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"Geächtet" von Ayad Akhtar
Keine hoffnungsvolle Botschaft

Zwei wohl situierte Ehepaare treffen sich zu einem scheinbar harmlosen Dinner. Schnell kreist das Gespräch um das Thema Islam. In Ayad Akhtars Theaterstück "Geächtet" wird offenbar, wie tief sich Angst und Vorurteile in unsere Gesellschaft eingegraben haben. Die Inszenierung ist aktuell am Wiener Burgtheater zu sehen.

Von Michael Laages |
    Der US-Autor Ayad Akhtar.
    Der US-Autor Ayad Akhtar hat pakistanische Wurzeln. (Zuma Press/imago )
    Stücke gibt’s wie Uhrwerke. Wer auf die Idee käme, im Innern der Maschine rumzufummeln, dem fielen bald die Einzelteile vor die Füße, Rädchen für Rädchen. "Geächtet" steht in der Tradition von "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?"; und alle Inszenierungen bisher sind von jener traditionellen Haltung geprägt, in der die Regie nicht viel mehr zu leisten hat als die Feinabstimmung von Ton und Temperament.
    So sind die Kräfte verteilt für die Zimmerschlacht im weißen Nobel-Loft von Bühnenbildner Stefan Hageneier – im Zentrum steht ein erfolgreicher Wirtschaftsanwalt, der viele Millionen bewegt; Moslem ist er, stammt aus Pakistan und hat bei der Radikal-Assimilation in New York nur ein bisschen geschummelt, als er sich selbst einen indischen Familiennamen verpasste. Die Glaubensgemeinschaft, der er entstammt, lehnt er ab - vorsintflutlich sei der Islam, denkbar ungeeignet für die Welt von heute. Seine uramerikanische Frau, Malerin von Beruf, hält viel mehr vom Islam als er – sie betrachtet nur den Reichtum der Formen islamischer Kunst.
    "Es gibt so viel Schönheit und Weisheit in der islamischen Kultur, Amir!" - "Nicht nur ... Schönheit und Weisheit." - "Sondern?"
    Quartett mit religiöser Vielfalt
    Ein Kunst-Kurator umschwärmt diesen neuen Ansatz, Kunst wieder irgendwie "heilig" werden zu lassen; und die Malerin selber umschwärmt er auch, sehr handfest sogar. Zur jüdischen Gemeinde gehört er obendrein, steht dem jüdischen Staat aber genau so kritisch gegenüber wie der Anwalt dem Islam. Die Gattin des Kunst-Strategen schließlich ist Afro-Amerikanerin und hat sich aus dem Ghetto empor gearbeitet, auch als Partnerin des Anwalts mit den pakistanischen Wurzeln.
    Die Konstruktion dieses Quartetts ist überaus geschickt, vielleicht sogar ein wenig zu perfekt – alle Ungleichgewichte im Gefüge besitzen Sprengkraft genug für richtige Katastrophen. Erstaunlicherweise aber führt letztlich dann doch nicht die Politik, sondern die kleine sexuelle Betrügerei zur Explosion. Der Anwalt dreht durch, misshandelt und vergewaltigt beinahe die eigene Frau und verliert so nicht nur die, sondern auch den lukrativen Job. Die schwarze Aufsteigerin macht an seiner Stelle weiter Karriere, er fliegt raus: weil er sich öffentlich für einen Imam verwendete, der womöglich zu Unrecht angeklagt war.
    Seine Frau hatte ihn darum gebeten, vom Neffen dazu ermuntert und der assimiliert noch radikaler als der Onkel – legt sich zunächst einen tendenziell jüdischen Vornamen zu, wird aber schließlich wirklich Islamist. Von diesem Jungen stammt das Schlüsselwort des Stückes – "Geächtet" hätten die alten Kolonisatoren die islamische Gemeinschaft seit hunderten von Jahren; jetzt folge die Rache.
    Viel Futter fürs Hirn
    Immens viel Futter fürs Hirn steckt im Text – und Tina Lanik am Burgtheater betont das noch. Die gut sortierten Pointen im "well made play" wirken in Laniks überaus angestrengter Ernsthaftigkeit wie Fremdkörper, lieber lässt sie das Ensemble unentwegt vor- und nachdenken. Speziell Fabian Krüger im Zentrum der Story verpasst sie mit Pausen und Gängen unerhört viel Grübelei; während Katharina Lorenz an der Seite dieses selbstquälerischen Agnostikers oder korrekter Apostaten viel lieber öfter mal ein bisschen Sex hätte.
    Den bekommt sie dann vom Kunst-Kurator, hier dem wuchtigen Nicolas Ofczarek, fühlt sich danach aber auch auf dem falschen Wege. Wie schließlich im Dauer-Diskurs über den Reichtum in islamischer Kunst – den findet sie nach der Katastrophe selbst nur noch naiv. Als "people of colour", wie das heute political correct heißt, als eine der wenigen farbigen Schauspielerinnen im Lande also, spielt Isabelle Redfern die Ghetto-Aufsteigerin Jory nun schon zum dritten Mal.
    Stück zieht sich teilweise
    Spürbar wird, wie gründlich die Regisseurin das Gedanken-Drama forciert, nicht das durchaus broadway-taugliche Kammerspiel. Dem Gleichgewicht des Stücks bekommt das nicht unbedingt – gefühlt dauert es beträchtlich länger als 100 Fernsehspiel-Minuten. Und vor der durchaus bestreitbaren Konsequenz im Denk-Raum des Stückes bleibt auch die Regisseurin ratlos – egal, wie viel Selbstkritik er auch aufwenden mag: Muslim bleibt Muslim. Gewalt und Hass stecken nicht im Koran, sondern in jedem und jeder selbst, wenn sie nur beschworen werden. Keine hoffnungsvolle Botschaft also im "Stück zur Stunde".