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Gedenken in Dresden an Bombenangriffe von 1945
"Bürgerschaft muss Farbe bekennen"

Der Jahrestag der Zerstörung Dresdens durch Luftangriffe der Alliierten führt seit Jahren zu Kontroversen. Joachim Klose von der Dresdner "AG 13. Februar" fordert, dass die Stadt an diesem Tag nicht nur "reine Retrospektion" betreiben dürfe. Es gehe vielmehr darum, totalitäre Regime in Zukunft zu verhindern, sagte er im Dlf.

Joachim Klose im Gespräch mit Jörg Münchenberg |
    Mit einer Menschenkette wird am 13.02.2017 in Dresden der Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg gedacht.
    Vor einem Jahr: Dresdner Bürgerinnen und Bürger bilden am 72. Jahrestag der Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg eine Menschenkette. (picture alliance / Sebastian Kahnert/dpa)
    Jörg Münchenberg: Es ist ein festes Ritual für die Dresdner, die jeweils am 13. Februar der Bombenangriffe vom 13. Februar 1945 gedenken, aber es ist auch ein schwieriges Ritual, weil es Kontroversen um die richtige Form des Gedenkens gibt, aber auch weil gerade rechte Gruppen immer wieder versucht haben, die Gedenken für die eigenen Ziele zu instrumentalisieren.
    Dazu der Bericht von Bastian Brandau:
    Und am Telefon begrüße ich nun Joachim Klose, er ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft 13. Februar, die in Dresden das offizielle Gedenken der Stadt organisiert. Herr Klose, einen schönen guten Morgen!
    Joachim Klose: Guten Morgen, Herr Münchenberg!
    Münchenberg: Herr Klose, als vor einem Jahr Dresdens Oberbürgermeister Hilbert in einem Zeitungsinterview bezüglich der Bombardierung durch die Alliierten gesagt hat, auch Dresden sei, Zitat: "keine unschuldige Stadt gewesen", da musste er dann unter Polizeischutz gestellt werden. Warum tut sich die Stadt mit dem Gedenken so schwer?
    Klose: Ich glaube, die Stadt, als Stadtoberhaupt und die Bevölkerung gedenkt dem 13. Februar seit 1945 immer auf verschiedene Weise. Die Bevölkerung wünscht eher ein ruhiges Gedenken, dass man abends um 21:45 Uhr die Glocken läuten hört zum Zeitpunkt der Zerstörung der Stadt – es war übrigens Faschingsdienstag –, und dann ruhig, stillschweigend den Abend begeht, eventuell noch einen Gottesdienst aufsucht.
    "Bürgerschaft muss deutlich machen, dass sie den Missbrauch nicht möchte"
    Aber das Gedenken wurde von Anfang an missbraucht, nicht nur von den Nationalsozialisten und Neonazis, sondern auch von der ehemaligen DDR, und das hat sich bis in die 90er-Jahre hineingezogen. Man dachte vielleicht, man könne es aussitzen, aber es ist eben nicht so. Bürgerschaft muss Farbe bekennen, muss deutlich machen, dass sie den Missbrauch nicht möchte, und das fiel vielleicht der Stadt anfänglich schwer, da ausreichend Bekenntnisse zu formulieren. Das hat sich aber in den letzten sieben, acht Jahren eigentlich sehr schön gewendet und zu einem positiven Ergebnis geführt. Wir haben 2009 einen runden Tisch gegründet, die Arbeitsgemeinschaft 13. Februar. Darin vertreten sind alle Stadtratsfraktionen als auch Vereine und Verbände, die sich gerade mit der Gedenkkultur beschäftigen, wie die Kriegsgräberfürsorge oder andere, auch die Gewerkschaften, und wir treffen uns regelmäßig und organisieren zum Beispiel für den 13. Februar eine Menschenkette, die den Stadtkern umstellt, und das ist schon eine schöne ritualisierte Form. Ich kann noch andere Sachen berichten.
