Der Bundespräsident hat eine ganz eigene Agenda. Die Gräueltaten der deutschen Besatzer im Zweiten Weltkrieg will er bei seinem Staatsbesuch in Griechenland verurteilen. Herzlichkeit und Mitgefühl trägt er zur Schau: Von der Terrasse der Akropolis lässt Joachim Gauck seinen Blick lange über das frühlingshafte Athen schweifen. Das deutsche Staatsoberhaupt gerät ins Schwärmen; er erinnert sich an seinen Griechisch-Unterricht als Schüler in der DDR. Ein unerreichbares "Sehnsuchtsbild" sei die Akropolis damals für ihn gewesen.
Der griechische Präsident Karolos Papoulias stört Gaucks Romantik nur ungern, doch in seinem Land wird über ganz andere Themen gesprochen, wenn es um Deutschland geht. Papoulias kommt zur Sache: Der 84-Jährige, der als jugendlicher Partisan gegen die deutschen Nazi-Besatzer gekämpft hatte, wirft die Frage deutscher Kriegsreparationen auf. Dieses Problem müsse nun endlich in Verhandlungen gelöst werden, sagt Papoulias seinem Gast. Nicht-Regierungsorganisationen in Griechenland schätzen die Forderungen auf bis zu 160 Milliarden Euro, eine von den Nazis erhobene Zwangsanleihe auf mehrere Milliarden Euro. Die Nazis hatten sie noch 1945 auf knapp 500 Millionen Reichsmark beziffert. "Griechenland hat diese Forderungen nie aufgegeben", sagte Papoulias.
Doch Gauck blockt Papoulias Forderung ab. "Der Rechtsweg dazu ist abgeschlossen", sagt er. "Ich werde mich dazu nicht äußern. Und ganz gewiss nicht anders als meine Regierung." Deutschland sei aber bereit, die moralische Schuld anzuerkennen und tatkräftig Hilfe zu leisten. Das Deutsche Reich hatte Griechenland 1942 besetzt und zu einer zinsfreien Zwangsanleihe von rund 480 Millionen Reichsmark genötigt. Dieses Darlehen wurde nicht zurückgezahlt. "Lassen wir nicht zu, dass mit alten Aufrechnungen alter Groll angefacht wird", sagte der Bundespräsident mit Blick auf Stereotypen, die während der Finanzkrise wiederbelebt wurden. Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde noch vor einigen Monaten mit Hitler-Bärtchen und in SS-Uniform verhöhnt.
Geld für die Zukunft
Der Bundespräsident kündigte die Schaffung eines "Zukunftsfonds" an, mit dem Erinnerungsarbeit gefördert werden soll. Den Deutschen solle bewusst gemacht werden, wie viel von den Verbrechen ihrer Vorfahren vergessen worden ist. Auch ein deutsch-griechisches Jugendwerk solle die Freundschaft zwischen beiden Ländern vertiefen. Gauck rief Griechenland auf, trotz der harten sozialen und wirtschaftlichen Einschnitte am Reformkurs festzuhalten. "Die Regeln für den Ausweg aus der Krise sind keine Willkür und erst recht kein 'Diktat' von außenstehenden Akteuren", sagte der Bundespräsident.
Bei seinem Besuch in dem nordwestgriechischen Ort Lingiades wolle Gauck die Schuld der Deutschen für Verbrechen während der Besatzungszeit anerkennen. In Lingiades waren bei einem Massaker der Wehrmacht 1943 über 80 Menschen ums Leben gekommen. Gauck wird auch der zahlreichen jüdischen Opfer der Deutschen in Griechenland gedenken.
Nachlieferung zur deutsch griech. Freundschaft (fehlte vorhin das Bild) pic.twitter.com/SZHGW7eWmT— Stephan Detjen (@stephandetjen) March 6, 2014