Schienenverkehr
GDL und Deutsche Bahn: Eskalation eines Konflikts

Im Tarifkonflikt zwischen der Deutschen Bahn und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) ist noch kein Ende in Sicht. Hauptstreitpunkt ist weiter die Forderung der GDL nach einer 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich.

    Ein ICE und eine Lokomotive stehen auf dem Gleisvorfeld des Hauptbahnhofs.
    Es droht das spontane Chaos für Bahnreisende: Die GDL legt ohne Vorwarnung ihre Arbeit nieder. (picture alliance / dpa / Andreas Arnold)
    Im Tarifstreit bei der deutschen Bahn hat die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) ihre Mitglieder inzwischen schon zu sechs Streiks aufgerufen. Die Bahn spricht von einer „blanken Zumutung“ für Reisende. Der Ausstand sei „grundlos“ und „unverhältnismäßig“. 

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    Trotz der zuletzt kurzfristigen Streikankündigung gab es einen Notfahrplan im Fernverkehr. Bei den vorhergehenden Streiks hatte die Bahn rund 20 Prozent des üblichen Fernverkehrs anbieten können. Eigentlich hatte die Bahn zu neuen Tarifgesprächen eingeladen. Da sie aber auch nach dem Verstreichen eines Ultimatums vonseiten der GDL kein neues Angebot vorgelegt hatte, hatte die GDL erneut zum Streik aufgerufen. 

    Inhalt

    Wie verlief der Tarifstreit bisher?

    Die Tarifverhandlungen haben Anfang November 2023 begonnen. Es wurde aber erst einmal wenig verhandelt und stattdessen viel gestreikt: insgesamt fünfmal. Der letzte Arbeitskampf endete am 8. März. 
    Zuvor war eine weitere Verhandlungsrunde gescheitert. Die beiden Moderatoren Daniel Günther, Schleswig-Holsteins Ministerpräsident und Thomas de Maizière, früherer Bundesinnenminister, hatten einen Vorschlag vorgelegt. Er sieht eine schrittweise Verringerung der Wochenarbeitszeit für Schichtarbeitende auf 36 Stunden bei vollem Lohnausgleich vor. Der 35-Stunden-Forderung der GDL kommt das sehr nahe.
    Doch auch in diesem Vorschlag sah GDL-Chef Weselsky „eine ganze Reihe von Punkten, die für uns insgesamt nicht annehmbar waren.“ Es sei nicht nur um die Arbeitszeit gegangen, sondern unter anderem auch um die Laufzeit des Tarifvertrages. Weselsky kündigte daraufhin Wellenstreiks an. Das heißt: viele kurze, teils spontane Arbeitsniederlegungen hintereinander. Die Streiks werden dann nicht mehr 48 Stunden vorher angekündigt.

    Welche zentralen Forderungen hat die GDL?

    Zentral ist nach wie vor die Forderung nach einer Absenkung der Wochenarbeitszeit für Schichtarbeiter bei vollem Lohn. Die Gewerkschaft will eine Reduzierung von 38 auf 35 Stunden erreichen – was zu mehr Ruhetagen führen würde.
    Im Deutschlandfunk-Interview betonte Gewerkschaftschef Weselsky, mit der Absenkung der Wochenarbeitszeit wolle man die Schichtarbeit attraktiver machen – auch für dringend neu anzuwerbende Mitarbeiter. Man fordere aber keine Vier-Tage-Woche, sondern eine „echte Fünf-Tage-Woche“.
    DB-Personalvorstand Martin Seiler erklärte, die Gewerkschaft beharre "stur und egoistisch" auf ihren Maximalforderungen. Diese seien "jedoch unerfüllbar und gefährden massiv das Eisenbahnsystem".
    Zudem fordert die Gewerkschaft unter anderem 555 Euro mehr pro Monat sowie eine steuer- und abgabenfreie Inflationsausgleichsprämie von 3.000 Euro. Lokführerinnen und Lokführer verdienen bei der Deutschen Bahn nach Konzernangaben je nach Berufserfahrung und Einsätzen zwischen 45.000 Euro und 56.000 Euro brutto pro Jahr inklusive Zulagen.
    Ihre Kernforderungen erhebt die GDL nach eigenen Angaben „für alle Eisenbahnerinnen und Eisenbahner“. Die Lokführer-Gewerkschaft hat auch Mitglieder unter den Zugschaffnern und Stellwerksbeschäftigten.

