Eine Abfangrakete steigt in den Nachthimmel, Luftschutzsirenen heulen. Dann trifft das Geschoss. Diese Rakete, abgeschossen aus dem Gaza-Streifen auf das nur wenige Kilometer entfernte israelische Ashkelon, konnte vom Himmel geholt werden. Ein anderes Geschoss schlug in Ashkelon ein, mitten in der Nacht, und seine Splitter verletzten einen Hausbewohner tödlich.
Der Mann, Vater von vier Kindern, ist das erste israelische Todesopfer dieser Konfrontation mit den bewaffneten palästinensischen Gruppen im Gaza-Streifen. Rund 450 Raketen wurden nach Angaben der israelischen Armee bis zum Morgen aus dem Küstengebiet auf Israel abgefeuert. 150 habe man abfangen können, erklärte ein Armeesprecher. Zehntausende Israelis verbrachten die vergangene Nacht in Angst. Dieser Betroffene ist nur einer von vielen, die von Regierungschef Netanjahu nun ein hartes Vorgehen fordern.
"Wir haben Netanjahu gewählt und werden es weiter tun. Nun haben uns die Raketen hier erreicht, 150 bis 180 an einem Tag. Wir können nicht mehr weich sein. Es ist Zeit, einen Schlussstrich zu ziehen. So kann es nicht mehr weitergehen."
220 Ziele im Gaza-Streifen angegriffen
Benjamin Netanjahu erklärte am Vormittag, er habe die Armee angewiesen, ihre Einsätze gegen die Terroristen im Gaza-Streifen fortzusetzen und die Entsendung von Infanterie, Artillerie und Panzern an die Grenze angeordnet. Als Reaktion auf den Raketenbeschuss griffen Israels Streitkräfte alleine bis zum Morgen rund 220 Ziele im Gaza-Streifen an. Darunter eine vermutete unterirdische Raketenwerkstatt und Gebäude, in denen sich Einrichtungen der Gruppe Islamischer Dschihad und der Hamas befunden haben sollen, die das Küstengebiet kontrolliert.
Mindestens acht Palästinenser kamen ums Leben, darunter Kämpfer der beiden Gruppen, aber auch ein Baby und dessen Mutter. Die israelische Armee wies die Verantwortung für den Tod von Mutter und Kind zurück und erklärte, die beiden seien wahrscheinlich bei einem gescheiterten Raketenabschuss durch Palästinenser ums Leben gekommen.
Während der Vormittag relativ ruhig blieb, wurde gegen Mittag erneut Raketenalarm ausgelöst. Auch die israelische Armee meldete weitere eigene Angriffe. Medienberichten zufolge richten sich die Streitkräfte auf eine längere Konfrontation ein. Die Regierung steht unter Handlungsdruck. Yaakov Amidror, Ex-Generalmajor und ehemaliger nationaler Sicherheitsberater seines Landes, glaubt allerdings nicht an eine bevorstehende Bodenoffensive mit dem Ziel, die Hamas im Gaza-Streifen zu stürzen.
"Israel kann mit einer großen Operation in Gaza nichts gewinnen. Am Ende des Tages wollen wir dort keine Verantwortung für die zwei Millionen Menschen übernehmen. Deshalb ist es in unserem Interesse, Hamas nicht zu zerstören. Denn wenn irgendwer dort Verantwortung trägt, ist das besser, als eine Lage, in der es niemand tut."
Hamas will Raketenbeschuss fortsetzen
Die Hamas hat angekündigt, den Raketenbeschuss fortzusetzen. Sie wirft Israel vor, sich nicht an die Vereinbarungen zu halten, die im Rahmen einer inoffiziellen Feuerpause vor einem Monat getroffen worden sein sollen.
Für Israel kommt die aktuelle Eskalation zu einem sensiblen Zeitpunkt. Am übernächsten Wochenende soll in Tel Aviv das Finale des Eurovision Song Contest ausgetragen werden.
Unterdessen hat die US-Regierung sich solidarisch mit Israel gezeigt und erklärt, sie unterstütze Israels Recht auf Selbstverteidigung. Die Vereinten Nationen haben die bewaffneten palästinensischen Gruppen im Gaza-Streifen und Israel zur Zurückhaltung aufgerufen. Gemeinsam mit Ägypten werde man versuchen, die Lage wieder zu beruhigen, erklärte der UN-Sondergesandte für die Region.