Bundestagspräsident Norbert Lammert betonte die Trauer, aber auch die Entschlossenheit der Gesellschaft. "Diese Entschlossenheit braucht es über den Tag hinaus, denn die Bedrohung ist nicht eingebildet, auch bei uns." Über die Motive der Dschihadisten sagte Lammert: "Mit Kulturkampf hat Terrorismus sicher nichts zu tun, mit Religion schon gar nicht." Die islamkritische "Pegida"-Bewegung in Deutschland betreibe indes "Demagogie statt Aufklärung", so der Parlamentspräsident unter dem Beifall der Abgeordneten.
Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach in ihrer Regierungserklärung den Franzosen die Solidarität der Deutschen aus. "Wir sind erschüttert und fassungslos über den Tod von 17 unschuldigen Menschen", sagte sie. "Deutschland und Frankreich stehen in diesen schweren Tagen zusammen." In Deutschland gebe es keine Sicherheit, wenn es in Frankreich keine Sicherheit gebe.
"Terror war nie weg"
Die Kanzlerin erinnerte an die vielen Attentate auf der Welt: "Terror war nie weg. Terror hat immer existiert", betonte sie. Als Beispiele nannte Merkel etwa die Gräueltaten in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten oder die Morde der rechten Terrorzelle NSU, aber ebenso jüngere Anschläge wie das islamistische Attentat auf das Jüdische Museum in Brüssel oder die blutigen Taten der Terrorgruppe Boko Haram in Nigeria.
#Merkel: Wir in Deutschland wollen und werden uns nicht spalten lassen...Wir haben in Europa gelernt, mit unserer Vielfalt zu leben.— Steffen Seibert (@RegSprecher) January 15, 2015
Merkel hob die Bedeutung von Pressefreiheit und Toleranz hervor. Die Freiheit der Presse sei "einer der größten Schätze unserer Gesellschaft. Bürger sein und nicht Untertan ist nur möglich, wenn es eine freie Presse gibt." In viel zu vielen Ländern der Welt gebe es echte Pressefreiheit nicht. Voraussetzung dafür sei Toleranz. "Sie ist eine anspruchsvolle Tugend, nicht mit Standpunktlosigkeit zu verwechseln."
Kein Platz für Diskriminierung und Ausgrenzung
Nach Einschätzung Merkels ging es bei den Anschlägen in Paris um zwei der "großen Übel unserer Zeit, die nicht immer, aber häufig Hand in Hand gehen: um mörderischen islamistischen Terrorismus und Antisemitismus, den Hass auf Juden." Und sie machte klar: "Wir lassen uns nicht spalten." Diskriminierung und Ausgrenzung dürften in Deutschland keinen Platz haben.
Ebenso wie das jüdische Leben gehöre auch der Islam zu Deutschland, sagte die Regierungschefin und zitierte damit erneut den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff.
Gysi hält Kriege des Westens als eine Ursache
Linksfraktionschef Gregor Gysi gab dem Westen eine Mitschuld an der Entstehung des islamistischen Terrorismus. "Al-Kaida und Islamischer Staat waren auch die Folge und Produkte von Militärinterventionen", sagte er am Donnerstag im Bundestag. Als Ursachen für die Entstehung der Terrororganisationen nannte er unter anderem die Waffenlieferungen in den syrischen Bürgerkrieg und die Intervention der USA und einiger Verbündeter 2003 im Irak. "Ohne die genannte falsche Aufrüstung in Syrien, ohne den falschen Irak-Krieg, gäbe es den Islamischen Staat nicht - zumindest nicht so, wie er heute existiert."
Auch der Afghanistan-Krieg hat nach Ansicht Gysis den Terrorismus befördert. "Im Krieg wird Leben vernichtet. Dadurch entsteht eine Verachtung des Rechts auf Leben. Und diese Verachtung ist eine Bedingung des Terrorismus." Ziel des internationalen Afghanistan-Einsatzes sei es gewesen, al-Kaida zu zerschlagen. Die Terrororganisation sei aber nur nach Pakistan umgezogen. "Sie alle wissen, dass Ihre Entscheidung für den Afghanistan-Krieg falsch war, haben aber nicht den Mut, das einzuräumen", warf er dem größten Teil der Bundestagsabgeordneten vor. Der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr war stets mit großer Mehrheit vom Parlament beschlossen worden. Die Linke stimmte als einzige Fraktion immer geschlossen dagegen.
Merkel für Vorratsdatenspeicherung
Als Konsequenz der jüngsten Anschläge forderte derweil Merkel einen neuen Anlauf der EU zur Speicherung von Telefon- und Internetverbindungsdaten. Angesichts der parteiübergreifenden Überzeugung, dass Mindestspeicherfristen benötigt würden, müsse auf die schnelle Vorlage einer überarbeiteten EU-Richtlinie gedrängt werden. Über die Vorratsdatenspeicherung wird derzeit in Deutschland gestritten. Die Grünen lehnen es nach wie vor ab, sie wieder einzuführen. Das machte Fraktionschef Anton Hofreiter deutlich. Er betonte, was man brauche, sei eine gut ausgestattete Polizei. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann zeigte sich dagegen gesprächsbereit. Er sagte aber, man müsse zunächst die Vorschläge der EU-Kommission abwarten.
Ihre Regierungserklärung beendete Merkel mit einem Appell: "Wir sollten unsere Gesellschaft wachrütteln für dieses Lebensprinzip der Demokratie." Mitreden, mitentscheiden, Hilfe leisten und Verantwortung übernehmen seien für den Zusammenhalt der Gesellschaft entscheidend. "Das ist unser Gegenentwurf zur Welt des Terrorismus", sagte sie.
(tzi/swe)