Gleich neben dem Kircheneingang steht die umgebaute, rote Fotokabine. Ursula Höpken nimmt auf dem kleinen Hocker im Innern Platz und zieht den lichtundurchlässigen Vorhang neben sich zu. Der Gebetomat begrüßt die Rentnerin:
"Guten Tag. Willkommen im Gebetomat. Sie haben nun die Möglichkeit, unter zahlreichen Gebeten das für Sie passende zu wählen. Durch Berühren des Bildschirms wählen Sie die Religion und die Glaubensrichtung. Haben Sie sich für ein Gebet entschieden, berühren Sie es mit dem Finger, und es erklingt."
Die Reaktion von Ursula Höpken lässt nicht lange auf ich warten:
"Ach das ist ja... Also mich würde das schon alles interessieren, aber dann müsste man ja ganz lange Zeit hier verbringen oder regelmäßig hierherkommen."
Von der großen Auswahl ist sie ein bisschen überfordert. Der Gebetomat hat 300 Gebete in 65 Sprachen zu bieten. Ursula Höpken kann aus den fünf Weltreligionen und vielen weiteren kleineren Religionen und Glaubensrichtungen aussuchen. Schließlich entscheidet sie sich, auf dem Din-A4-großen Touchscreen vor sich tippt sie erst auf "Christentum", dann auf "Urformen". Ursula Höpken wählt schließlich die Choralgesänge aus:
"Ich tipp jetzt überall nur an. Ah, herrlich. Ja, das habe ich schon häufiger mitgemacht. Das sind diese wunderbaren... eckigen Noten ohne Taktstriche. Jetzt kommt das Vaterunser. Lateinisch! Haben wir ja früher alles gekonnt."
Unglaubliche Gebetsvielfalt
Die Texte, die im Gebetomat zu hören sind, hat zum großen Teil der Theater- und Hörspielregisseur Oliver Sturm gesammelt; in Berlin, wo er lebt, aber auch im Ausland und in ethnologischen Instituten. So kam die große Vielfalt für den Gebetomat zustande. Vom Vaterunser über das scientologische Gebet für völlige Freiheit bis hin zu mongolischen Schamanengesängen. Dieses Nebeneinander - eine ganz bewusste Provokation, sagt er. Aber es ging ihm auch um den Gegensatz zwischen "Automat" und "Innehalten". Oliver Sturm:
"Normalerweise sind ja Automaten dazu da, dass irgendetwas sehr einfach und schnell geht. Packung Zigaretten, Schachtel Kaugummi. Das muss zack, zack gehen. Und wenn man jetzt in einen Automaten Gebete packt, dann macht man eigentlich das Gegenteil von Schnelligkeit. Man irritiert den Menschen im Alltag, weil etwas herauskommt, was eben nicht so schnell konsumbierbar ist, sondern was das Gegenteil dessen ist, nämlich die intimste Zwiesprache zwischen dem, was man anrufen möchte."
Unterschiedliche Reaktionen
Die Reaktionen auf dieses Angebot fallen sehr unterschiedlich aus, sagt Sturm. So ist es auch in Oldenburg. Während Ursula Höpken das Gerät weiter testet, schaut sich ein Ehepaar aus dem Rheinland in der Kirche um. Michael und Claudia Franken machen Urlaub im Norden und halten nichts vom Gebetomat.
Claudia Franken: "Was ich für mich glaube, was ich bete, mache ich für mich. Will ich nicht vorgeben bekommen."
Michael Franken: "Beten ist was sehr Persönliches. Und Glauben auch. Dafür brauche ich weder einen Gebetomaten noch eine Kirche. Beten tu' ich für mich."
Ablehnende Reaktionen sind die Ausnahme, sagt Klaus Hagedorn. Er arbeitet in St. Peter als Pastoralreferent und Seelsorger. Die meisten sind neugierig: Schulklassen genauso wie Passanten und auch Gläubige nach den Gottesdiensten am Sonntag. Das Gerät bringt die Menschen zum Nachdenken und zum Sprechen, sagt der Theologe Klaus Hagedorn:
"Also ich habe Kontakt mit einer Frau gehabt, ungefähr 60 Jahre alt, die mit Kirche gar nichts mehr zu tun hatte. Aber vor 40 Jahren mit der ökumenischen Gemeinschaft in Taizé zu tun hatte und die hier auf einmal mit den Gesängen aus Taizé konfrontiert war und sich an ihre alte Geschichte erinnerte und das war ganz bewegend und für mich berührend, wie da etwas wachgerufen wird und da ein neuer Kontakt entsteht."
Gebetomat geht auf Reisen
Darauf ist Hagedorn angewiesen. Er will die Menschen zurück in die Kirche bewegen; nicht um sie zu bekehren, aber damit sie sich mit dem Glauben - welchem auch immer - auseinandersetzen. Nach zwei Monaten in St. Peter verlässt der Gebetomat Oldenburg wieder. Dann macht er sich auf die Reise in verschiedene westfälische Schulen. Oliver Sturm, der Entwickler, möchte diese Zeit nutzen, um neue Gebete zu sammeln. Damit das Angebot im Gebetomat bald noch umfangreicher ist.