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Gebete gegen den Flugzeugdonner

Evangelische und katholische Christen ziehen an einem Strang: Sie möchten den geplanten Bau der dritten Startbahn am Flughafen München im Erdinger Moos verhindern. Die katholische Kirche besitzt Grundstücke rund um den Flughafen. Die will sie für den Bau der neuen Startbahn 3 nicht verkaufen. Eine Enteignung durch den Freistaat wäre ein Politikum.

Von Isa Hoffinger |
    "Wir als Kirche teilen die Angst derer, die darum fürchten, beim Bau der dritten Start- und Landebahn ihre Heimat einzubüßen, ihre Heimat zu verlieren! Darum fordern wir die Verantwortlichen auf, die in den Ministerien sitzen, weiter zu überprüfen, ob es eine dritte Startbahn braucht, wir sind der Meinung, es braucht sie nicht!"

    Es ist ein sonniger Tag, an dem Rainer Böck, Domrektor von Freising, beschließt, seine Stimme zu erheben. Besorgte Bürger aus den Landkreisen Erding und Freising sind nach München gekommen, um vor dem Rathaus gegen den Bau der "Startbahn 3" zu demonstrieren.

    Der Münchner Flughafen im Erdinger Moos, schon jetzt der siebtgrößte Europas, soll noch riesiger werden. Seit 1992 ist er in Betrieb, geplant waren von Anfang an vier Start- und Landebahnen. Aufgrund des beharrlichen Widerstands wurden allerdings nur zwei gebaut, doch seit Sommer 2011 steht fest, dass eine dritte kommen soll.

    Viele Menschen müssen nun ihre Häuser oder Grundstücke verkaufen. Alle, die bleiben, werden dauerbeschallt, mit einem Lärmpegel von 71 Dezibel, das ist acht Mal so viel wie heute rund um den Flughafen. Bis zu 500 Mal täglich würden Flieger in einer Höhe von 50 bis 80 Metern über die Freisinger Stadtteile Attaching und Lerchenfeld donnern.

    Und auch über den berühmten Freisinger Dom würden die Airlines vermutlich öfter fliegen.

    Der Dom, im 12. Jahrhundert erbaut, ist das Wahrzeichen der Bischofsstadt Freising. Hier wurde Josef Ratzinger 1951 zum Priester geweiht. Auf dem Domberg war der heutige Papst Benedikt viele Jahre zuhause, von 1977 bis 1982 wirkte er als Erzbischof von München und Freising.

    Dass die Bausubstanz des Doms Schaden nehmen könnte, ist aber nicht der einzige Grund, warum sich viele Christen und Kirchenmänner mit den Anwohnern verbündet haben.

    Die Kirche in Bayern hat beschlossen, die Menschen nicht im Stich zu lassen. So sieht es Pfarrer Michael Schlosser von der Freisinger Gemeinde Sankt Georg.

    "Ich glaube, dass es nicht notwendig ist, noch weiter so stark in die Schöpfung einzugreifen, wie es ein Flughafen tun muss. Da wird die Luft verpestet, da ist Lärm entsprechend da, der betrifft auch die Tiere, die hier sind, und hier ist auch das Erdinger Moos, was ja zum Teil auch Naturschutzgebiet ist. Es ist schon seit jeher Lehre der Kirche, dass ein Mensch Maß hält mit allem, was er tut. Und wir glauben, das Maß an Flugverkehr in Deutschland und Europa ist genug."

    Die Flughafengesellschaft argumentiert mit neuen Arbeitsplätzen, die es nach einem Ausbau geben soll. Pfarrer Schlosser lässt das nicht gelten.

    "Natürlich sind solche Plätze wichtig, wobei hier in Freising haben wir eine ganz niedrige Arbeitslosigkeit, also unter zwei Prozent momentan, und wenn Arbeitsplätze, dann brauchen wir sie für Altenheime, für Kindergärten, das halte ich für wichtiger."
    Die katholische Kirche hat noch einen Trumpf. Sie besitzt Grundstücke, die für den Bau der Startbahn 3 nötig sind und weigert sich, sie zu verkaufen. Dieter Thalhammer, Oberbürgermeister von Freising, ist darüber froh.