    Wo stehen GDL und die Bahn in den Verhandlungen?

    Nach dem vorzeitigen Ende des Streiks Ende Januar gab es erste Annäherungen zwischen GDL und Bahn: So wurde beispielsweise die Auszahlung eines ersten Teils einer steuer- und abgabenfreien Inflationsausgleichsprämie von 1500 Euro im März vereinbart. Die Summe ist Teil der Zahlung von 2800 Euro, die der Konzern bereits angeboten hatte.
    Insgesamt bietet das Unternehmen bis zu 13 Prozent mehr Lohn. Der Vereinbarung zufolge gibt es die Bereitschaft, bei den Lohnerhöhungen Festbeträge festzulegen.
    Knackpunkt bleibt das Thema Arbeitszeit. Die GDL hatte mit Nachdruck eine Absenkung der Wochenarbeitszeit von 38 auf 35 Stunden ab 2028 bei vollem Lohnausgleich gefordert.
    Die Bahn wies dies zunächst rundweg ab, bot später aber ein Wahlmodell an. Damit sollten Lokführer auf 37 Wochenstunden heruntergehen können, hätten im Gegenzug aber auf eine zusätzliche angebotene Gehaltserhöhung verzichten müssen.
    Für das Angebot der Moderatoren Günther und de Mazière, die Wochenarbeitszeit für Schichtarbeitende auf 36 Stunden bei vollem Lohnausgleich schrittweise zu verringern, zeigte die Bahn Bereitschaft, wollte aber kein neues Angebot vorlegen. Inzwischen fordert die Bahn eine Schlichtung in der Tarifauseinandersetzung. Unterstützung dafür kommt aus der Wirtschaft, vom Fahrgastverband Pro Bahn und Bundesverkehrsminister Volker Wissing. 

    Was verrät der Konflikt über den Zustand der Bahn?

    Das Verhältnis von Gewerkschaftschef Claus Weselsky zur Deutschen Bahn scheint zerrüttet. Im Dezember 2023 rechnete Weselsky im Deutschlandfunk mit der DB-Führung regelrecht ab. Er warf ihr „Missmanagement“ und einen „Wasserkopf“ von 3.500 Führungskräften vor.
    „Wenn Sie 37 Prozent Wasserkopf haben, wenn sich die Vorstände mit Boni bedienen, ist dann kein Geld da für die Mitarbeiter, die die tatsächliche Wertschöpfung erbringen“, kritisierte der Gewerkschafter. Zugleich gelinge es der Führung nicht, genügend neue Lokführer und anderes Personal anzuwerben. Weselsky bezeichnete die DB als Konzern, „der in Deutschland das Eisenbahnfahren nicht mehr richtig organisieren kann“. Als ein Kernproblem der Bahn gilt der seit Jahrzehnten verursachte Investitionsstau.
    Auch musste die Bahn zugeben, dass sich der Zustand des deutschen Schienennetzes, auf den viele Verspätungen zurückgehen, im Jahr 2022 weiter verschlechtert hat. Der eigenen Infrastruktur gab die Bahn eine Note von 3,01, wie aus dem jüngsten Netzzustandsbericht von Mitte Januar hervorgeht. Im Jahr zuvor lag die Note bei 2,93. Mehr als die Hälfte des bewerteten Netzportfolios habe sich im mittelmäßigen, schlechten oder mangelhaften Zustand befunden, heißt es in dem Bericht.
    Im Dezember hatte es eine öffentliche Diskussion über die Bezahlung der Bahn-Führungsriege gegeben. Trotz der Probleme mit Pünktlichkeit und Kundenzufriedenheit wurden im Vorstand des Unternehmens Boni ausgeschüttet.

    tei / jk / nsh / lkn