"Fern von allen Menschen" wolle er "neue Kräfte schöpfen", schrieb Paul Gauguin an seine Frau Mette, als er 1887 erstmals in die Südsee aufbrach. Immer hat er die Einsamkeit, die Ursprünglichkeit, das Reine und Tiefe gesucht, und insofern ist das, was die Fondation Beyeler jetzt mit dem Maler veranstaltet, das pure Gegenteil dessen, was der Zivilisationsflüchtling Gauguin immer erstrebte. Einen neuen Besucherrekord wolle man aufstellen, so die Erwartung in Riehen, und die gesamte Logistik ist darauf abgestellt. Die in absoluter Abwendung von der westlichen Welt gemalten Werke werden also von den sich drängenden Besuchermassen verdeckt werden, von denen man sich selber gerne abwenden würde. Aber man ist ja - leider - Teil davon und kann mittlerweile von Glück sagen, wenn man im Museum einmal einen einsamen Moment erwischt.
Das sind so die Rahmenbedingungen einer Blockbuster-Ausstellung, die in den Ankündigungen ganz bewusst mit den Klischees hantiert, die der in Peru aufgewachsene Ex-Seemann, Ex-Börsenmakler und auch Sex-Maniac Gauguin so hergibt, der erst mit 35 zum Maler und noch später zum Aussteiger wurde. Der kunsthistorische Ansatz ist dann aber ganz anders. Der Kurator Martin Schwander möchte Gauguin zeigen, "weil er mit seiner Malerei den größten Einfluss auf die junge Künstlergeneration hatte zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Picasso, Matisse haben ihn geschätzt, auch Kirchner. Das waren große Bewunderer von Gauguins Malerei."
Und wer mit dieser Perspektive durch die Ausstellung geht, der sieht in der Tat, wie wirkmächtig Gauguins Konzentration auf die Leuchtkraft der Farben und auf die als Flächen aufgefassten, scharfkantig begrenzten Formen auch später gewesen ist, in Kubismus und Expressionismus.
Einfluss der religiösen Malerei
Die Ausstellung lässt die gesamte impressionistisch beeinflusste Frühphase weg und steigt mit Gauguins erstem Aufenthalt im bretonischen Pont-Aven ein. Die Bretagne war Ende des 19.Jahrhunderts eine wilde und im mondänen Paris verrufene Gegend, bewohnt von derben keltischen Gestalten mit merkwürdigem Dialekt. Gauguin war beeindruckt von der naiven Volksfrömmigkeit; die Bilder zeigen eine Art heidnisches Christentum, melancholisch und düster, und große persönliche Einsamkeit mit wuchernden Formen wie bei van Gogh. Vieles wird symbolistisch überhöht: über den weißen Hauben der bretonischen Frauen schwebt in planem Rot der mit einem Engel kämpfende Jakob, und diese "Vision du sermon" ist bedrohlich und gleichzeitig von einer geheimnisvollen Hermetik.
"Das hat schon mit seinem künstlerischen Konzept zu tun, dass er eine Art Poesie kreiert hat, ähnlich wie Mallarmé in der gleichen Zeit in der Dichtung, das waren zwei Künstler, die sich außerordentlich schätzten, und er hat das Geheimnis, das Mallarmé in der Poesie geschaffen hat, hat er versucht, in der Malerei zu schaffen."
Überraschend ist in dieser Ausstellung auch zu sehen, welch starken Einfluss auch die religiöse Malerei auf Gauguin hatte, das russisch Ikonenhafte, die hell leuchtenden Hintergründe. Das wurde bisher wohl unterschätzt. Andererseits zeigen die Kuratoren, wie weit der Weg von der Pariser Gesellschaft in die Klarheit Tahitis war: Ein Raum ist nur Frauenporträts gewidmet, und hier sieht man auch malerisch, wie das Flatterhafte der Gesellschaftsdame abgelöst wird von den kalkuliert primitivistischen Formen der Südsee-Periode, wo die Frauen in statuarischer Würde leuchten.
Ausverkauf des Paradieses
Die wenigen, von der Maori-Kultur geprägten kompakten Holz-Skulpturen Gauguins sind im Grunde nur Varianten jener voluminösen, gelassenen indigenen Frauenkörper in der Malerei, die offenbar noch heute größten Sinnenreiz ausüben. Sie führen uns in die "Contes barbares", in die Südsee-Pastoralen und zu dem in tiefem Blau schwebenden, Geburt und Tod beschwörenden Zentralbild, das uns fragt: woher kommen wir? Wer sind wir? Wohin gehen wir?
Natürlich spielt diese großartige Ausstellung auch mit unserer Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies. Wie weit das irdische Paradies aber mittlerweile entfernt ist, zeigt die Tatsache, dass eines der Bilder dieser Ausstellung vor wenigen Tagen für 300 Millionen Euro nach Katar verkauft wurde. Ausverkauft in einen islamischen Staat, der die Menschenrechte mit Füßen tritt.