Es ist ein Fall mit zahlreichen Fragezeichen. Noch ist vieles unklar – rund um die Vorwürfe der israelischen Sicherheitsbehörden gegen Mohammed el Halabi. Über Jahre hinweg soll der Leiter des Gaza-Büros der Hilfsorganisation World Vision Spendengelder in Millionenhöhe veruntreut und an die radikal-islamische Hamas weitergeleitet haben. Im Gaza-Streifen sind zahlreiche Hilfsorganisationen tätig und sie stellen sich nun die Frage, wie ein Betrug solchen Ausmaßes – sollten sich die Anschuldigungen bewahrheiten – möglich sein konnte und welche Auswirkungen das auf ihre Arbeit in dem abgeriegelten Küstengebiet haben wird. Schon jetzt unterliegen die Organisationen strengen Auflagen. Der Deutsche Dieter Müller leitet das Büro der Hilfsorganisation Medico International in den palästinensischen Gebieten. Die Unterstützung von Außen sei für den Gaza-Streifen unerlässlich, erklärt Müller.
"Ein Großteil der Bevölkerung könnte nicht überleben ohne diese Hilfsmaßnahmen. Es gibt kaum noch eine funktionierende Ökonomie in Gaza. Wir haben Elektrizitätsengpässe, die massivst sind. Die Mehrheit der Menschen hat keine Möglichkeit Diesel zu kaufen oder einen Generator zu kaufen und den Diesel um diesen zu betreiben. Die Wasserzufuhr ist miserabel."
Bevölkerung ist auf Lebenshilfe angewiesen
Der von Israel und Ägypten abgeriegelte Gaza-Streifen mit seinen rund 1,9 Millionen Bewohnern wäre ohne internationale Hilfe und die Organisationen, die sie umsetzen, nicht überlebensfähig. Weite Teile der Bevölkerung sind weiterhin auf Lebensmittelhilfe angewiesen, die massiven Schäden aus dem Gaza-Krieg vor zwei Jahren sind überwiegend nicht behoben, die Wirtschaft liegt am Boden und die Infrastruktur auch. Baumaterial für den Wiederaufbau kommt nur spärlich von außen, die Einfuhr unterliegt einem strengen und langwierigen Kontrollsystem – dem sogenannten Gaza-Reconstruction Mechanism.
Er soll zum Beispiel sicherstellen, dass der Zement, mit dem Wohnungen, Schulen oder Krankenhäuser gebaut werden, nicht für Tunnel oder Bunker der Hamas verwendet wird. Medico International fördert aktuell den Bau einer Klinik in Gaza-Stadt. Wieviel Material gebraucht werde, sei genau geprüft worden, erzählt Dieter Müller.
"Das heißt ganz konkret, dass wir bei dem Bau dieser kleinen Klinik natürlich die Pläne vom Architekten haben. Daraus ergibt sich ein Mengenbedarf und der wird von uns unabhängig überprüft. Der wird dem Reconstruction Mechanism vorgelegt. Die prüfen den auch wieder und erst dann wird eine Genehmigung erteilt, die genaue Quantitäten beinhaltet. Der Lieferant der Baumaterialien muss sich akribisch an diese Größenordnungen halten. Also da gibt es kein Vertun. Da kann nicht einfach mal so und so viele Säcke mehr Zement gekauft werden, sondern es ist alles unter strikter Kontrolle."
Große internationale Hilfsorganisationen arbeiten im Gaza-Streifen meist mit lokalen Partnern und unterziehen auch diese im Vorfeld einer genauen Prüfung. Wenn Fördermittel fließen, dann häufig in Form von Sachleistungen und nicht als Bargeld. So ist es auch bei Medico International.
"Das heißt in unserem Bereich ist es der Kauf von Medikamenten, von Verbandsmaterialien etc. d.h. es fließt eigentlich kein Geld in den Gaza-Streifen, sondern es fließen Sachgüter und dann muss man natürlich sehen: Wo bleibt das Geld? Das Geld bleibt in Israel oder in anderen Ländern, wo man diese Materialien kauft, weil das wenigste kann man im Gaza-Streifen selber kaufen."
Haben bei World Vision alle Kontrollmechanismen versagt?
Die Hilfsorganisationen beauftragen auch externe Wirtschaftsprüfer, um die projektbezogene Verwendung der Spendengelder zu kontrollieren. Zusätzlich unterliegen die Organisationen noch Prüfungen in ihren Heimatländern, doch im aktuellen Fall von World Vision, hätten, falls sich die Vorwürfe der israelischen Sicherheitsbehörden bestätigen, alle Kontrollmechanismen versagt. Dann könnte der Fall die alltägliche Arbeit der Hilfsorganisationen im Gaza-Streifen noch schwieriger machen. Das fürchtet auch Dieter Müller von Medico International.
"Leidtragende ist die Bevölkerung und der Bedarf an einem Wiederaufbau und einer Rehabilitation von Wohneinheiten, von Gesundheitsstationen ist bekanntlich in Gaza massivst."