Es ist ein "aussichtsloser Stillstand" - so lässt sich das Leben im Gaza-Streifen in den vergangenen acht Monaten am ehesten beschreiben. Mehr als 2000 Menschen waren durch Angriffe der israelischen Armee ums Leben gekommen, mehr als 11.000 waren und sind verletzt. Und heute: Sind rund 100.000 Menschen in dem Palästinensergebiet noch immer obdachlos. Zahlen, die auch Riad Othman von medico international für einen gemeinsamen Bericht von Hilfsorganisationen zusammengetragen hat.
"Man sieht im Gaza-Streifen kaum Fortschritt beim Wiederaufbau, ich habe kein einziges privat wiederaufgebautes Wohnhaus gesehen. Es wurde nicht einmal der Bauschutt beseitigt in großen Teilen. Die Leute haben kein sauberes Wasser, die Leute campieren noch immer in ihren ausgebombten Ruinen. Es ist auch nicht absehbar, wann es besser wird."
Titel des Gaza-Berichts: "Den Kurs neu setzen - Stillstand in Gaza überwinden". Darin verlangen medico international, Terre des hommes, Oxfam wie auch die deutsche Heinrich-Böll-Stiftung und mehr als 40 weitere Organisationen, dass die Regierungen ihrer Heimatländer mehr tun, als nur Geld zu geben.
Politische Änderungen gefordert
"Bloße Entwicklungshilfe, bloße humanitäre Hilfe ist nur bedingt sinnvoll, wenn es nicht auch Aussicht auf politische Veränderung gibt."
Als Büroleiter von medico international in Israel und den Palästinensergebieten gibt Riad Othman der Politik konkrete Ziele vor: ein Ende der Abriegelung des Gaza-Streifens durch die israelische Armee. Die 1,8 Millionen Menschen aus Gaza müssten das Westjordanland erreichen können. Der Gaza-Streifen brauche Baumaterial in nennenswertem Umfang.
Außerdem fordern die Hilfsorganisationen, die Palästinenser müssten endlich mit einer Stimme sprechen und ihre politische Spaltung überwinden. Und drittens: Das Nachbarland Ägypten müsse seiner Verpflichtung zu humanitärer Hilfe nachkommen.
Gaza-Blockade und regionale Politik ist das eine. Das andere sind die Hilfszusagen der Weltgemeinschaft: Mehrere arabische Staaten, Amerikaner und Europäer hatten schon kurz nach dem jüngsten Gaza-Krieg 2,8 Milliarden Euro versprochen. Die USA haben den größten Teil ihrer Zusage eingehalten, die EU nicht einmal die Hälfte. Und Katar hat von seiner versprochenen Milliarde gerade mal zehn Prozent freigegeben.
"Wenn dieser Wiederaufbau jetzt nicht vorangeht, wenn 40 Prozent der Menschen unter 20 in Gaza keinerlei Zukunftsperspektive haben, dann ist klar, dass diese Leute leichter angeworben werden können von militanten Gruppen. Dann ist auch klar, dass es zu einer Rebellion nicht nur aus politischen, sondern auch aus sozialen Gründen kommt."
Konflikt ist nicht mit Geld zu lösen
Und einen weiteren Ausbruch von Gewalt gelte es unbedingt zu verhindern, schreiben die Hilfsorganisationen in ihrem beispiellosen gemeinsamen Gaza-Bericht. Darin appellieren die nicht-staatlichen Gaza-Helfer an die Staats- und Regierungschefs in Washington, Brüssel und Berlin, ihre Politik gegenüber dem Problem Gaza radikal zu ändern:
"Die Politik der letzten Jahre hat dazu geführt, dass im Prinzip 80 Prozent der Bevölkerung des Gaza-Streifens abhängig von Hilfslieferungen sind, zum Teil betrifft das sogar die Versorgung mit Nahrungsmitteln, als hätte man es mit einem Gebiet zu tun, in dem es nicht genügend Nahrungsmittel gibt."
Gaza aber könnte sich durchaus selbst versorgen, unter anderen Umständen. Und Riad Othman von medico international stellt deshalb den Politikern die Frage, wie oft sie Gaza noch wiederaufbauen wollen. Der politische Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern sei nur politisch zu lösen. Geld allein, selbst in Milliardenhöhe, sei zu wenig.