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Geburt des "Lügenbarons" vor 300 Jahren
Freiherr von Münchhausen: Vom Pagen zum Geschichten-Erfinder

Auf einer Kanonenkugel will er geritten sein, auf einer Bohnenranke zum Mond geklettert: Die Geschichten, die Hieronymus von Münchhausen in seinem Geburtsort im Weserbergland bei Tabak und Punsch zum besten gab, kennt man bis heute. Er selbst hat sie aber nie aufgeschrieben.

Von Christoph Schmitz-Scholemann |
    Hans Albers als Baron Münchhausen hält sich im Flug an einer Kanonenkugel fest.
    Der Schauspieler Hans Albers beim berühmten Ritt auf der Kanonenkugel im UFA-Film von 1943 (imago / UFA Film)
    "Ein … Mal wollte ich über einen Morast setzen … sprang … zu kurz und fiel … bis an den Hals in den Morast. Hier hätte ich unfehlbar umkommen müssen, wenn nicht die Stärke meines Armes mich an meinem eigenen Haarzopf … wieder herausgezogen hätte."
    Dass man sich manchmal an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen muss, ist eine der paradoxen Lehren aus den weltberühmten Abenteuern des Freiherrn von Münchhausen. Aber wer war dieser legendäre Münchhausen? Gab es ihn überhaupt?
    "Ja, den hat es gegeben, diesen Hieronymus Carl Friedrich Münchhausen. Er ist geboren in Bodenwerder, das ist eine kleine Stadt im Weserbergland."
    Ausbildung zum Pagen mit 13 Jahren
    Die Journalistin Anna von Münchhausen ist der an Überraschungen reichen Lebensgeschichte ihres am 11. Mai 1720 geborenen Familienangehörigen in einem Buch nachgegangen.
    "Er ist dann mit 13 Jahren schon an den Hof der Herzöge von Braunschweig-Wolfenbüttel geschickt worden, um dort als Page ausgebildet zu werden. Und mit 17 Jahren passiert etwas vollkommen Unwahrscheinliches. Er reist mitten im Winter in Begleitung zweier Hofbeamter nach St. Petersburg."
    Am dortigen Zarenhof bereitete sich einer der Braunschweiger Herzöge auf die Heirat mit einer russischen Fürstin vor. Ihm diente Münchhausen als Hofpage und zog mit ihm in den russisch-türkischen Krieg.
    "Auf diese Weise kommt Hieronymus Münchhausen auch zur Festung Otschakow am Schwarzen Meer, um die erbittert gekämpft wird. Und diese Festung spielt später in einigen der Abenteuer auch eine Rolle."
    Zum Beispiel bei dem berühmten Ritt auf der Kanonenkugel. Hieronymus von Münchhausen überstand die wilden Zeiten beim russischen Militär, heiratete und kehrte mit dreißig Jahren zurück auf den Landsitz seiner Familie in Bodenwerder.
    "Und dort hat er dann das mehr oder weniger beschauliche Leben eines Gutsherren geführt. Offensichtlich ziemlich zänkisch, hat sich immer wieder angelegt mit den Bürgern von Bodenwerder; aber abends hat er dann seinen Freunden beim Punsch und beim Tabak seine Geschichten erzählt."
    Ritt auf Kanonenkugeln zu Unterhaltungszwecken
    Was genau Münchhausen seinen Gästen erzählt hat, wissen wir nicht. Warum er seine Geschichten erfand, ist leicht zu erraten: Er wollte unterhalten und sich über die üblichen Aufschneidereien von Jägern, Kriegsveteranen und anderen Großsprechern lustig machen. Deshalb setzt er sich auf Kanonenkugeln, deshalb klettert er an Bohnenranken zum Mond und springt auf einem Ross durchs Fenster in eine Teegesellschaft.
    Zitat "Hier ritt ich bald Schritt, bald Trott, bald Galopp und setzte endlich sogar auf den Teetisch und machte da überaus artig die ganze Schule durch, worüber sich die Damen ganz ausnehmend ergötzten."
    Selbst aufgeschrieben hat Hieronymus von Münchhausen seine Geschichten nicht. Dass sie trotzdem ihren Weg um die Welt antreten konnten, lag an dem Universalgelehrten Rudolf Erich Raspe, der wahrscheinlich den einen oder anderen schnurrigen Abend bei Münchhausen verlebte. Raspe ging später nach England und schrieb ein Buch mit unglaublichen Jäger- und Soldatenanekdoten unter dem Namen Münchhausen. Gottfried August Bürger übersetzte die Geschichten ins Deutsche und fügte weitere Historien hinzu.
    Geburt des "Lügenbaron" im Scheidungsprozess
    Als der echte Münchhausen erfuhr, was er alles erzählt haben sollte, war er erbost - und hatte bald ganz andere Probleme. 1790 starb seine Frau. Er heiratete daraufhin eine 19-Jährige, die sein Geld mit vollen Händen ausgab. Es kam zum Scheidungsprozess, den die Anwälte seiner Frau mit den handelsüblichen Anschwärzereien führten.
    "Und in diesen Akten, in diesen Schriftsätzen taucht zum ersten Mal der Begriff ‚Lügenbaron‘ auf. Damit ist er in der Welt und hat Karriere gemacht."
    Karriere gemacht hat bis heute auch die literarische Figur Münchhausen. Unzählige Übersetzungen, Spielfilme, Opern, Kabarett-Programme, Computerspiele – und auch in den ernsten Wissenschaften hat Münchhausen seine Spuren hinterlassen. Mathematiker kennen die "Münchhausen-Zahl" und Philosophen das "Münchhausen-Trilemma", nämlich den paradoxen Befund, dass man Wahrheit nicht letztgültig beweisen kann – obwohl man weiß, dass es sie geben muss.