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GDL kündigt Streik bei der Bahn an
Dem Management der Bahn eine Lektion erteilen

Die Gewerkschaft der Lokführer hat einen Warnstreik bei der Deutschen Bahn angekündigt, um ihre Forderungen in den laufenden Tarifverhandlungen durchzusetzen. Viele Züge werden deshalb wohl ausfallen. Aber es geht der Gewerkschaft um mehr als höhere Löhne für die Lokführer.

Von Sebastian Engelbrecht |
Claus Weselsky, Vorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), spricht während einer Pressekonferenz in der GDL-Hauptgeschäftsstelle. Bei der Urabstimmung haben sich 95 Prozent der teilnehmenden Mitglieder für einen Streik ausgesprochen.
Claus Weselsky, Vorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), kündigt Warnstreiks an (dpa / Arne Dedert)
Eigentlich hatten sich die Lokführergewerkschaft GDL und die Deutsche Bahn in den Verhandlungen seit Mitte April angenähert. 3,2 Prozent mehr Lohn sollen im neuen Tarifvertrag festgeschrieben werden. Da war man sich einig. Umstritten ist vor allem die Laufzeit. GDL-Chef Claus Weselsky will, dass der Vertrag nur 28 Monate gilt, die Bahn will 40 Monate durchsetzen. "Wir werden weder über eine Laufzeit von 40 Monaten verhandeln noch über Zahlungen, die erst im Jahr 2022 einsetzen und im Jahr 2021 eine Minusrunde beinhalten."

Machtkampf gegen konkurrierende EVG

Außerdem wollen Weselsky und seine GDL mit ihrem Streik dem Management der Bahn eine Lektion erteilen. Die Deutsche Bahn habe vor, den Lokführern von ihren 150 Euro Betriebsrente 50 Euro wegzunehmen. Zugleich genehmigten sich die Führungskräfte hohe Betriebsrenten. Wer den Arbeitnehmern "in die Taschen greife und sich selbst schamlos" bediene, der habe die Antwort der Gewerkschaft, den Streik, verdient. "Diese Ungerechtigkeit gilt es auszumerzen. Vor allen Dingen deshalb, weil wir feststellen dürfen, dass das Management im Eisenbahnsystem sich mit Altersversorgungssystemen bedient, bei denen wir dann über solche Summen wie 20.000 Euro monatlich reden."
Weselsky will mehr als nur einen neuen Tarifvertrag. Er führt einen Machtkampf gegen die konkurrierende Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG und will Mitglieder hinzugewinnen. Zudem zielt der Streik auf den Vorstand der Deutschen Bahn. Dieser habe 30 Milliarden Euro Schulden angehäuft. Als Ursachen sieht der GDL-Chef nicht allein die Pandemie und die Flutkatastrophe, sondern Managementfehler – etwa die Übernahme von Verkehrsunternehmen im Ausland und eines Logistikunternehmens, das Güter per Lastwagen transportiert.

Bahn: GDL hat nicht Wort gehalten

Für den Vorstand der Deutschen Bahn wies Martin Seiler, zuständig für das Personal, die Vorwürfe zurück. Die Bahn zahle höhere Betriebsrenten als die konkurrierenden Eisenbahngesellschaften. Und wegen Corona hätten die Führungskräfte auf Bonuszahlungen verzichtet. "Wir haben für die Führungskräfte in diesem Jahr eine Nullrunde beschlossen. Wir haben erhebliche Einschränkungen der variablen Entgeltbestandteile von zehn Prozent Einbußen. Der komplette Vorstand hat keine variablen Entgeltbestandteile bekommen. Und das sind alles Beiträge, signifikante Beiträge auch der Führungskräfte. Und das zu negieren, ist eigentlich unfair."
Seiler zeigte sich enttäuscht, dass der Streik der GDL so plötzlich kommt. Die GDL hatte in den vergangenen Tagen angekündigt, sie werde ihre Streiks rechtzeitig bekanntgeben. "Die GDL hat immer wieder betont: Sie wird rechtzeitig informieren, dass unsere Fahrgäste auch tatsächlich disponieren können. Das ist leider nicht der Fall. Die GDL hat auch hier das Wort nicht gehalten. Denn mit einer Vorankündigung von acht Stunden im Güterverkehr und von weniger, deutlich weniger als 24 Stunden im Personenverkehr ist das eine erhebliche Belastung."

Ersatzfahrplan für die kommenden Tage

Seiler betonte, die Deutsche Bahn sei jederzeit bereit, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Vorerst aber erstellte die Bahn einen Ersatzfahrplan für die kommenden beiden Tage, auch für den Regional-und S-Bahnverkehr. Das Unternehmen will den Betrieb im Fernverkehr mit einem Viertel der normalen Kapazität aufrecht erhalten. Vorrang hätten Strecken wie die zwischen Berlin und der Region Rhein/Ruhr, zwischen Hamburg und Frankfurt am Main und die Verbindungen zu wichtigen Bahnhöfen und Flughäfen.
Aus der Sicht von GDL-Chef Weselsky steht den Reisenden eine milde Form des Streiks bevor, denn: "Wir haben absichtlich für den ersten Streik diese Zeitspanne in der Woche gewählt, um den Wochenend- und Ferienreiseverkehr nicht noch stärker zu beeinträchtigen. Die Verantwortung hierfür trägt ein Management, das sich selbst die Taschen füllt und den Eisenbahnerinnen und Eisenbahnern Reallohnverlust zumuten will."