Archiv

Gebietsfremde Arten
Goldschakale breiten sich in Europa aus

Immer wieder werden Pflanzen oder Tiere durch Menschen von einer Weltregion in eine andere verschleppt. Dass sich aber eine Tierart von selbst ausbreitet, geschieht sehr selten. Umso aufgeregter sind Zoologen zurzeit in Europa. Denn dort wandert der Goldschakal seit wenigen Jahrzehnten nach Norden und Westen.

Von Monika Seynsche |
Goldschakal (Canis aureus), steht auf einer Wiese, Seitenansicht, Rumaenien, Biosphaerenreservat Donaudelta golden jackal (Canis aureus)
Schwer von einem Fuchs oder einem kleinen Wolf zu unterscheiden - der Goldschakal (imago stock&people / Blickwinkel)
Jennifer Hatlaufs Arbeit besteht zu einem großen Teil aus Warten. Die Forscherin der Universität für Bodenkultur in Wien fährt regelmäßig raus aufs Land, hält ihr Megafon in die Höhe und beschallt die Region mit Rufen des Goldschakals. Und dann wartet sie auf Antwort.
"Also in Österreich waren da sehr viele Rufstationen nötig, um auch die erste Antwort zu erhalten. Mittlerweile habe ich ein paar Antworten. Im Vergleich dazu in Rumänien: wenn wir zehn Rufpunkte in einer Nacht zum Beispiel machen, kann es durchaus vorkommen, dass wir an sieben Punkten eine Antwort bekommen. Und in Österreich waren über 60 Rufstationen nötig, um eine Antwort zu bekommen."
2007 wurden am Neusiedlersee zum ersten Mal junge Goldschakale beobachtet. Das war der Beweis dafür, dass die Art sich in Österreich niedergelassen und Nachwuchs gezeugt hatte. Eigentlich leben Goldschakale in Asien sowie im Südosten Europas auf dem Balkan. Seit einigen Jahrzehnten aber tauchen sie auch westlich und nördlich davon auf. Warum sich die Goldschakale ausbreiten, ist bis heute unklar.
Über einhundertausend Tiere in Europa
Es gebe mehrere Theorien, sagt Jennifer Hatlauf. Veränderte klimatische Bedingungen, Landflucht in einigen südeuropäischen Ländern sowie leicht zugängliche Nahrung wie Schlachtabfälle könnten den Tieren geholfen haben. Und sehr wahrscheinlich haben sie von der jahrzehntelangen Abwesenheit des Wolfes in Europa profitiert. Die erbitterte Jagd und fast vollständige Ausrottung des großen Räubers hat vermutlich Platz gemacht für kleinere Raubtiere wie eben den Goldschakal. Schätzungen zufolge leben heute in Europa bis zu 117.000 Tiere. Felix Böcker wertet bei der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg Goldschakalsichtungen in Deutschland aus.
"Es gab von 1997 bis heute in Deutschland 14 Goldschakalnachweise. Aber ob da noch welche in Deutschland sitzen oder nicht, kann man nicht beweisen. Ich persönlich glaube, dass es durchaus Tiere in Deutschland gibt, von denen aber entweder keiner was mitbekommt oder die Leute, die es mitbekommen, vielleicht gar nicht wissen, dass es einer ist."
Verwechslungsgefahr mit Wölfen und Füchsen
Denn Goldschakale leben weitgehend im Verborgenen und sind für Laien nur schwer von einem kleinen Wolf oder einem sehr goldenen Fuchs zu unterscheiden.
"Man kann sagen, der Schwanz, die Rute vom Goldschakal ist deutlich kürzer als die des Fuchses. Reicht nicht bis zum Boden. Insgesamt ist die Färbung - danach hat der Goldschakal natürlich auch seinen Namen - eher goldgelb, einen relativ kleinen Kopf auch im Vergleich zu anderen Hundeartigen, ja, ein bisschen größer als ein Fuchs."
Neben Deutschland wurden auch schon einzelne Tiere in Dänemark und sogar im Baltikum nachgewiesen. Eine Gefahr für den Menschen stellen die Goldschakale nicht dar. Nutztieren aber könnten sie rein theoretisch schon gefährlich werden.
Gefahr für Nutztiere?
"Es ist nicht mit dem Wolf zu vergleichen. Dennoch gibt es auch Einzelfälle, in denen Goldschakale an Nutztierrissen nachgewiesen wurden. Goldschakale sind aber natürlich auch schnell da, wenn mal ein Nutztier tot irgendwo liegt. Das ist eine Nahrungsquelle, die der Goldschakal gerne nutzt. Er ist aber theoretisch auch in der Lage, Nutztiere zu reißen, ja."
Ob er das praktisch tut und wie seine Ausbreitung sich auf andere Tiere auswirkt, ist bis heute unbekannt. Genau das wollen Jennifer Hatlauf und ihre Kollegen in Österreich erforschen. Dort leben schon einige Tiere, so dass die Forscherinnen sie mit Fotofallen und ihrem akustischen Monitoring beobachten können.
"Es ist ganz sicher so, dass auch dadurch, dass er etwas größer ist, einen Einfluss auf das Fuchsvorkommen haben kann. Das wurde auch in manchen Gebieten schon beobachtet. Durch Abschusszahlen kann man das sehen, zum Beispiel in Bulgarien. Und auf den Rest, das muss man einfach genau beobachten, ob auf andere - also nicht nur jagdlich genutzte Tiere - sondern auch generell im Ökosystem, was für Auswirkungen das haben wird."
Deshalb wird Jennifer Hatlauf weiterhin mit Ihrem Megafon durch österreichische Nächte fahren und die Ohren offen halten.