Rosa Perez-Mateo ist alles andere als einsam. Sie ist Vorsitzende der Nachbarschaftsvereinigung im Madrider Randbezirk Ensanche de Vallecas. Dort organisiert sie Yoga für Erwachsene, aber auch Kochkurse für Kinder. Eigene Kinder hat sie jedoch nicht – eine ganz bewusste Entscheidung:
"Mir war immer klar, dass ich keine Kinder möchte. Diese Welt hat dafür zu viele Probleme. Ich mag Kinder, aber diese Verantwortung ist mir zu groß. So denken natürlich viele Frauen und plötzlich werden sie trotzdem Mütter. Bei mir war das nicht so. Bei unseren Arbeitszeiten weiß ich auch gar nicht, wie wir noch Kinder erziehen sollten."
Rosi, wie sie ihre Freunde nennen, ist kein Einzelfall. Immer mehr Spanierinnen entscheiden sich für ein Leben ohne eigene Kinder. Nur noch knapp 373.000 Geburten registrierten die Standesämter im vergangenen Jahr.
Weniger Geburten und ältere Mütter
Seit 2008, also in nur elf Jahren, ist das ein Rückgang um fast ein Drittel. Im weltweiten Vergleich liegt Spanien damit weit hinten. Und die Spanierinnen bekommen ihre Kinder immer später, im Schnitt bringen sie im Alter von 31 Jahren ihr erstes Kind zur Welt, das dann oft Einzelkind bleibt. Rosi wundert das nicht.
"In diesem Viertel gibt es etwa 1.000 Geburten im Jahr. Aber wir haben nur drei öffentliche Kindergärten. Das sind viel zu wenig. Und ein Platz kostet dort etwa 200 Euro im Monat. Wir haben hier auch nicht genug öffentliche Schulen. Dafür subventioniert die Verwaltung zwar Privatschulen, aber die wollen dann auch Geld von den Eltern. Ich sehe keine Unterstützung dafür, dass die Leute Kinder bekommen."
Längst übersteigt in Spanien die Zahl der Verstorbenen die der Geburten. Auch Demographen sehen darin eine Folge der tiefen Wirtschaftskrise zwischen 2008 und 2015. Diego Roman untersucht die Bevölkerungsentwicklung beim Obersten Wissenschaftsrats Spaniens.
"Mit der Krise ist die Geburtenrate bei den Frauen, die arbeitslos wurden, völlig in den Keller gegangen. Die Frauen, die nur befristet beschäftigt waren, bekamen zwar ebenfalls weniger Kinder, aber die Kurve in dieser Statistik war weniger dramatisch. Bei den Frauen, die hingegen unbefristete Arbeitsverträge hatten, ist die Geburtenrate trotz der Wirtschaftskrise sogar leicht gestiegen. Und dies alles völlig unabhängig vom Ausbildungsniveau."
Die Perspektive ist entscheidend
Entscheidend für den Kinderwunsch sei folglich die wirtschaftliche Perspektive der Paare, unterstreicht der Demograph. Die niedrige Geburtenrate ist in Spanien aber nicht allein Folge der letzten Krise, sondern womöglich auch Ursache künftiger wirtschaftlicher Krisen:
Niedrigere Bevölkerungszahlen bremsten das Wirtschaftswachstum, so warnen Ökonomen, die Staatsschulden zu begleichen werde schwieriger. Mittelfristig sieht Bevölkerungsforscher Roman nur eine Lösung:
"Wir Europäer müssen uns darüber klar werden, dass Einwanderung für unsere Zukunft entscheidend sein wird. Wir müssen attraktive Zuwanderungsländer werden. Migranten könnten sich sonst auch für andere Staaten entscheiden."
Rosi Perez-Mateo sieht das genauso. Doch, wie dem auch sei. Im Madrider Randbezirk Ensanche de Vallecas wird aus ihrer Sicht auf jeden Fall deutlich, dass der spanische Staat das Erziehungssystem zu stark privatisiert hat. Sie fordert mehr öffentliche Kindergärten, Schulen und Kultur- und Freizeitzentren. Aber selbst wenn sich die Regierung bald eines Besseren besinnt: An ihrer Entscheidung kinderlos zu bleiben, versichert die 51-Jährige, werde das nichts mehr ändern.
"Mir geht es gut damit, so wie es ist. Manchmal fragt man sich natürlich, wie wäre mein Leben mit Kindern gelaufen, wie wäre die Familie dann? Aber gut, ich bin niemand, der einmal getroffenen Entscheidungen bereut."