    Münchenberg: Ja, trotzdem hat ja Dresden …, steht ja durchaus auch für negative Schlagzeilen: die Pegida-Aufmärsche, es gab die umstrittene Rede des Thüringer AfD-Vorsitzenden Bernd Höcke [Der Moderator hat hier irrtümlich einen falschen Vornamen genannt. Der richtige Name ist Björn Höcke; Anm. der Red.], die Neonazis-Aufmärsche. Also, Sie würden jetzt schon sagen, trotzdem, es gibt keinen Widerspruch zwischen, ich sage mal: dem Umgang mit der Stadtbevölkerung, mit dem Gedenken und den offiziellen Gedenkfeiern?
    "Diesen extremistischen Anteil der AfD nicht akzeptieren "
    Klose: Da, würde ich sagen, gibt es keinen Widerspruch. Die Bevölkerung stützt sehr stark die Arbeit der Stadt, auch der AG 13. Februar, es gibt eine sehr starke emotionale Unterstützung, aber es gibt natürlich immer den Missbrauch. Dresden ist eine tolle Bühne, das wussten nicht nur die negativen Seiten, sondern auch die positiven Seiten, und wenn Björn Höcke oder andere hier Reden halten, dann nutzen sie diese Bühne und wissen, dass das wie ein Verstärker wirkt, auch aufgrund der Verwundung dieser Stadt.
    Münchenberg: Nun wird ja die AfD heute ihre eigene Gedenkveranstaltung machen und das wieder speziell auf ihren Blickwinkel verengen. Wird jetzt die AfD sozusagen die Rolle der früheren Rechten übernehmen, was das Gedenken an die Bombenangriffe vom 13. Februar 1945 angeht?
    Klose: Na ja, sie hat ja schon immer so eine rechte Flanke gehabt, die rechtspopulistisch, rechtsextremistisch ausschlug, wie wir bei der Rede von Björn Höcke gesehen haben, und ich denke schon, dass sie diese Diskussion oder diese Seite nutzen wird, um populistisch zu agieren, zu enttabuisieren und wieder Stigmatisierung hervorzurufen, damit Zuwachs zu bekommen. Aber wir müssen einfach gegenhalten, wir müssen einfach sichtbar machen, dass wir diesen extremistischen Anteil der AfD nicht akzeptieren und werden da Farbe bekennen. Ich meine, wenn die AfD sich demokratisch verhalten würde und sich normal als Partei generieren würde, würde man anders umgehen können. Das ist aber nicht gegeben zurzeit.
    Münchenberg: Wie würden Sie denn die Rolle Dresdens angesichts der Bombardierung skizzieren? Von der rechten Seite heißt es ja, die Stadt sei letztlich ein unschuldiges Opfer. Das hat ja der Oberbürgermeister Hilbert damals eben bestritten. Also wie würden Sie das insgesamt einordnen?
    "Die Bombardierung Dresdens fiel nicht aus heiterem Himmel"
    Klose: Abstrakte Strukturen wie eine Stadt kann erst mal nicht schuldig oder unschuldig sein, aber Menschen tragen Verantwortung, und Menschen, die in dieser Stadt gelebt haben, waren im Nationalsozialismus involviert, und die Bombardierung Dresdens fiel nicht aus heiterem Himmel, sondern war Ergebnis eines brutalen Krieges, den das nationalsozialistische Deutschland mit angezettelt hat. Insofern wusste man um die Gefahr und wusste auch um die Möglichkeit der Zerstörung. Zum Beispiel wurde in der Hofkirche die Silbermannorgel 1944 ausgebaut, da man Angst hatte, dass die Stadt zerstört wird. Also da ist doch eindeutig, dass diese Bombardierung ein Ergebnis dieses brutalen Zweiten Weltkrieges war. Die heutige Generation ist natürlich in keinster Weise mehr schuldig, aber sie trägt eine besondere Verantwortung, und zwar die Verantwortung für den Frieden in der Welt und wie wir mit dieser Form von Extremismus umgehen, auch mit der deutschen Vergangenheit.
    Münchenberg: Aber wird denn über diesen richtigen Begriff – in Anführungsstrichen –, wird denn da überhaupt noch öffentlich diskutiert, also wenn man die Rolle Dresdens jetzt auch bei der Bombardierung einzuordnen hat?
