es eine Regelung gibt. Aber es scheint so, dass es sich doch in diese Richtung bewegt.
    Ensminger: Noch beruft sich Russland auf einen ja immerhin nach dem Gasstreit vor fünf Jahren vertraglich festgelegten Preis von 485 Dollar pro 1000 Kubikmetern. Warum soll das Land überhaupt davon abweichen?
    Pflüger: Nun, die Russen haben damals auch gesagt, wenn vernünftig bezahlt wird, dann gibt es Rabatte. Es ist dann nicht so bezahlt worden, wie sich die Russen das vorgestellt haben, und dann haben die Russen diese Rabatte wieder weggenommen, und jetzt könnte man natürlich zu diesem Zustand wieder kommen. Der Preis wird irgendwo so zwischen 350 und 390 liegen, das jedenfalls wird vermutet. Also da ist man schon sehr weit und den bisschen guten Willen, den es jetzt noch braucht, um wirklich den Knoten durchzuschlagen, den sollten wirklich beide Seiten auch jetzt investieren, sich jetzt wirklich zu einem solchen Kompromiss aufzuraffen.
    Ensminger: Die Einschätzung von Friedbert Pflüger, ehemals CDU-Bundesvorstand, jetzt in der Unternehmensberatung und Direktor des European Centre for Energy and Resource Security am Kings College in London.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.