Man muss weit zurückblättern, um den bislang letzten Kanada-Besuch eines Bundespräsidenten zu finden. Der ist 24 Jahre her – auf dem Rückflug sagte Richard von Weizsäcker dem Deutschlandfunk:
"Für die Kanadier ist es von großer Wichtigkeit, immer wieder aus erster Hand zu erfahren, was sich in Europa und in Deutschland tut."
Auf den westdeutschen von Weizsäcker folgt nun also Joachim Gauck, der Ostdeutsche. Ein Besuch bei Freunden, der an der Zeit gewesen sei, so will es das Präsidialamt verstanden wissen. Gauck will die Erinnerung an den Beginn des Ersten Weltkriegs über Europas Grenzen hinaus ausdehnen.
Auch kanadische Soldaten haben in Europa gekämpft; der Erste Weltkrieg ist in der Geschichte des Landes eine wichtige Etappe dafür gewesen, auch vonseiten des früheren Mutterlandes Großbritannien als unabhängig anerkannt zu werden. Joachim Gauck will der kanadischen Opfer Gedenken.
In den vergangenen Jahrzehnten sind die Bundesrepublik und Kanada in der NATO partnerschaftlich verbunden. Als von Weizsäcker Kanada 1990 bereiste, standen die Zeichen auf Entspannung:
"Sie sehen auch, dass wir jetzt in Europa auf eine neue Phase zugehen, wo nicht unter dem erzwungenen Diktat einer Vormacht ein Frieden in Europa hergestellt wird, sondern im Wege des Einverständnisses souveräner Staaten."
Ein Satz, der, Stichwort Ukraine, so wohl nicht wiederholt werden wird.
Begleitet von einer Wirtschaftsdelegation
Den Bundespräsidenten in Toronto, der Hauptstadt Ottawa und dem französisch-sprachigen Québec begleitet eine Wirtschaftsdelegation: Deutsche Konzerne und Mittelständler interessieren sich für Technologieförderung und den Rohstoffreichtum Kanadas, das weltweit zu den größten Erdöl- und Erdgasproduzenten zählt. Die Firmenvertreter dürften besonders wachsam verfolgen, was aus dem Freihandelsabkommen Kanadas mit der Europäischen Union wird. Stephen Harper, kanadischer Premierminister im Oktober vergangenen Jahres:
"Es ist ein großes Abkommen, das größte für Kanada überhaupt. Es ist ein historischer Gewinn für Kanada, denn es erlaubt unserer Wirtschaft den Zugang zu 500 Millionen Verbrauchern."
Doch seit Kurzem hängt das Abkommen wieder in der Schwebe – weil die Bundesregierung auf Nachverhandlungen dringt und darüber im Bundestag abstimmen lassen will. Joachim Gauck will derweil von Kanada lernen: Das Einwanderungsland kennt Migration und Integration in weit größeren Maßstäben als Deutschland; der Bundespräsident wird dann vermutlich, an sein Heimatpublikum gewandt, weiter für ein unverkrampftes Verhältnis zu Einwanderung werben.