    Klose: Also es gab hier in Dresden eine Untersuchungskommission, die einige Mythen ausgeräumt hat, zum Beispiel die Anzahl der Opfer der Bombardierung, und da wurde sehr intensiv auch diskutiert über den Stellenwert der Bombardierung, es gibt Ausstellungen in der Stadt, es wird immer wieder darüber diskutiert, wie das Gedenken in einer würdigen Art und Weise stattfinden kann ohne reine Retrospektion zu betreiben, sondern auch einen Blick in die Zukunft zu werfen. Zum Beispiel, wenn wir die Menschenkette am 13. Februar bilden, die ja anfänglich entstanden ist aus einer direkten Abwehr des Rechtsextremismus, und dass die Rechtsextremen am 13. Februar jetzt nicht mehr kommen, das ist ein großer Erfolg der Bürgerschaft.
    "Friedfertigkeit als Voraussetzung der Gestaltung eines gelingenden Gemeinwesens"
    Das ist, wie Rico Gebhardt schon sagte, ein Stück sich abgedämmt hat und wir ein Stück zurückdrängen konnten diesen Missbrauch, überlegen wir natürlich, wie wir dieses zivilbürgerschaftliche Engagement am 13. Februar auch in eine friedvolle Zukunft lenken können. Insofern haben wir in den letzten Jahren immer Begrifflichkeiten auf die Menschenkette gelegt, wie zum Beispiel Gastfreundschaft oder Menschlichkeit im letzten Jahr, und dieses Jahr haben wir den Begriff Friedfertigkeit, und zwar Friedfertigkeit als Voraussetzung der Gestaltung eines gelingenden Gemeinwesens, einer Kommune.
    Münchenberg: Herr Klose, vor einem Jahr gab es ja die drei hochkant aufgestellten Busse des syrisch-deutschen Künstlers Halbouni direkt vor der Frauenkirche, das war hochumstritten, damals kontrovers diskutiert. Auf eine ähnliche Aktion hat man ja jetzt verzichtet. Also hätte die Stadt vielleicht nicht auch trotzdem wieder ein klares Zeichen setzen müssen?
    Klose: Also die Busse, die damals aufgestellt worden sind, das war erst mal eine Aktion auf dem Neumarkt, die einmalig war, aber in der sich auch viele Dinge gebrochen haben. Es stehen jetzt auch Kunstwerke auf dem Neumarkt, die nicht so provokant waren. Damals brachen sich ja an den Bussen verschiedene Narrative, und das ist sichtbar geworden. Es war vielleicht ein seltenes, nicht häufig vorkommendes Momentum, dass das am 13. Februar so kongenial zusammenging. Das wurde ja lange vorbereitet.
    "Verantwortung für totalitäre Regime und das Verhindern solcher in der Zukunft"
    Ob man das immer so inszenieren kann, ob das immer so möglich ist, das wage ich zu bestreiten. Ich glaube, man muss immer wieder versuchen, die Gespräche zu führen. Wir bieten zum Beispiel heute am 13. Februar ein Bürgerforum an, wo wir die Thematik des 13. Februars aufgreifen, das wir in der ganzen Stadt bekannt machen. Wir haben das dezentrale Gedenken auf den Friedhöfen am Vormittag, also wir haben für den 13. Februar selber schon ein ritualisiertes Gedenken gefunden. Wir bieten vom 27. Januar bis zum 13. Februar regelmäßig Veranstaltungen an, die sich mit der Auseinandersetzung des Nationalsozialismus beschäftigen.
    Münchenberg: Herr Klose, lassen Sie mich noch eine Frage stellen zum Schluss: Was würden Sie sagen, wie präsent letztlich ist jetzt noch dieser 13. Februar 1945 in Dresden?
    Klose: Den Menschen ist er sehr präsent. Er ist ihnen sehr bewusst. Es ist jetzt nicht mehr sozusagen die Trauer um die Zerstörung, aber um die Verantwortung für totalitäre Regime und das Verhindern solcher in der Zukunft.
    Münchenberg: Sagt der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft 13. Februar Joachim Klose. Herr Klose, vielen Dank für das Gespräch heute Morgen!
    Klose: Danke schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.