Seit jeher versucht die Medizin, den geheimnisvollen Prozessen des Denkens auf die Schliche zu kommen. Von den ersten, noch abstrusen Karten, die schon seit Jahrhunderten demonstrieren wollten, welche Gedanken in einer bestimmten Gehirnrindenwindung beheimatet sind, bis zu den sehr viel verlässlicheren Interpretationen, die dank modernster Bildgebung erzielt wurden, war es ein weiter Weg. Dennoch ist das Wissen, wo in der grauen Substanz Informationen verarbeitet werden, eher vage - konkrete Denkinhalte entziehen sich dem neugierigen Blick weitgehend. Bislang können Neuroforscher aber immerhin grob messen, welche Gehirnzellen damit beschäftig sind, wenn ein Mensch sich Formen oder Farben vorstellt. Die Messinstrumente sind heute noch nicht in der Lage, die kleinen Zellgruppen aufzulösen, die sich mit filigraneren Gedanken auseinandersetzen. Doch das trübt nicht den Optimismus von Professor Yukiyasu Kamitani. Grenzen seien dazu da, überwunden zu werden, meint der Wissenschaftler aus der Keihanna Science City in Japan: "Um die fehlende Auflösung auszugleichen, kombinieren wir die Informationen benachbarter Bildpunkte mit Hilfe eines Mustererkennungsprogramms. Daraus können wir ableiten, in welcher Richtung Linen laufen, auf die ein Mensch blickt."
Für seine Forschung schickt Kamitani die Probanden immer wieder in den Gehirnscanner, um deren Neuronen über die Schulter zu gucken, wenn sie sich mit Bildern von vertikalen oder horizontalen Linien beschäftigen. Zwar kann auch der empfindliche Detektor nicht einzelne Nervenzellen darstellen, doch mittels mathematischer Tricks gelingt es den Japanern sogar - nach einer ausgiebigen Trainingsphase der Software - festzustellen, auf welche Linie eines Gitters sich eine Versuchsperson gerade konzentriert. Diese Art einfachsten Gedankenlesens bildet den Schlüssel zur Wahrnehmung, denn die Ausrichtung von Linien ist der Ausgangspunkt, wenn das Gehirn den Umriss von Gegenständen aufbaut. Während Yukiyasu Kamitani so das bewusste Erleben untersucht, widmet sich John-Dylan Haynes am University College in London den Vorstufen der Wahrnehmung. Mit derselben Technik stellte der Brite die Reaktion des Gehirns auf versteckte Reize dar, die es gar nicht erst in das Bewusstsein von Versuchspersonen schaffen. "Das ist sehr wichtig, denn es zeigt, dass unser Sehsystem viele Informationen über die Umwelt verarbeitet, die wir aber nicht wahrnehmen. Diese ersten Stufen des Sehsystems haben sozusagen ein eigenes Leben: Sie kümmern sich um die Einzelheiten da draußen, aber wir sehen nur das Endergebnis der Verarbeitung und nicht die Details."
Diese Erkenntnis ist zwar nicht ganz neu, dennoch stellt die bildgebende Darstellung dieser Vorgänge einen Meilenstein in der Wissenschaft dar, denn erstmals ist mit der Methode ein Zugriff auf die Inhalte des Denkens möglich. Zwar handelt es sich erst um die Orientierung von Linien im Blickfeld, doch das sei erst der Anfang, ist Yukiyasu Kamitani überzeugt. "Ich bin sicher, dass wir Formen, Farben und auch Bewegungen verlässlich aus dem Gehirnbild ablesen können. Anders sieht es dagegen bei einem kompletten natürlichen Bild aus. Aber ich denke, wir werden dabei zumindest grobe Umrisse darstellen können", erklärt Kamitani. Theoretisch sollte die Methode ermöglichen, aus einem Gehirnscan grob auf das zurück zu schließen, an das ein Mensch gedacht hat. Dabei besteht allerdings kaum die Gefahr, dass der Gehirnscan so bald quasi als neuartige "Bewusstseinskamera" etwa für verschwiegene Verbrecher dienen kann. Denn bevor brauchbare Daten aus der Software sprudeln, muss das Programm für jeden Menschen aufs Neue trainiert werden, um verlässliche Vorhersagen treffen zu können. Trotzdem sieht John-Dylan Haynes durchaus Anwendungen für das Verfahren. "Unser Apparat ist nur ein sehr primitiver Gedankenleser, aber er demonstriert ein wichtiges Prinzip, nämlich dass es möglich ist, Inhalte des Bewusstseins und sogar unbewusste Prozesse zu entschlüsseln. Man könnte das in einem Lügendetektor verwenden oder auch, um festzustellen, ob komplett gelähmte Patienten bei Bewusstsein sind." Von einem echten Gedankenleser sei man jedoch noch sehr weit entfernt.
