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Gauck erlebt Aufbruchstimmung in Brasilien

Bundespräsident Joachim Gauck und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt besuchen Brasilien. Großes zivilgesellschaftliches Engagement in den Elendsvierteln und junge Musiker machen dort Hoffnung - aber auch die Aufarbeitung der Militärdiktatur.

Von Burkhard Birke |
    "Drogas, drogas y armas…"

    Drogen und Waffen waren das Problem. Jetzt sei es ruhig auf dem Morro dos Prazers: In den engen Gassen hoch über den breiten Prachtstraßen der pulsierenden Metropole Rio. Seit Februar 2011 sorgen die Polizistin Juliana und ihre knapp 150 Kollegen der UPP, der friedensstiftenden Truppe, in dieser Favela für Ordnung. 32 wurden befriedet von knapp 700 Favelas in ganz Rio.
    Die Kriminalitätsrate sinkt, aber von sehr hohem Niveau:

    "2008 fielen in Brasilien 7000 junge Menschen der Gewalt zum Opfer. Die meisten von ihnen sind junge Schwarze. In Rio hat sich die Lage erheblich verbessert. Dennoch gibt es immer noch sehr viele Morde in Brasilien."

    Auch deshalb gehen Luciana Phebo von UNICEF und ihre Helfer in die Viertel, versuchen mit den Menschen vor Ort für sie die Not zu lindern. Gesundheitsberatung, Mobilität, Schule … und Ökologie. Mit Jugendlichen versucht sie über eine Mapping-Studie die Müll- und andere Probleme akuter Umweltverschmutzung und von Erdrutschgefahr auf dem Morro in den Griff zu bekommen:

    "Und was mich besonders freut, dass hier ein großes zivilgesellschaftliches Engagement ist, aber dass alle auch zusammenarbeiten und nicht jeder für sich, das finde ich toll."

    Daniela Schadt verschafft sich vor Ort einen Überblick über die Arbeit von UNICE, für die sie in guter First-Lady-Manier die Schirmherrschaft übernommen hat. Morro dos Prazeres ist ein Beispiel für gelungene Befriedung: Ein zweites, die Comunidade Dona Marta besuchte sie später gemeinsam mit Joachim Gauck.

    Mit Musik geht im wahrsten Sinne des Wortes alles besser: Slumkinder lernen und spielen Geige und Cello.

    Gauck: "Und das Schöne ist, dass dieses Erlernen eines Instrumentes und das gemeinsame Musizieren nicht nur Kultur ist, sondern es ist gleichzeitig ein sozialer Kitt."

    Neue Geigen für die Kinder, ein 1000-Euro-Scheck vom Präsidenten und für den Präsidenten der Eindruck:

    "Ich bin total überrascht, was wir hier an Aufbruchstimmung erlebt haben. Es zeigt, dass man etwas verändern kann, obwohl es jahrzehntelang ein Ort des Schreckens und der Angst war."

    Es regiert das Prinzip Hoffnung, denn die Not zu beseitigen, die Probleme der Vergangenheit aufzuarbeiten, ist kein leichtes Unterfangen. Das hat der Bundespräsident auch bei seinem Gespräch mit Vertretern der Wahrheitskommission gespürt:

    "Man sieht hier einfach die unbedingte Notwendigkeit, auch nach so vielen Jahren noch ein Bewusstsein zurückzuholen in die Mitte der Gesellschaft, dass Demokratie nicht selbstverständlich ist, dass sie bedroht ist und immer wieder bedroht werden."

    Die erst voriges Jahr eingesetzte Kommission soll die ca. 400 Morde und anderen Verbrechen der weit zurückliegenden Militärdiktatur aufarbeiten und einen Mentalitätswandel heute provozieren.

    Der Bundespräident bot die Hilfe deutscher Experten an und will prüfen lassen, ob der Bitte von Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff nach Herausgabe deutscher Unterlagen zur Militärdiktatur entsprochen werden kann.