    "Die Kirche hat verlautbaren lassen, dass sie gegen einen freihändigen Verkauf ihrer Grundstücke ist und das ist für uns natürlich eine moralische Unterstützung, ich bin da dem Herrn Kardinal auch sehr dankbar aber auch der evangelische Kirchenrat in München hat sich eindeutig gegen die dritte Piste ausgesprochen."

    Bleibt die Kirche bei ihrer Haltung, müsste die Bayerische Landesregierung sie enteignen. Das wäre ein Politikum und zum ersten mal seit der Säkularisation der Fall. Durch den Konflikt um die Startbahn sind die Menschen näher zusammengerückt.

    In Freising finden Lichtermärsche gegen den geplanten Ausbau statt. Jeden Sonntagabend um sechs, bei jedem Wetter. Organisiert werden sie von der Gruppe "Lichterzeichen: Christen zur Bewahrung der Schöpfung". Ihr Sprecher heißt Wilhelm Albrecht und ist 70 Jahre alt.

    "Die Gruppe ist ursprünglich hervorgegangen aus einem Mütterkreis anlässlich der Tschernobyl-Katastrophe. Und so kam die Idee auf, einen sonntäglichen Marsch mit Lichtern im Schweigen zu gehen, Schweigen als Ausdruck einer verletzlichen Haltung, in der wir uns befinden, und die wir auch annehmen."

    Marianne Träger ist eine betroffene Anwohnerin. Sie ist 68 Jahre alt und lebt seit 30 Jahren mit ihrem Mann Eduard im Dorf Eittingermoos. Seine Großeltern haben den 200-Seelen-Ort mitgegründet.

    "Es tut uns körperlich weh, also seelisch vor allem, aber auch körperlich tut es uns weh, dass wir unseren Lebensabend mit der Zukunftsangst verbringen müssen, dass wir noch eingeschnürt werden, dass man nicht mehr so frei atmen kann. Wir haben am Sonntag Besuch gehabt und die haben sich schon die Ohren zugehalten und die brechen dann auch schon früher auf. Und das tut weh."

    Um ein Uhr nachts, wenn der letzte Flieger gestartet ist, geht sie ins Bett, morgens um 5, wenn die erste Maschine abhebt, wird sie wach. Früher, meint sie, habe man die Äpfel von den Bäumen aus ihrem Garten noch essen können, heute überziehe ein Kerosinfilm die Früchte.

    "Ich laufe viel herum und nehme Abschied von der unmittelbaren Umgebung. Und das Abschied nehmen ist wie wenn man an einem Grab steht und dem Sarg nachschaut, wie er in die Erde kommt, und so nimmt man auch Abschied von seiner Heimat."

    Einige Menschen, die wegziehen müssten, haben bereits Angebote für ihre Häuser und Grundstücke von der Flughafengesellschaft München bekommen.

    "Nicht jeder Baum verträgt es, verpflanzt zu werden. Mein Mann und ich sind so Bäume, die dann kaputt gehen."

    Die Schweigemärsche geben ihr Halt. In der Kirche hält sie auch Fürbitten für andere Betroffene.

    "Das ist fast wie ein Schwur, dass man sagt, man geht immer mit, egal, wie das Wetter ist, kein Wetter kann uns aufhalten, das ist dieser Zusammenhalt, der gibt mir so viel Kraft."

    Pfarrer Schlosser und Wilhelm Albrecht sehen das ähnlich. Auch sie wollen weiter gemeinsam mit vielen anderen Christen gegen die Startbahn 3 kämpfen.

    "Ich glaube, Beständigkeit ist eine Tugend. Die manches erreicht. Wenn man sich nicht entmutigen lässt, sondern sich einfach konsequent für etwas einsetzt"

    "Es gibt ein schönes und eindrucksvolles Zitat von Albert Schweizer: Gebete verändern nicht die Welt, aber sie verändern Menschen. Und Menschen verändern die Welt."