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"Gefährlich, wenn nur auf den Preis geschaut wird"

Nik Geiler nennt die Abmahnung der Berliner Wasserwerke durch das Kartellamt zwiespältig. Die Behörden handelten nach dem Motto Billigwasser um jeden Preis. Mit dieser Haltung, so der Wasserexperte des Bundesverbands Bürgerinitiativen, werde die ökologischen Errungenschaften aufs Spiel gesetzt.

Nik Geiler im Gespräch mit Jule Reimer |
    Jule Reimer: Wie teuer darf Trinkwasser in Deutschland sein? In Berlin muss es jedenfalls in den nächsten drei Jahren um rund 20 Prozent billiger werden. Das Bundeskartellamt hat gestern die Berliner Wasserbetriebe abgemahnt. Kommt die Preissenkung durch, würden die Berliner Wasserkunden in den nächsten drei Jahren gut 205 Millionen Euro weniger zahlen als bisher vorgesehen. Das Bundeskartellamt will auch gegen andere Wasserversorger vorgehen, um die Konsumenten vor den Wassermonopolisten zu schützen, denn anders als bei Strom und Gas kann Otto Normalverbraucher den örtlichen Wasserversorger ja nicht kündigen und sich von jemand anderem beliefern lassen. - Nik Geiler ist im Bundesverband Bürgerinitiativen (BBU) der Fachmann für den Wassermarkt und gleichzeitig Mitglied bei der Initiative Wasser in Bürgerhand. Herr Geiler, die Berliner Wasserbetriebe gehören dem Bundesland Berlin und knapp zur Hälfte den Konzernen Veolia und RWE. Gegen diese Teilprivatisierung, geheime Verträge und die Preispolitik in Berlin hat auch die Bewegung Wasser in Bürgerhand protestiert. Ist der Rüffel des Kartellamtes jetzt in Ihrem Sinne?

    Nik Geiler: Die Abmahnung des Bundeskartellamts ist sicherlich ein Erfolg für die Bürgerinitiativen in Berlin, die seit 1999 sich zurecht über die hohen Wasserpreise in Berlin empören. Damals hat ja der Berliner Senat, wie Sie richtig gesagt haben, die Berliner Wasserbetriebe zur Hälfte an den RWE-Konzern und an den französischen Wassermulti Veolia verkauft. Und die Teilprivatisierungsverträge wurden damals nicht nur von der Süddeutschen Zeitung als sittenwidrig eingestuft - dies deshalb, weil diesen beiden privaten Anteilseignern eine überdurchschnittliche Rendite fest garantiert wurde, egal was passiert. Und diese garantierte Rendite, die kann sich jetzt eventuell auch als Pyrrhussieg entpuppen, weil die beiden großen Konzerne Veolia und RWE könnten darauf pochen, dass ihnen in den Verträgen ja zugesichert worden ist eine garantierte Rendite. Das heißt, die könnten vom Senat verlangen, dass das, was an Defiziten entsteht, vom Senat ausgeglichen wird. Die Berliner Bürgerinnen und Bürger würden dann zwar Trinkwassergebühren sparen, müssten dann aber über ihre Steuern die Defizite, die den beiden großen Wassermultis entstehen, doch wieder bezahlen.

    Reimer: Aber Verbraucherschützer kritisieren ja insgesamt in Deutschland hohe Unterschiede bei den Wasserpreisen. Das heißt, ist es richtig, dass das Kartellamt sich jetzt die Wasserpreise in Deutschland genauer anschaut?

    Geiler: Es ist richtig, dass auf jeden Fall mehr Preistransparenz in der Wasserwirtschaft gefordert wird. Die Wasserwerke müssen viel, viel besser als bislang den Bürgerinnen und Bürgern erklären, wie kommt der Wasserpreis zustande, was steckt in dem Wasserpreis alles drin und wofür wird die Rendite ausgegeben, zum Beispiel für den öffentlichen Nahverkehr, oder fürs Schwimmbad. Da fehlt es bisher ganz klar an Durchsichtigkeit, und deshalb sagen wir, wir brauchen mehr Bürgerbeteiligung, damit in den Rathäusern und den Gemeinderäten auch transparenter als bislang darüber entschieden wird, wie setzt sich der Wasserpreis zusammen.

    Die angedrohte Preissenkungsverfügung des Bundeskartellamts sehen wir aber gerade in der Beziehung als ziemlich zwiespältig an, weil die Kartellbehörden handeln nur nach dem Motto, Billigwasser um jeden Preis, und mit Billigwasser um jeden Preis wird die Substanzerhaltung in der deutschen Wasserwirtschaft und auch ökologische Errungenschaften in der deutschen Wasserwirtschaft unserer Ansicht nach gefährlich aufs Spiel gesetzt.

    Reimer: Warum könnten denn Wasserpreise höher sein? Was würde aus Ihrer Sicht gerechtfertigt sein?

    Geiler: Gerechtfertigt ist zum Beispiel, dass entsprechend Geld in die Rohrnetzpflege fließt. Wir wollen kein löchriges Wasserversorgungssystem wie in Großbritannien, zum Beispiel in London. Und wir wollen auch, dass zum Beispiel die Wasserwerke weiterhin genügend Geld haben, um Verträge mit den Landwirten abschließen zu können, damit die Landwirte möglichst wenig Düngemittel in den Grundwasserneubildungsgebieten einsetzen. Und wenn jetzt wirklich nach dem Sinn der Kartellbehörden in Bund und Ländern die Devise gilt, Billigwasser um jeden Preis, ist gerade diese Nachhaltigkeit in der Wasserversorgung nicht mehr gewährleistet, und insofern sehen wir zwei Seiten in diesem Vorgehen vom Bundeskartellamt. Wir wären froh, wenn es dazu führen würde, dass stärker als bislang mehr Transparenz walten würde, sehen es aber als gefährlich an, wenn nur auf den Preis geschaut wird und wenn nicht mit einkalkuliert wird, dass eine gute und eine sichere Trinkwasserversorgung auch entsprechende Mittelaufwendungen nach sich ziehen muss.

    Reimer: Vielen Dank an Nik Geiler, Wasserexperte beim Bundesverband Bürgerinitiativen (BBU)und der Initiative Wasser in Bürgerhand.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.