[Quelle: Volkart Wildermuth]
Für seine Forschung schickt Kamitani die Probanden immer wieder in den Gehirnscanner, um deren Neuronen über die Schulter zu gucken, wenn sie sich mit Bildern von vertikalen oder horizontalen Linien beschäftigen. Zwar kann auch der empfindliche Detektor nicht einzelne Nervenzellen darstellen, doch mittels mathematischer Tricks gelingt es den Japanern sogar - nach einer ausgiebigen Trainingsphase der Software - festzustellen, auf welche Linie eines Gitters sich eine Versuchsperson gerade konzentriert. Diese Art einfachsten Gedankenlesens bildet den Schlüssel zur Wahrnehmung, denn die Ausrichtung von Linien ist der Ausgangspunkt, wenn das Gehirn den Umriss von Gegenständen aufbaut. Während Yukiyasu Kamitani so das bewusste Erleben untersucht, widmet sich John-Dylan Haynes am University College in London den Vorstufen der Wahrnehmung. Mit derselben Technik stellte der Brite die Reaktion des Gehirns auf versteckte Reize dar, die es gar nicht erst in das Bewusstsein von Versuchspersonen schaffen. "Das ist sehr wichtig, denn es zeigt, dass unser Sehsystem viele Informationen über die Umwelt verarbeitet, die wir aber nicht wahrnehmen. Diese ersten Stufen des Sehsystems haben sozusagen ein eigenes Leben: Sie kümmern sich um die Einzelheiten da draußen, aber wir sehen nur das Endergebnis der Verarbeitung und nicht die Details."
Diese Erkenntnis ist zwar nicht ganz neu, dennoch stellt die bildgebende Darstellung dieser Vorgänge einen Meilenstein in der Wissenschaft dar, denn erstmals ist mit der Methode ein Zugriff auf die Inhalte des Denkens möglich. Zwar handelt es sich erst um die Orientierung von Linien im Blickfeld, doch das sei erst der Anfang, ist Yukiyasu Kamitani überzeugt. "Ich bin sicher, dass wir Formen, Farben und auch Bewegungen verlässlich aus dem Gehirnbild ablesen können. Anders sieht es dagegen bei einem kompletten natürlichen Bild aus. Aber ich denke, wir werden dabei zumindest grobe Umrisse darstellen können", erklärt Kamitani. Theoretisch sollte die Methode ermöglichen, aus einem Gehirnscan grob auf das zurück zu schließen, an das ein Mensch gedacht hat. Dabei besteht allerdings kaum die Gefahr, dass der Gehirnscan so bald quasi als neuartige "Bewusstseinskamera" etwa für verschwiegene Verbrecher dienen kann. Denn bevor brauchbare Daten aus der Software sprudeln, muss das Programm für jeden Menschen aufs Neue trainiert werden, um verlässliche Vorhersagen treffen zu können. Trotzdem sieht John-Dylan Haynes durchaus Anwendungen für das Verfahren. "Unser Apparat ist nur ein sehr primitiver Gedankenleser, aber er demonstriert ein wichtiges Prinzip, nämlich dass es möglich ist, Inhalte des Bewusstseins und sogar unbewusste Prozesse zu entschlüsseln. Man könnte das in einem Lügendetektor verwenden oder auch, um festzustellen, ob komplett gelähmte Patienten bei Bewusstsein sind." Von einem echten Gedankenleser sei man jedoch noch sehr weit entfernt.
[Quelle: Volkart Wildermuth]