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Gauck in Griechenland
Symbolisch aufgeladener Besuch

Bundespräsident Joachim Gauck reist zum ersten Mal in seiner Amtszeit ins krisengeschüttelte Griechenland. Bewusst hatte er mit dem Besuch gewartet. Neben Gesprächen mit Präsident Papoulias wird er auch eines Weltkriegs-Massakers gedenken. Jedoch wird man von dem Staatsgast mehr als Gedenkgebinde und anteilnehmende Worte erwarten.

Von Stephan Detjen | 05.03.2014
    Der griechische Staatspräsident Karolos Papoulias (r.) und Bundespräsident Joachim Gauck
    Zwei, die sich kennen: Der griechische Staatspräsident Karolos Papoulias (r.) wurde 2013 bereits von Bundespräsident Joachim Gauck in Berlin begrüßt. Anlass war der Besuch der Ausstellung "Mythos Olympia". (picture alliance / dpa)
    Zwei betagte Herren, der eine 74, der andere bereits 83 Jahre alt. Durch beide Lebensläufe ziehen sich die Furchen des 20. Jahrhunderts. Das verbindet sie - Joachim Gauck und Karolos Papoulias, den griechischen Staatspräsidenten. Als jugendlicher Partisan kämpfte Papoulias im Zweiten Weltkrieg gegen die deutsche Besatzungsmacht. Während der Obristendiktatur im Griechenland der 70er-Jahre fand er in Deutschland Asyl, studierte in Köln und arbeitete als Radiojournalist für das griechische Programm der Deutschen Welle.
    Joachim Gauck weiß aus eigener Erfahrung, wie politisch und emotional die Vergangenheit in der Gegenwart nachwirkt. Auch deshalb hatte Gauck mit der Reise ins krisengeschüttelte Griechenland gewartet - sie könne als Versuch einer deutschen Dominanzpolitik missverstanden werden, fürchtete der Bundespräsident in einem Deutschlandfunk-Interview im Oktober 2012:
    "Das Entscheidende ist nicht, dass Deutsche den Griechen erzählen, was zu tun ist (…) Keine Nation lässt sich gerne von einer anderen Nation, schon gar nicht von einer, die früher über diese Nation hergefallen ist, belehren, wenn das, was zu lernen ist, weh tut."
    Papoulias lässt es nicht an Deutlichkeit fehlen
    Die schmerzhaften Lektionen aus der Krise hat Griechenland aus deutscher Sicht inzwischen gelernt. Gauck wird den Griechen die Anerkennung für Reformen, Haushaltssanierung und erste Anzeichen einer wirtschaftlichen Erholung zollen, die auch die Bundesregierung seit dem letzten Sommer immer wieder ausdrückt.
    Mit Karolos Papoulias hat Gauck indes auch einen Gesprächspartner in Athen, der es nie an Deutlichkeit fehlen ließ, wenn er sich aus Deutschland belehrt fühlte:
    "Ich akzeptiere es nicht, dass Herr Schäuble mein Land verhöhnt. Wer ist Herr Schäuble? Wer sind die Niederländer, die Finnen? Ich kann das als Grieche nicht akzeptieren."
    … wetterte Papoulias vor zwei Jahren, als die Schuldenkrise seines Landes auf einen weiteren Höhepunkt zutrieb und der deutsche Finanzminister den Griechen harte Einschnitte abverlangte.
    Während Gauck ab heute Mittag zunächst ein eher touristisches Besichtigungsprogramm absolviert und morgen am Fuß der Akropolis eine Europa-Rede hält, beugen sich zeitgleich die Inspektoren der Griechenland-Hilfstroika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds wieder einmal über die Kassenbücher und Leistungsberichte der griechischen Regierung. Die Gespräche, so war gestern zu hören, laufen schwierig. Nach der Europawahl im Mai - so fürchten Beobachter - könnte die fragile Koalition von Premierminister Samaras zerbrechen. Mit dem Führer des linken und EU-kritischen Oppositionsbündnisses Syriza, Alexis Tsipras, trifft Joachim Gauck am Donnerstag den möglicherweise neuen starken Mann des Landes.
    In Planung: deutsch-griechisches Jugendwerk
    Am Freitag wird der Bundespräsident mit dem griechischen Staatspräsidenten nach Ioannia in dessen nordwestlicher Heimatregion fliegen. In dem Dorf Lingiades wollen Joachim Gauck und Karolos Papoulias gemeinsam der Opfer eines deutschen Wehrmachtsmassakers gedenken, dem im Oktober 1943 mehr als 80 Menschen zum Opfer fielen. Nach wie vor werden in Griechenland Reparationsforderungen gegen Deutschland erhoben, die die Bundesregierung stets zurückgewiesen hat. Auch Joachim Gauck wird nicht mitbringen können, was Angelas Merkel und ihre Vorgänger nicht geben wollten. Dennoch wird man von dem Staatsgast mehr als Gedenkgebinde und anteilnehmende Worte erwarten. Ein deutsch-griechisches Jugendwerk, das die Große Koalition auf den Weg bringen will, könnte ein Projekt sein, für das der Bundespräsident Finanzierungszusagen aus Deutschland im Reisegepäck hat.